Immer wieder wird gefragt, ob Homöopathie bei Schuppenflechte helfen könnte. Es gibt viele Ratschläge und Hinweise dazu im Internet. Aber uns ist nur eine einzige wissenschaftliche Studie aus 2008 bekannt, in der untersucht wurde, ob und wie erfolgreich eine homöopathische Behandlung sein kann. Die Patienten wurden zwei Jahre lang begleitet und immer wieder befragt. Die 45 teilnehmenden Ärzte mussten ein zertifiziertes Training in klassischer Homöopathie und mehr als drei Jahre Erfahrung in ihrer Arbeit haben. Das Ergebnis ist ernüchternd: Nur 24 Prozent der Psoriatiker gaben an, erfolgreich behandelt worden zu sein. Aber es war nicht eindeutig nachzuweisen, welchen Anteil die Globuli daran hatten.
Am Anfang stand eine ausführliche ärztliche Besprechung – durchschnittlich 127 Minuten, also mehr als zwei Stunden lang – gefolgt von eine Analyse des Falls. Der erste Fragebogen wurde dem Patienten von ihrem Studienarzt ausgehändigt. Die Patienten sandten ihn vor der Behandlung in einem versiegelten Umschlag direkt zum Studienzentrum. Von dort bekamen sie nach drei, zwölf und 24 Monaten Folge-Umfragebögen zugesandt.
Die Teilnehmer sollten ganz allgemein den Erfolg einer homöopathischen Behandlung bei verschiedenen Krankheiten bewerten. Von den insgesamt 3.981 Patienten hatten 82 eine Psoriasis. Die Forscher wollten ausdrücklich nicht untersuchen, welches homöopathische Mittel wie gut bei einer konkreten Krankheit wirkt.
Ergebnisse der Homöopathie-Studie
- Bei 34,4 Prozent der Patienten mit Schuppenflechte verbesserte sich die Krankheit um mindestens 10 Prozent.
- 24 Prozent fühlten sich als geheilt oder um 50 Prozent und mehr gebessert.
- Die Patienten bekamen 83 unterschiedliche Globuli in verschiedenen Potenzen.
- Das Durchschnittsalter betrug 41,6 Jahre.
- Parallel zur homöopathischen Behandlung durften die Patienten ihre bisherigen Medikamente weiterhin anwenden.
- Die deutlichste Besserung der Diagnosen und medizinischen Beschwerden wurde in den ersten drei Monaten beobachten. Die Schuppenflechte besserte sich dabei aber langsamer als die anderen Krankheiten.
- 28 Prozent der Patienten setzten die homöopathische Behandlung am Ende der Studie fort.
Schweregrad und Lebensqualität bewerteten die Patienten auf einer Skala von 1 bis 10 – am Anfang und am Ende der Studie. Objektive Psoriasis-Messgrößen wie PASI oder DLQI wurden nicht erhoben. Es wurde auch nicht dokumentiert, ob die homöopathische Behandlung bei schwer Betroffenen genauso erfolgreich war wie in leichteren Fällen. Eine Kontrollgruppe, die Schein-Globuli nahm, gab es nicht.
Fast alle Patienten hatten neben der Schuppenflechte andere Krankheiten, und auch die waren meist chronischer Natur. Die Krankheiten waren zuvor meist schulmedizinisch behandelt worden und bestanden zwischen 2,8 und 28,1 Jahren.
Neben der Psoriasis plagten die Teilnehmer vor allem
- Migräne (11 Prozent)
- Heuschnupfen (9,8%)
- Psoriasis arthritis (7,3 Prozent)
- Bluthochdruck (6,1 Prozent) und
- chronische Nasennebenhöhlen-Entzündung (6,1 Prozent).
Homöopathie nur therapiebegleitend erfolgreich?
Von einer "erfolgreichen" Behandlung spricht man überhaupt erst dann, wenn sich die Psoriasis um mindestens 50 Prozent verbessert hat (PASI 50). Das erreichten in der Studie nur 24 Prozent der beteiligten Psoriatiker. Dieser Wert liegt am untersten Ende der Erfolge, die Wissenschaftler für Placebos herausgefunden haben: Bei 20 bis 50 Prozent der Patienten wirken Placebos – selbst wenn vorher angekündigt wurde, dass es sich um ein Scheinmedikament handelt. Ganz davon abgesehen, dass heutige Psoriasis-Medikamente bei der großen Mehrheit der Patienten Verbesserungen von 75, 90 oder sogar 100 Prozent erreichen. Andersherum zeigt die Studie, dass die homöopathische Behandlung bei 76 Prozent der Patienten die Psoriasis überhaupt nicht oder nur gering verbessert hat.
Problematisch ist vor allem, dass die Patienten neben den homöopathischen Mitteln auch ihre bisherigen Medikamente weiter verwenden durften. Das heißt im Klartext, die homöopathischen Mittel sind in dieser Studie lediglich als therapiebegleitende Maßnahme eingesetzt worden. Wissenschaftlich wurde nicht sauber geklärt, welches der Präparate im Endeffekt die Verbesserung bewirkt hat.
