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    Rühr mich nicht an

    Dieses Buch sollte möglichst zur Pflichtlektüre aller Familien gehören, in denen es ein hautkrankes Kind gibt. Die Krankheit belastet nicht nur den kleinen oder jungen Patienten, sondern die gesamte Familie. Christiane Grefe zeigt Wege auf, damit der Familienalltag durch die Krankheit des Kindes nicht völlig beherrscht wird. Sie gibt praktische Tipps, wie man es aushält, mit einer chronischen Hautkrankheit zu leben.

    Eine Hautkrankheit hinterlässt Narben in der Seele. Sie beeinflusst die Persönlichkeitsentwicklung und sie prägt die Beziehung zu Eltern, Geschwistern und Umwelt. Man weiß, dass schon Säuglinge psychisch verkümmern, wenn sie keine positiven Hautkontakte erleben. Ein Kind will auf der Haut zärtlich gestreichelt werden. Die Krankheit muss aber behandelt werden. Das kann unangenehm oder sogar schmerzhaft sein. Das Kind schreit, weint und sendet die Botschaft aus „Rühr mich nicht an!“. Christiane Grefe will mit ihrem Ratgeber erreichen, dass Eltern verstehen, was alles auf das psychische Wohlbefinden ihres Kindes einwirkt. Sie möchte, dass die Familie möglichst gelassen mit der Situation umgeht. Die Hautkrankheit ei n e s Familienmitgliedes darf nicht zum Mittelpunkt des Lebens a l l e r Beteiligter werden. Wenn die ganze Familie darunter zu leiden hat, leidet auch das kranke Kind; seelisch und meist auch körperlich.

    Sie beschreibt, wie Familien sich jahrelang damit nicht abfinden wollen, dass die Hautkrankheit des Kindes chronisch ist. Jeder neue Schub ist ein Vorwurf an den Arzt oder die Therapie. Die Eltern schwanken zwischen resignierender Ratlosigkeit und erneuter Hoffnung. Meist sind ihre Erwartungen völlig überzogen. Bei chronischen Krankheiten gibt es kein Patentrezept. Sie zu behandeln setzt eine Engelsgeduld voraus. Spontanheilungen sind möglich, aber selten. Man muss schon geduldig sein, bis man einen Arzt gefunden hat, dem man vertraut. Wichtig ist, dass man sich als Laie gut informiert, um sich gegen falsche Versprechungen wappnen zu können.

    Behandlungskonzepte für das Kind sollten auch danach ausgesucht werden, wie stark die Familie damit belastet ist. Es nützt dem Kind wenig, wenn die anderen mit den Nerven fertig und nur noch frustriert und gestresst sind. Die Krankheit des Kindes darf nicht zum einzigen Thema in der Familie werden. Geschwister fühlen sich schnell zurückgesetzt. Partnerschaften werden auf eine harte Probe gestellt: man wirft sich z. B. vor, der andere kümmere sich entweder zu viel um das Kind oder lasse einen allein mit der Arbeit.

    Bei Kleinkindern ist es meist möglich, die Krankheit unbefangen zu erklären und Rückhalt zu bekommen: Im Kindergarten, bei den Spielkameraden und deren Eltern und in der Verwandtschaft. Je länger die Krankheit aber anhält, desto ungeduldiger werden alle. Das Kind will nicht ins brennende Salzwasser. Es drückt sich vor dem täglichen Eincremen. Arztbesuche erst nach längerem Überreden. Anziehsachen sind salbenverschmiert. Viele Stunden werden aufgewendet. Der Lebensrhythmus der Familie hat sich geändert. Alle werden mutlos, weil die Krankheit immer wieder kommt. Das Kind wird ruhiger, wirkt in sich gekehrt und verschlossen. Und es wird unselbständiger: Wer sich von anderen behandeln lassen muss, hat weniger Chancen selbst etwas auszuprobieren.

