Kathrin Wilke und Sibylle Scheewe bezeichnen das Heft als Arbeits- und Lesebuch zum Thema Schuppenflechte. Die theoretische Grundlage ist ihr Patientenschulungsprogramm für Kinder und Jugendliche, das sie an der Fachklinik Sylt durchführen. Ärzte, Therapeuten oder sachkundige Eltern, die mit Kindern das Thema erarbeiten wollen, können das Heft dort beziehen. Man kann es nicht 1:1 überall hin übertragen. Einige der Lektionen spielen direkt auf Sylt, eine direkt in der Fachklinik. Nicht jeder Aussage, jeder Schwerpunktsetzung oder jeder Formulierung ist uneingeschränkt zuzustimmen. Das Heft ist aber voller guter Ideen, wie man jungen Psoriatikern zwischen 8 und 14 Jahren das Thema nahe bringen kann. Ältere könnten die Hintergrundgeschichte als zu kindlich empfinden. Das Heft ist nicht zum Selbststudium der jungen Patienten geeignet. Die Lektionen sind so aufgebaut, dass sie stets besprochen und aufgearbeitet werden müssen.
Das dahinter stehende Konzept wird hier nicht noch einmal wiederholt. Es ist nachzulesen unter Patientenschulung. Wir wollen kritische Benutzer dieses Arbeitsbuches auf einige Schwachpunkte, Widersprüche oder strittige Aussagen hinweisen. Es steht jedem frei, sich für den privaten Gebrauch aus diesem Buch zu bedienen und für seine Kinder eine abgewandelte Form zu entwickeln.
Drei gezeichnete Figuren führen durch die Lektionen: Professor Pso, Penelope die oft im Heft auch Penni genannt wird und Santino, der auch als Tino auftritt. Warum der Professor so heißen muss, wie die Krankheit, mit der die Kinder „Abenteuer“ erleben sollen, ist das Geheimnis der Autorinnen. Und warum das Mädchen einen griechischen, der Junge einen lateinische Namen hat, bleibt ebenfalls unklar. Sehr verbreitet sind diese Vornamen bei uns jedenfalls nicht. Die Figuren sind lustig gezeichnet und machen Kindern sicherlich Spaß.
Immer wieder können die Kinder Begriffe oder Aussagen markieren, die bei einem Thema auf sie persönlich zutreffen. Manche wirken zu erwachsen. Denkt ein Kind wirklich beim Stichwort Schuppenflechte an „Ablösung“? Dann wiederum ist es zu unruhig (stressfördernd), wenn die Aussagemöglichkeiten in unterschiedlichen Schrifttypen und Lagen gedruckt sind, wie z.B. bei der gesunden Ernährung.
Professor Pso erklärt die PSORA als (reine) Hautkrankheit. Schon darüber kann man sich streiten. Sollte man Kindern nicht erklären, dass die Schuppenflechte zwar meist auf der Haut auftritt, sich aber auch anders äußern kann? Zum Beispiel in Finger- und Fußnägeln, den Hand- und Fußflächen und (bei Kindern selten) in den Gelenken. Was „chronisch“ ist, sollte an einem Beispiel verdeutlicht werden, z.B. dass jemand blonde Haare, abstehende Ohren oder einen herausstehenden Bauchnabel hat. Der Professor erklärt, dass die meisten zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr daran erkranken. Ein Alter, das sich Kinder noch gar nicht vorstellen können. Sie interessiert, wie viel Gleichaltrige davon betroffen sind. Auch der Hinweis, 3% der Europäer sind Psoriatiker, sprengt das kindliche oder jugendliche Vorstellungsvermögen. Handfester wäre: In Deutschland sind 2 Mio. Menschen daran erkrankt, davon 200.000 Kinder. Man könnte gemeinsam herausfinden, wie viel Menschen mit Psoriasis es in ihrer Stadt oder ihrem Ort geben müsste und wie viel davon Kinder sein könnten.
Prof. Pso erklärt die Funktionen der Haut, leider ohne kindgemäße Beispiele oder Erklärungen. Weshalb speichert die Haut z.B. Fette, Flüssigkeiten und Salze? Welchen Sinn hat der ph-Wert? Die Hautfunktionen führen nicht automatisch zur Schuppenflechte. Wichtiger wäre es gewesen genau zu erklären, dass und warum sich die Haut ständig erneuert. Die Kinder sollen in einen Querschnitt der Oberhaut einzeichnen, „wie“ sich die Haut erneuert. Die Erklärung dazu muss vorher mündlich gegeben werden. Im Heft erscheint sie nicht.
