Viele Menschen mit Psoriasis suchen Linderung am Toten Meer. Neue Zahlen sprechen für diese Therapie – und sagen, welche Patienten von der Behandlung besonders profitieren.
Eine Rehabilitation am Toten Meer hilft vielen Psoriatikern. Nach einigen Wochen an einem der salzigsten Seen der Erde ist die Schuppenflechte bei den meisten für Monate deutlich ruhiger - wenn sie nicht sogar erscheinungsfrei zurückkommen.
Die Fachwelt ging bisher davon aus, dass eine Psoriasis umso schwerer zu behandeln ist, desto früher sie im Leben eines Patienten aufgetreten ist. Allgemein galt, wer schon in jungen Jahren betroffen ist, habe oft schwere Psoriasis-Verläufe und sei resistenter gegen Therapien. Diese Annahme sollte an Patienten überprüft werden, die zwischen April und September 2003 bis 2007 in Ein Bokek am Toten Meer eine Klimatherapie gemacht haben. Alle wurden vom Deutschen Medizinischen Zentrum betreut. Die beteiligten Mediziner waren vom Ergebnis ihrer Untersuchung, wie sie schreiben, selbst überrascht: Sie konnten genau das Gegenteil ihrer Vermutung beobachten.
Für ihre Untersuchung werteten die Forscher die Daten von 605 Betroffenen mit Plaque-Psoriasis aus. Sie teilten sie in zwei Altersgruppen ein: diejenigen, die vor dem 40. Lebensjahr an Psoriasis erkrankt sind (Typ-1-Psoriasis) und diejenigen, bei denen die Psoriasis erstmals ab 40 Jahre auftrat (Typ-2-Psoriasis). Die meisten kamen aus Deutschland und blieben für vier Wochen am Toten Meer. Das Behandlungsprotokoll verzeichnete im Durchschnitt 28 Tage mit Baden und maximal 4 Stunden Sonnen pro Tag. Alle Salben und Cremes wurden abgesetzt - außer Pflege- und Sonnencremes.
Der Anteil derer, die schon eine innerliche Therapie der Psoriasis angewandt hatten, war in beiden Gruppen gleich. Auch Schweregrad (gemessen als PASI) und Anteil der befallenen Körperoberfläche (BSA) waren ähnlich.
Die Ergebnisse
- 94 Prozent aller untersuchten Patienten erreichten einen PASI 75. Das bedeutet, ihre Schuppenflechte hat sich im Vergleich zur Ausgangssituation um 75 Prozent gebessert.
- 73 Prozent aller untersuchten Patienten erreichten einen PASI 95. Das bedeutet, ihre Schuppenflechte hat sich um 95 Prozent gebessert.
Das allgemeine Fazit der Autoren lautet, dass eine Klimatherapie am Toten Meer eine „sehr hohe Erfolgsquote“ aufweise.
Die Erfolgsquote einer Klimatherapie verändert sich aber deutlich, wenn man die Patienten danach unterscheidet, in welchem Lebensalter die Psoriasis erstmals bei ihnen aufgetreten ist:
- Den PASI 95 erreichten 74,2 Prozent der Typ-1-Psoriatikern, aber nur 61,9 Prozent der Typ-2-Psoriatiker.
- Innerhalb der Gruppe der Typ-1-Psoriatiker wurde der PASI 95 von 78 % derjenigen erreicht, die unter 20 Jahre alt waren, als die Psoriasis auftrat und von 75 % derjenigen, die unter 30 Jahre alt waren.
- Innerhalb der Gruppe der Typ-2-Psoriatiker wurde der PASI 95 von nur 45 % derjenigen erreicht, die beim ersten Auftreten der Psoriasis über 50 Jahre alt waren.
Das Fazit der Forscher lautet, dass für jedes Jahr, das die Psoriasis später auftrete, die Chance einer erfolgreichen Behandlung um 2 Prozent sinke. In gängigen Studien ist es üblich, eine Verbesserung der Psoriasis um 75 % (PASI 75) schon als "erfolgreich" zu definieren. In dieser Untersuchung wurde zusätzlich der PASI 95 erhoben, wegen der "außergewöhnlich guten Ergebnissen", wie es in der Studie heißt.
