In Deutschland spielt Schwefel (Sulfur) zur Therapie von Psoriasis und Psoriasis arthritis kaum noch eine Rolle. In der Fachklinik Bad Bentheim werden Hautpatienten vor der UV-Bestrahlung in schwefelhaltigem Wasser (mit oder ohne schwache Sole) gebadet, wenn sie offene Stellen haben. Reines Solewasser würde zu stark brennen. In anderen Ländern dagegen gehört Schwefel weiterhin zum Standard der Psoriasis-Therapie.
Die ICHTHYOL-GESELLSCHAFT, Hersteller von Shampoos und Cremes mit sulfoniertem Schieferöl, verweist darauf, dass diese Präparate mit dem "elementaren" Schwefel keine chemischen Gemeinsamkeiten haben.
Warum wird Schwefel zur Behandlung der Psoriasis und der Psoriasis Arthritis bei uns kaum noch angewendet?
Schwefel als Heilmittel war schon im antiken Griechenland bekannt. Die Römer verbreiteten die Kultur des heilenden Badens und Trinkens über ganz Europa. Aber erst mit Aufkommen eines wohlhabenden Bürgertums entstanden Anfang des 19. Jahrhunderts zahlreiche Kurorte, die zum größten Teil heute noch existieren. Ein Beispiel ist Marienbad mit seinen Schwefelquellen.
Langjährige Erfahrungen
Noch heute werden Erkrankungen des Bewegungsapparats und der Haut mit schwefelhaltigem Wasser und Schlamm behandelt - vor allem in Tschechien, Ungarn, der Slowakei, aber auch in Österreich. In Deutschland versteht sich die "Bad Nenndorfer Schwefelquelle [als] eine der stärksten in Europa" [1].
Die Erfahrung, dass Schwefel bei bestimmten Krankheiten hilft, ist also schon sehr alt. Trotzdem ist der Wirkstoff "durch die rasante Entwicklung neuer Medikamente zunehmend in Vergessenheit" geraten [2]. Oder ist der Wirkstoff überholt, weil es heutzutage bessere und schneller wirkende Mittel gibt?
Viele schwefelhaltige, "rezeptfreie Arznei- oder Hautpflegemittel [haben] ihre Zulassung verloren und [sind] vom Markt verschwunden". Vermutlich wegen "fehlender wissenschaftlicher Studien zu ihrer Wirksamkeit" [3]. 1993 kam ein "unabhängiges Gremium zu dem Urteil, dass der Schwefel als Mittel zur Hautbehandlung zwar nur geringe Nebenwirkungen besitzt, seine Wirkung aber nicht ausreichend belegt ist. [...] Dabei wurden allerdings strenge Forderungen an den Wirkungsnachweis gestellt und nicht alle Einsatzgebiete getestet" [4]. Das bezieht sich auf schwefelhaltige Salben, Cremes und Tinkturen. Hersteller von Naturheilmitteln können meist aufwendige Studien nicht finanzieren. Die Pharmaindustrie ist an Schwefel nicht interessiert.
Untersuchungen vor allem von behandelnden Kliniken
Vorliegende wissenschaftliche Untersuchungen sind fast alle in enger Zusammenarbeit mit den behandelnden Kliniken durchgeführt worden. So wurde untersucht, wie Schwefelwasserstoff auf die Hautzellen wirkt: Schwefel dringt schnell in die Haut ein und sorgt dafür, dass die hornbildenden Zellen (Keratinozyten) weniger schnell wachsen und das entzündungsfördernde Interleukin-8 verringert wird [5]. Wenn sich Schwefel mit Sauerstoff in der Haut verbindet, gehen Entzündungen zurück, weil Sauerstoff-Radikale abgefangen und Langerhans-Zellen blockiert werden [6]. Das wurde an zehn Psoriasis-Patienten bestätigt [7]. Schwefel fördert außerdem die Durchblutung, mindert den Juckreiz und macht Gelenke und Bewegungssystem weniger schmerzempfindlich [8]. Er mobilisiert körpereigene Selbstheilungskräfte wie "endogene Opiate" [9].
An 15 Psoriasis-Patienten wurde in Smrdáky dokumentiert, wie sich deren PASI durch die Schwefelbäder und anschließender UV-Bestrahlung verbessert hat. Mit dem PASI misst man, wie schwer eine Psoriasis ist. Bei drei Patienten verbesserte sich der PASI um 60 bis 79 Prozent. Bei sechs ging er sogar zwischen 80 und 89 Prozent zurück, und bei den restlichen, glücklichen sechs verbesserte er sich um 90 Prozent oder mehr. [10]
Die gleichen Ärzte befragten 50 Patienten, wie lange sie nach der Behandlung erscheinungsfrei waren: Bei den Frauen waren es durchschnittlich neun Monate, bei den Männern 6,5. Die Angaben schwankten zwischen drei und zwölf Monaten.