Unter der Überschrift „Was macht die Schuppenflechte mit deiner Haut?“ wird noch einmal erläutert, dass die Psoriasis vererbt wurde. Das passt nicht zum Thema. Es gehört dahin, wo es schon einmal erwähnt wurde, nämlich zu Prof. Pso Erklärung, was die Krankheit ist. Am meisten beeindruckt, dass ein Psoriatiker täglich bis zu 13 g Hautschuppen verlieren kann. Aber wie viel sind 13 Gramm? Das entspricht zum Beispiel dem Gewicht einer CD oder von 100 Briefmarken oder 8 Pokemon-Karten.
Penni und Tino sind beim Kuchen- und Eisessen. Da taucht die erste von insgesamt fünf „Wissenskarten“ auf, die in das Heft geklebt werden sollen. In einem Gedicht werden die Kinder etwas versteckt darauf hingewiesen, dass auch Zucker schlecht für die Haut ist. Aber warum schadet Süßes? Über gesunde Ernährung wird dann erst 20 Seiten später wieder geschrieben. Es wird nirgends genauer erklärt, weshalb z.B. Zucker die Schuppenflechte verschlechtern kann. Es gibt den Rat, nicht zu viel zu essen, weil man sonst „müde und träge“ wird. Was aber hat das mit der eigenen Krankheit zu tun? Es reicht doch nicht zu erklären, das „tut dem Körper gut“. Das ist ein Mangel, der immer wieder im Buch auftaucht: Es werden Dinge behauptet, ohne die Zusammenhänge auch nur anzudeuten. Gerade junge Menschen wollen es genau wissen: Warum ist das so?
Hübsch sind die Bilder, auf denen schubauslösende Situationen dargestellt werden. Ausführlich wird geschildert, dass Drogen, vor allem Nikotin und Alkohol zu Schüben führt. Ist das wissenschaftlich oder pädagogisch gemeint? Stimmt es wirklich, dass 25% aller Psoriasisfälle auf das Rauchen zurückzuführen sind? Da hätte man dann gern gewusst, wie das wirklich zusammenhängt. Der Hinweis auf Alkohol bleibt ebenfalls unerklärt. Befremdlich wirkt es, wenn darauf verwiesen wird, dass beim Alkoholtrinken der „Absturz folgt, wenn man es übertreibt“. Was hat das mit der Psoriasis zu tun? Auch andere Drogen sind gefährlich. So riskiert man viele Arten von Krebs, wenn man raucht. Die Hinweise sind natürlich wichtig, weil Kinder oft viel zu früh mit Drogen anfangen. Aber es bleibt unerklärt, wie die Stoffe auf die Haut wirken und Schübe hervorrufen.
Mehrmals tauchen kreuzwortähnliche Rätselkarten auf. Begriffe sollen senkrecht, waagerecht und kreuz und quer aus den vorgedruckten Buchstaben gesucht werden. Das ist nicht selbsterklärend, sondern muss mündlich erläutert werden.
In der praktischen Unterweisung gibt es eine Wippe, die mit Karten belegt wird: Stresssituation auf der einen, Stresskiller auf der anderen Seite. Die Kinder werden angeregt, Ideen zu entwickeln, wie sie Pausen erholsam ausfüllen können. Eine Fantasiereise wird mit Prof. Pso in die Dünen gemacht. Die Kinder sollen angeregt werden, weitere Ideen für solche Tagträume zu haben. Wir glauben nicht, dass das „Tiefseetauchen in der Südsee“ oder das „Angeln auf Hawaii“ die richtigen Tipps für kindliche Fantasiereisen sind. Man sollte sich immer eine Situation vorstellen, die man selbst schon erlebt hat bzw. die man sich ganz intensiv realistisch erträumt. Aber auch darüber kann man geteilter Meinung sein.
Dann zählt Prof. Pso den Kindern Redewendungen auf, bei denen es um die Haut geht: „Das juckt mich nicht“, „Ein dickes Fell haben“, „Nicht aus seiner Haut können“ usw. Diese Vergleiche haben etwas mit unseren Gefühlen zu tun. Aber weshalb erzählt der kluge Mann das den Kindern? Er entlässt sie mit den Worten: „Findet selbst heraus, ob etwas für Euch davon passt“. Ja und dann?
Beim Thema Hautpflege lädt eine Badewanne dazu ein, alles einzutragen, was für die Körperreinigung wichtig ist. Eine Badewanne? Auf der nächsten Seite steht, man dürfe nicht zu oft baden. Dann heißt es, „ideal sind Salzbäder“. Bei Kindern würden wir außerhalb eines Klinikaufenthalts lieber Ölbäder empfehlen. Gut ist der Hinweis, keine herkömmlichen Seifen zu benutzen. Die empfohlenen „hautneutralen Syndets“ (wird nicht als „synthetische Seifen“ übersetzt) sind ebenfalls umstritten. Sie bleiben länger an der Haut haften und entfetten sie stärker als herkömmliche Seifen. Es bleibt offen, womit nach dem Baden oder Duschen eingecremt werden soll. Es wird nicht gesagt, dass die Haut von Psoriatikern nie genug Pflege bekommen kann. Mindestens zweimal täglich und nicht weniger als 300-500g im Monat als wichtigste Maßnahme gegen das Austrocknen der für Pso anfälligen Haut.