Generell halten die Mediziner die Erfolgsquote einer Klimatherapie am Toten Meer für „sehr beeindruckend“, vor allem, wenn man sie mit medikamentösen Behandlungen vergleiche - zum Beispiel mit Biologika.
Die Psoriasis verbessere sich um 75 Prozent im Vergleich zur Ausgangssituation (PASI 75) bei
- 94 Prozent nach 4 Wochen am Toten Meer,
- 80 Prozent nach 10 Wochen bei Infliximab (Remicade),
- 71 bis 79 Prozent nach 16 Wochen bei Adalimumab (Humira) und
- 34 bis 49% nach 12 Wochen bei Etanercept (Enbrel).
Über die reinen Zahlen hinaus müsse man auch Faktoren wie Sicherheit einer Therapie, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen zwischen Medikamenten, Einschränkungen durch Begleiterkrankungen (HBV, HCV, Tuberkulose und Tumore) berücksichtigen. Im Gegensatz zur Behandlung am Toten Meer gäbe es bei den Biologika zahlreiche Risiken. Die Klimatherapie dagegen sei eine relativ sichere Behandlungsmethode. Bei der gäbe es nur ein „theoretisches Risiko von Hautkrebs“ - nämlich dann, wenn der Patient nicht regelmäßig zum Check beim Hautarzt gehe.
Die Klima-Therapie
- sei für alle Altersgruppen geeignet,
- habe fast keine Nebenwirkungen,
- mache häufig einen Krankenhausaufenthalt unnötig,
- führe nicht zur Wechselwirkungen mit anderen notwendigen Medikamenten und
- könne auch bei Begleiterkrankungen durchgeführt werden.
Allerdings, so die Forscher,
- müsse man dafür ans Tote Meer reisen,
- entstünden Kosten (wenn sie nicht von der Krankenkasse übernommen werden) und
- müsse man Zeit aufwenden, weit entfernt von zu Hause und dem Arbeitsplatz.
Sie empfehlen die Klimatherapie am Toten Meer als Alternative vor allem für junge Patienten mit schweren Krankheitsverläufen. Denen könne man dadurch eine Behandlung mit innerlichen Medikamenten ersparen. Die Autoren fühlen sich von einer zur gleichen Zeit erschienen Untersuchung bestätigt. Die sollte herausfinden, ob man vorhersagen kann, wie schwer die Krankheit langfristig verläuft, wenn die Psoriasis schon in der Kindheit ausgebrochen ist. In den bisherigen Veröffentlichungen wurden keine einheitlichen Aussagen darüber gefunden, ob der Verlauf der Erkrankung durch einen frühen Beginn beeinflusst werde.
Der Langzeiteffekt
Der Erfolg einer Psoriasis-Therapie bemisst sich immer auch daran, wie lange der Patient erscheinungsfrei ist. In einer anderen Studie 5 wurde für die Therapie am Toten Meer ein Durchschnitt von 33 Wochen (8 Monate) ermittelt. In der vorliegenden Studie vergingen im Durchschnitt 6 ½ Monate, bis die Psoriasis wieder auftrat.
Die Meinung anderer
In der Leitlinie zur Behandlung der Psoriasis 2 empfehlen die deutschen Dermatologen eine Klimatherapie "zum Beispiel am Toten Meer" für Patienten mit einer langjährig behandlungsbedürftigen Psoriasis. Für eine Akut- oder Kurzzeittherapie sei die Behandlung nicht zu empfehlen. Verwiesen wird dort auch auf die bei UV-Bestrahlung üblichen, unerwünschten Wirkungen und Aspekte der Langzeitsicherheit.
Unsere Meinung
Die vorliegende Studie könnte Patienten mit einer Alters-Psoriasis von einer körperlich anstrengenden Klimatherapie am Toten Meer abhalten. Andererseits erreichen immer noch 61,9 Prozent der Betroffenen dieser Gruppe eine Besserung ihrer Psoriasis um 95 Prozent.