Die Autoren weisen folgerichtig darauf hin, dass die Studie nicht beweist, dass es die Globuli waren, die auf die Schuppenflechte gewirkt haben. Sie zeige lediglich, dass bei einem Teil der Patienten die typische homöopathische Behandlung mit intensiver Befunderhebung, langen Gesprächen und Mut machendem Optimismus erfolgreich war – wenn auch nur subjektiv gemessen.
"Nicht mehr als Placebo"
Das bestätigte Professor Claudia Witt, die wesentlich an dieser Untersuchung beteiligt war. Sie sagte in einem Interview mit der 3sat-Sendung „nano“ am 27.10. 2010, „dass Homöopathie nicht mehr als ein Placebo ist“. Zwar gehe es den Patienten danach besser, aber es „gibt keine einzige Studie, in der überprüft wird, inwieweit die Erwartungshaltung der Patienten auf das Studienergebnis einwirkt.“
Diese Aussage ist deshalb so beachtlich, weil Professor Witt an der Berliner Charité eine Stiftungsprofessur zur Erforschung der „Komplementär“-Medizin hatte. Die wurde mit fünf Millionen Euro über fünf Jahre von der Karl und Veronica Carstens-Stiftung bezahlt, einer der einflussreichsten Lobby-Organisationen zur Förderung von Naturheilkunde und Homöopathie.
Erfahrungen einer Heilpraktikerin
In der "Allgemeinen Homöopathischen Zeitung" schildert Gabriele Willig aus Ilmenau, Doktor der Agrarwissenschaften (?), den Fall eines Patienten, der eine "klassische" Schuppenflechte mitbrachte – auf dem Kopf, an Ellenbogen, Knien und Unterschenkeln. Sie kam zu dem Schluss, dass der Mann sich zum größten Teil selbst einschränkte. Die Schuppenflechte "erfüllte die Funktion eines äußeren Panzers, der einen Austausch mit der Umwelt verhinderte". Er habe praktisch nur verstandesmäßig gelebt und sich von seiner Gefühlswelt abgekoppelt. Nach einer homöopathischen Behandlung könne er seine Gefühle erleben und ausdrücken. Die Beziehung mit der Familie habe "eine ganz andere Qualität" erhalten. In Stresssitautionen flamme die Psoriasis allerdings immer wieder auf.
Dr. sc.agr. Willig erhebt an keiner Stelle einen weitergehenden Anspruch als die Schilderung eines Einzelfalls.
Interessante Artikel zum Thema Homöopathie
Zahlen zu Heilpraktikern und Homöopathie
(Hamburger Abendblatt, 05.04.2014)
Das Hamburger Abendblatt beschäftigt sich mit Homöopathie. Interessant sind nicht die unkritisch hingenommenen Aussagen der Heilpraktiker, sondern dass es mal ein paar Zahlen gibt:
- Eine Heilpraktiker-Praxis macht im Schnitt 50.000 Euro Umsatz im Jahr - macht 4.167 Euro pro Monat. Umsatz, nicht Gewinn. Kosten, Steuern etc. gehen davon noch ab.
- Im Jahr 2012 wurden in Deutschland homöopathische Mittel im Wert von 500 Millionen Euro verkauft. (Im Vergleich: 32 Milliarden Euro Umsatz hat die Pharmaindustrie im Jahr 2011 in Deutschland gemacht. Quelle: "Pharma-Daten 2012", Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V., Seite 33
Kerosin im Kügelchen
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Viele Menschen halten die Homöopathie für ein besonders sanftes Heilverfahren, das angeblich die Heilkräfte der Natur nutzt. Aufgrund der sogenannten Potenzierung der Ausgangsstoffe sind Nebenwirkungen unwahrscheinlich. Doch wenn diese Verdünnung zu schwach ist, kann es gefährlich werden.
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"Aber es wirkt doch auch bei Tieren"
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Weitere Lese- und Gucktipps zum Thema
- Diskussionen in unserem Forum: Homöopathie bei Schuppenflechte – Erfahrungen
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- "Homöopathie" – was sie will und was sie kann. Übersicht der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V.
- Homöopathie - Heilung oder Humbug? – Doku im SWR, 29.01.2020
- Homöopathie-Gesetz: Deutschlands schlechtestes Gesetz – maiLab, 12.07.2019
- Buch "Homöopathie - die Fakten [unverdünnt]" (2018)
- das Buch "SCHMU - Schein-Medizinischer Unfug" (2019)
- das Buch "Heikel oder heilend: Homöopathie neu gedacht" (2015)
- Informationsnetzwerk Homöopathie - Wir klären Sie auf, Sie haben die Wahl
- Regasinum antallergicum – wenig bekannt, einige Erfolge
Quelle
- Claudia Witt u.a.: "Homeopathic treatment of patients with psoriasis--a prospective observational study with 2 years follow-up" im "Journal of the European Academy of Dermatology and Venereology", Mai 2009
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