In Bad Nenndorf hat man 20 Patienten mit entzündlichen Gelenkkrankheiten befragt. Bei zehn von ihnen besserten sich nach Schwefelwasserstoff-Bädern die Gelenkschwellungen, bei 13 die Gelenkschmerzen, bei 16 die Morgensteifigkeit, und bei sieben gingen die Entzündungsprozesse zurück [11] .
Einige Geduld nötig
Untersuchungen an so wenig Patienten sind nicht repräsentativ. Trotzdem bestätigen sie, dass Schwefel wirksam sein kann. Im Rheumazentrum Wien-Oberlaa hat man die Erfahrung gemacht, dass Patienten unterschiedlich gut auf Schwefelbadekuren ansprechen. Diejenigen, bei denen sie helfen, müssen oft drei bis vier Wochen warten, bis sie die Therapie wirkt [12].
Wie aus einer anderen Zeit mutet dagegen die Behandlung der russischen Ärztin Dr. Nadjeschda Botalowa an: Psoriasis-Patienten werden vom Kopf bis zum Hals mit einer 33-prozentigen Schwefelsalbe eingeschmiert. Erst am vierten Tag wird diese Schicht wieder abgespült. Nach zwei Ruhetagen wird die Prozedur wiederholt - mindestens drei Wochen lang. Dr. Botalowa geht davon aus, dass a l l e Hautkrankheiten durch Krätze-Milben verursacht sind. Mit der Schwefelsalbe tötet man die Larven ab. Sie hat nach eigenen Angaben 117 Psoriasis-Patienten behandelt, die dann 3,8 Jahre erscheinungsfrei blieben [13].
Fazit
Generell sind Schwefelbäder eine natürliche und sanfte Behandlungsmöglichkeit mit fast keinen Nebenwirkungen. Bei Hautpatienten sind sie aber nur dann wirklich erfolgreich, wenn sie mit UV-Bestrahlungen kombiniert werden. Das macht sie für Kinder weniger geeignet. Bei Gelenkerkrankungen sind sie nicht geeignet, wenn man gerade einen akuten, entzündlichen Schub hat.
Wer vor den Nebenwirkungen von Medikamenten zurückschreckt und keine schwere Psoriasis hat, kann problemlos ausprobieren, wie gut ihm eine Schwefel-Badekur tut. Es ist aber nichts für eilige Patienten.
Einen Erfahrungsbericht über den Aufenthalt in Smrdaky (Slowakei) findet sich in einem Blog des Autors.
Quellen:
[1] "Bad Nenndorfer Schwefelquelle - eine der stärksten in Europa"
[2] "'Der Schwefel sediert ohne Schaden alle Dolores' - Sulfidschwefel hat in der Balneotherapie einen festen Stellenwert", Dr. Elke Böttcher, Wien, Rheuma Plus, Nr. 1, 2007
[3] "Schwefelbäder - gut für Haut und Gelenke?", Dr. Ina Schicker, PSO aktuell 3/2005, S. 14 ff.
[4] "Schwefel gegen Hautkrankheiten", Braun, Susanne, Naturheilkunde News, 21.06.08
[5] "Effect of Sulphure Compounds on Cytokine Receptors", Arenberger, P., Schwarz, I., Czech-Slovak Dermatology 70, 1995, No. 1, p 9-11
- Dr. Petr Arenberger arbeitet an der Klinik für Dermatologie und Venerologie in Prag,
- Dr. Ivo Schwarz war damals Chefarzt der Kurklinik von Smrdáky.
[6] "Schwefelbäder - gut für Haut und Gelenke?", Dr. Ina Schicker, PSO aktuell 3/2005, S. 15
[7] "Effect of Hydrogen Sulphide on Cytokine Receptors of Psoriatic Keratinocytes", Arenberger, P., Schwarz, I., Czech-Slovak Dermatology, 72, No. 6, p. 228-229.
[8] Balneotherapeutische Wirkungen des Schwefelwasserstoffes mit den Erkenntnissen des Naturheilbades Smrdáky, Dr. Jàn Liday, derzeitiger Chefarzt der Kurklinik von Smrdáky. (www.fitreisen.de)
[9] Prof. Dr. Helmuth G. Pratzel in PSO aktuell 3/2005, S. 15. Pratzel hat mehrere Bücher zum Schwefel veröffentlicht.
[10] Hodnotenie kúpel'nej liecby v Srmrdákoch u chorych so psori´szou pomocou PASI, Dr. Jàn Liday und Dr. Dagmar Moravanská, Smrdáky 2004, (Eigenveröffentlichung)
[11] "Schwefelbäder - gut für Haut und Gelenke?", Dr. Ina Schicker, PSO aktuell 3/2005, S. 16
[12] Dr. G. Partsch in PSO aktuell 3/2005, S. 17, Dr. E. Böttcher, in Rheuma Plus, Nr. 1, 2007
[13] "Unheilbare Krankheiten", Tamara Lebedewa, 2. Auflage, Hagen 2007, S. 312 ff.
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