Die Gruppe der beobachten Typ-1-Psoriatiker war mit 542 neunmal so groß wie die der Typ-2-Psoriatiker (nämlich 63). Bei mehr als einem Drittel aller Psoriatiker (35 Prozent) bricht die Krankheit aber erst aus, wenn sie über 40 Jahre alt sind. Je größer eine untersuchte Gruppe ist, desto genauer kann man Aussagen über sie treffen. Die Aussagen über die Typ-2-Psoriatiker könnten nicht gleichwertig stabil sein wie die über die Typ-1-Psoriatiker, weil beide Gruppen nicht einigermaßen gleich groß waren.
Unseres Erachtens gibt es keine ungefährliche UV-Bestrahlung. Professor Eckard Breitbart empfiehlt, sich jährlich nicht mehr als 50 „erwähnenswerten“ UV-Bestrahlungen auszusetzen. Darin sind Sonnenbäder, Bestrahlungsgeräte und Aufenthalte im Freien enthalten. Wer regelmäßig mit UV-Licht bestrahlt wird, muss damit rechnen, dass die Haut schneller altert, dünner, faltiger und empfindlicher wird. Dem kann man durch intensive Hautpflege etwas entgegen wirken. Wir raten, unbedingt regelmäßig zur Vorsorge-Untersuchung (Haut-Screening) zu gehen. Hautkrebs, früh genug erkannt, ist behandelbar.
Uns sind zwei Studien bekannt, in denen die Langzeitfolgen von Behandlungen am Toten Meer untersucht wurden. Die eine ist vom März 2005 und stammt von Ärzten des Rabin Medical Center nahe Tel Aviv. 3 Sie kommen zu dem Ergebnis, dass eine Klimatherapie am Toten Meer nicht vermehrt zu Hautkrebs führe, aber Sonnenschäden an der Haut nicht ausgeschlossen werden können. Die andere Studie ist vom April 2012 und wurde von Medizinern der israelischen Maccabi Healthcare Services durchgeführt. 4 Darin konnten keine Zusammenhänge zwischen einer Therapie am Toten Meer und Tumorbildung sowie Hautschäden festgestellt werden. Ob diese Studien einschränkende Punkte enthalten, ist an dieser Stelle nicht zu klären.
Viele innerlich zu nehmende Medikamente wirken langsam, dafür aber lang anhaltend. Den schnellen Erfolg am Toten Meer dagegenzustellen, ist etwas einfach. Was zählt, ist die langfristige Erscheinungsfreiheit. Diesen Vergleich gibt es noch nicht. Richtig ist, dass nach einer 4-wöchigen erfolgreichen Therapie am Toten Meer der Patient erst einmal Ruhe hat. Außer Hautpflege ist normalerweise keine weitere Therapie erforderlich. Medikamente wie Biologika werden üblicherweise nicht abgesetzt, sondern sollen auch bei Erscheinungsfreiheit weiter verabreicht werden. Bei allen Psoriasis-Medikamente können unangenehme oder gefährliche Nebenwirkungen auftreten.
Jeder muss selbst entscheiden, ob es ihm wert ist, einen Monat am Toten Meer zu verbringen, um danach durchschnittlich 6 ½ bis 8 Monate erscheinungsfrei zu bleiben.
Quellen:
- Marco Harari et al: "Patients with early-onset psoriasis achieve better results following Dead Sea climatotherapy" in: Journal of the European Academy of Dermatology and Venerology 26/2012
- "Therapie der Psoriasis vulgaris", Leitlinie der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft
- U. Katz et al: "Scientific Evidence of the Therapeutic Effects of Dead Sea Treatments: A Systematic Review." in: Seminars in Arthritis and Rheumatism, 13.04.2012
- Michael David et al: "Actinic damage among patients with psoriasis treated by climatotherapy at the Dead Sea" in: Journal of the American Academy of Dermatology, 03/2005
- Marco Harari et acl: "The percentage of patients achieving PASI 75 after 1 month and remission thime after climatotherapy at the Dead Sea" in: International Journal of Dermatology 10/2007
Empfohlene Kommentare
Dein Kommentar
Du kannst jetzt schreiben und dich später registrieren. Wenn du schon einen Account bei uns hast, logg dich ein, um deinen Beitrag mit deinem Account zu verfassen.
Hinweis: Dein Beitrag wird von einem Moderator freigeschaltet, bevor er erscheint.