Das Harz des Weihrauchbaumes (Boswellia) ist mehr als ein Spender von Wohlgeruch. Es wurde wegen seiner entzündungshemmenden Wirkung schon vor mehr als 4000 Jahren bei den Babyloniern als Arzneimittel verwendet. Die Ägypter nutzten es unter anderem, um ihre Toten einzubalsamieren, und auch in der antiken griechischen und römischen Medizin hatte Weihrauch seinen Stellenwert.
In der traditionellen Medizin des Vorderen Orients wurde Weihrauch gegen Magen-Darm- und Atemwegs-Erkrankungen, Infektionen, Leberentzündungen und Hautkrankheiten verwendet. Mit dem Siegeszug der wissenschaftlichen Medizin geriet das heilende Harz wie viele Heilpflanzen in Vergessenheit. Doch mit dem steigenden Bedürfnis nach sanften Heilmethoden kommt Weihrauch nun wieder zu Ehren.
Das Harz enthält als Wirkstoff Boswellinsäuren, die in klinischen Studien unter anderem an der Universität Tübingen auf ihre Wirksamkeit hin untersucht wurden. Dort wurde nachgewiesen, dass diese Säuren tatsächlich Entzündungen hemmen. So war es naheliegend, daraus ein Medikament gegen chronische Entzündungen wie zum Beispiel Rheuma herzustellen. Darüber hinaus wurde Weihrauch als Medikament gegen Bronchial-Asthma, Schuppenflechte, einige Arten von Gehirn-Tumoren und chronische Darmentzündungen (Morbus Crohn und Colitis ulcerosa) erprobt.
Das Weihrauch-Medikament H15 ist auf dem deutschen Markt jedoch nicht zugelassen, weil die Studienergebnisse noch keine schulmedizinisch unanfechtbaren Aussagen zur Wirksamkeit zulassen. Dennoch ist es möglich, sich H15 zu beschaffen – zum Beispiel über das Internet.
Bei der Frage nach der Wirksamkeit beginnt der Konflikt schon bei der Definition des Begriffs Rheuma. Darunter wird eine Vielzahl von Gelenk- und Weichteil-Erkrankungen zusammengefasst. Auch reagieren Patienten mit gleicher Diagnose ganz unterschiedlich. So müssen weitere differenzierte klinische Studien abgewartet werden, bevor ein endgültiges Urteil möglich ist.
Aus schulmedizinischer Sicht besteht zudem die Gefahr, dass schmerzgeplagte Rheuma-Patienten ihre bewährten entzündungshemmenden Medikamente absetzen und statt dessen zweifelhafte Präparate verwenden. Das ist auch die große Sorge der Deutschen Rheuma-Liga. Doch eigentlich entbehrt die Auseinandersetzung zwischen Schulmedizin und anderen Heilmethoden jeder Grundlage: Selbst der Hersteller weist darauf hin, dass die Einnahme von H15 nicht anstatt, sondern zusätzlich zu den wissenschaftlich erprobten Medikamenten erfolgen soll. Deshalb hat sich auch die Bezeichnung "Ergänzungs- oder Komplementärmedizin" eingebürgert.
In Indien ist Weihrauch auch heute wichtiger Bestandteil der Volksmedizin Ayurveda. Nicht, weil es dort keine Ärzte und Kliniken nach wissenschaftlichem Standard gäbe. Doch die große Mehrheit der indischen Bevölkerung ist nicht krankenversichert; Arztbesuche und Krankenhaus-Aufenthalte sind sehr teuer. Auch in Deutschland gibt es Kliniken, die mit Ayurveda arbeiten. Dort ist Weihrauch Bestandteil einer umfassenden Therapie.
Quelle: Berliner Morgenpost, 19. Juli 2000
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