    Geht das Kind zur Schule, müssen alle noch früher aufstehen, um z.B. die Haare zu waschen und einzucremen. Nachmittags geht ein Teil der Freizeit ebenfalls für Arztbesuche und Behandlungen drauf. Der Alltag muss noch mehr um die Krankheit herum organisiert werden. Alle sind schnell gestresst. Verschlimmert sich die Haut, macht sich Verzweifelung breit.

    Zuerst sollte man sich verabschieden von falschen Zielen. Damit schaltet man einen Teil der Anspannung aus: Das Kind muss nicht so lange therapiert werden, bis die Haut makellos erscheinungsfrei ist.

    Für Christiane Grefe sind regelmäßige Entspannungsübungen das A und O der Konfliktlösung. Entspannen sollen sich Eltern u n d Kind. Das geht nur, wenn die Krankheit von allen als chronische akzeptiert wird. Niemand muss dann mehr gegen das Schicksal ankämpfen. Die Energie wird frei für positive Schritte. Niemand sollte sich scheuen, dafür professionelle Hilfe anzunehmen. Entspannungstechniken (autogenes Training, progressive Muskelentspannung) empfiehlt die Autorin ab 10 Jahren. Bei jüngeren müssen die Eltern selbst üben. Ihre Ruhe überträgt sich auch auf die Kinder.

    Eltern sollten sich nicht einreden lassen, dass sie schuld an der Krankheit ihres Kindes seien. Sie sollten sich nicht noch zusätzlich unter Druck setzen lassen durch Erklärungen, die davon ausgehen, das jede Krankheit ihre psychischen Ursachen hat. Es ist schwer genug, dem Kind dabei zu helfen, die alltäglichen Peinlichkeiten einigermaßen selbstbewusst zu überstehen.

    Die Autorin gibt dann praktische Tipps. So sollten sich die Eltern zurückhalten, dem Kind ständig das Kratzen zu verbieten. Beide können sich gemeinsam informieren, wie man auf den Juckreiz reagiert (LINK/Kleinkinder/Juckreiz). Dann lernt das Kind einige dieser Techniken. Kinder sollten so früh wie möglich einen Teil der Pflege selbst übernehmen. Schon Dreijährige können sich spielerisch eincremen. Das Kind kann sich merken, welche Dinge es nicht essen darf und muss damit selbstverantwortlich umgehen. Christiane Grefe spricht von einem „unaufgeregtem Umgang mit der Krankheit“. Eltern und Kind sollten zermürbende Diskussionen und entmündigende Überfürsorglichkeit abbauen.

    Immer wieder sollten sie dem Kind Mut machen: Du wirst es schaffen! Du bist nicht nur krank, sondern du kannst auch etwas. Fähigkeiten und Begabungen, Interessen und Hobbys sollten gemeinsam entwickelt werden. Mal-, Modellier- und Musiktherapien können dem Kind helfen, sich auszudrücken und selbstbewusster zu werden. Raus aus der Dauerisolation. Das lenkt ab und gibt Selbstvertrauen.

    Alle in der Familie müssen lernen, sich gegenüber dem kranken Kind durchzusetzen. Indem Eltern und Geschwister Grenzen setzen, lernt auch das kranke Kind seine eigenen kennen und akzeptieren. Ziel ist ein Familienklima, in dem das kranke Kind sich nicht als andauernde Last empfindet.

    Ärgerlich ist, dass es schwer ist, an dieses Buch heranzukommen. Der Verlag hat es nicht wieder aufgelegt, obgleich die Zahl der hautkranken Kinder im deutschsprachigen Raum ständig wächst. Man sollte versuchen, es sich in der Leihbücherei zu besorgen. Vielleicht gibt es das Buch auch noch im Antiquariat oder im Internet über eBay oder Amazon.

    Christiane GrefeBeck’sche ReiheVerlag C.H. Beck MünchenISBN 3 406 34034 2



    Bildquellen

    Buchcover: Verlag

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