Im Eincremzimmer der Sylter Klinik lernen die Kinder alles über abschuppende und abheilende Salben. Aber weshalb wird noch der alte Markenname „Cignolin“ für den Wirkstoff Dithranol genannt? Es gibt kein Fertigprodukt mehr mit diesem Namen. Er ist nur noch in Deutschland bekannt. Dann gibt es einen Hinweis, dass man Salben mit Leukichthol „an ihrem typischen Geruch“ erkennt. Aber beschrieben wird der Geruch nicht. Beim Hinweis, dass Daivonex® für Kinder zugelassen ist, fehlt die Altersangabe ab 6 Jahren. Für Kinder wird auch Dithranol empfohlen, wobei die Risiken nicht erwähnt werden. Viele Hautärzte lehnen es ab, Dithranol bei Kindern anzuwenden.
Beim Sonnenbaden wird nur darauf verwiesen, dass Sonnenbrände unbedingt zu vermeiden seien. Richtig, aber auch zu viel Bestrahlung ohne Sonnenbrand ist gerade bei Kindern und Jugendlichen langfristig gefährlich.
Dann präsentieren sich die drei Figuren plus der namenlosen Schildkröte des Professors. Es wird aufgezählt, was helfen kann, um mit der Schuppenflechte besser zu leben. Nicht jede dieser Schlagworte ist vorher intensiv bearbeitet worden. Kaum zur Sprache kam bisher „die Krankheit annehmen“, oder „positives Denken im Alltag“ oder „Unterstützung durch Familie und Freunde“. So bleiben diese Losungen ohne eingeübte Beispiele.
Zum Thema Berufswahl werden Berufe aufgezählt, die für Psoriatiker eher ungünstig sind. Muss man mit Schuppenflechte auf Berufe verzichten, bei denen es auf das Äußere ankommt? Vermutlich meist ja. Aber selbst Romy Schneider und Marlene Dietrich standen mit ihrer Pso vor der Kamera. Pauschal wird behauptet, dass die Deutsche Bahn AG („Bundesbahn“), die Polizei, die Bundeswehr und das (gesamte?) Gesundheitswesen keine Psoriatiker einstellt. Das ist schlichtweg falsch!
Für die Berufswahl wird auf wenige Beratungsmöglichkeiten hingewiesen. Wichtig zu wissen ist es, dass jedes Arbeitsamt einen „Sonderberater für Menschen mit Einschränkungen und Behinderungen“ hat. Das steht so genau nicht im Arbeitsbuch. Ärgerlich, dass bei den Selbsthilfeorganisationen nur einseitig der "Deutsche Psoriasis Bund" genannt wird. Liegt es wirklich daran, dass eine der Autorinnen, Dr. Sybille Schewe, die Beauftrage für Elternkontakte beim erwähnten DPB ist? Beraten lassen kann man sich auch beim Theodor-Schäfer-Bildungswerk, das junge Menschen mit Behinderungen ausbildet. Hier verlassen die Autoren ihre bisherige Erklärung der Psoriasis als reine Hautkrankheit: Sie weisen darauf hin, dass sie auch an den Gelenken auftreten kann, was die Berufswahl einschränkt.
In der Literaturliste wird beim Jugendroman „Bis auf die Haut“ nicht darauf verwiesen, dass dieses Buch nicht mehr im Handel ist.
Das Konzept ist richtig, viele Einzelheiten sollten verbessert werden, bei einigen Aussagen sind unterschiedliche Auffassungen möglich. Aber wer Texte für Kinder und Jugendliche verfasst, sollte sich an die neue deutsche Rechtschreibung halten, weil das so unterrichtet und verlangt wird. Es gibt Sprachschludereien, wenn z.B. ein Text mit „Funktion der Haut“ überschrieben wird, aber mehrere aufgezählt werden. Fachbegriffe sollten einheitlich nach Duden geschrieben werden (Salicyl oder Salizyl, Kortison oder Cortison). Die beiden Kinder werden mal als Penelope und Santino, dann wieder als Penni und Tino bezeichnet. Immer wieder verfallen die Autorinnen in steife Erwachsenenformulierungen, z.B. wird davon gesprochen, dass manche Berufe abhängen von „Form und Erscheinungsumfang“ der Psoriasis.
Bestellung bei:Verein für Rehaforschung Sylt in der FachklinikSteinmannstr. 52-5425980 WesterlandSchutzgebühr: € 10,00ISBN 3-00-001710-0
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