Manuka-Honig soll eine Schuppenflechte lindern können. Wir haben uns angesehen, welche Belege es dafür gibt – und drehten uns schnell im Kreis.
In einem YouTube-Video berichtete Heilpraktiker und Buchautor Detlef Mix, eine Behandlung mit Manuka-Honig habe bei „schwerwiegenden Hautproblemen wie Neurodermitis oder Psoriasis sehr gute Erfolge erzielt“. Wer diese Aussage nachprüft, muss zu dem Ergebnis kommen, dass es keinen Grund gibt, Manuka-Honig als „natürliche Alternative“ zur Behandlung der Schuppenflechte auszuprobieren.
Medizinischer Honig
Honig wird schon seit Jahrhunderten in allen Kulturen als Heilmittel eingesetzt – innerlich wie äußerlich. Für die äußerliche Behandlung ist in Europa der „medizinische Honig“ MediHoney® als Medizinprodukt zugelassen. Das ist sterilisierter Honig, durch den z.B. Wunden schneller heilen und das Infektions-Risiko gesenkt werden soll. Auf keinen Fall darf man Speise-Honig auf Wunden auftragen. Der enthält meist Pestizide und Schadstoffe – selbst biologisch angebauter (Öko-Test 11/2014). Zwar können sich Keime im Honig nicht vermehren, Verunreinigungen können aber Infektionen noch verschlimmern.
Im Experten-Chat des MDR wies Elke Derichs vom Klinikum St. Georg Leipzig darauf hin, dass eine Behandlung mit medizinischen Honig immer dann sinnvoll sei, wenn man auf die klassischen Wundheilungs-Präparate allergisch reagiert. Die Wunde solle aber vorher begutachtet werden – entweder vom behandelnden Arzt oder in einem Wundzentrum bzw. in einer Wund-Sprechstunde. Nur die könnten beurteilen, womit genau eine Wunde behandelt werden müsse. Auch mit medizinischem Honig sollte man also grundsätzlich keine Selbstmedikation betreiben!
Manuka-Honig
Manuka-Honig kommt aus Neuseeland und wird von Bienen aus dem Nektar der Südsee-Myrte (einer Verwandten des australischen Teebaums) erzeugt. Schon die Ureinwohner, die Maori kannten seine Heilwirkung. Seit den 1980-er Jahren weiß man auch bei uns, dass Manuka-Honig antibakteriell wirkt. Professor Dr. Thomas Henle (Institut für Lebensmittelchemie TU Dresden) wies nach, welcher Inhaltsstoff das bewirkt: Manuka-Honig enthält Methyl-Glyoxal – 700 bis 1.000 Milligramm pro Kilogramm. In anderen Honig-Sorten ist dieser Stoff nicht enthalten.
Deshalb wird Manuka-Honig vor allem bei der Wundheilung eingesetzt, aber auch bei bakteriell verursachten Infektionen, so Prof. Dr. Karsten Münstedt (Uniklinikum Gießen). Der Onkologe Prof. Dr. Arne Simon (Universitäts-Kinderklinik Bonn) setzt Honig bei Operationswunden ein. Er gibt an, damit den Antibiotika-Einsatz extrem gesenkt zu haben. Der Internist Dr. Roland Zerm (Antroposophische Klinik Berlin Havelhöhe) behandelt seit 2004 Patienten mit diabetischem Fuß erfolgreich mit Manuka-Honig-Auflagen [1].
Honig bei Psoriasis
Dass Psoriasis mit Manuka-Honig erfolgreich behandelt werden kann, hat sich – trotz intensiver Recherche - in keiner einzigen publizierten wissenschaftlichen Arbeit finden lassen. Es gibt aber eine kleine Studie aus Dubai, die immer wieder zitiert wird: In 2003 hat Noori S. Al-Waili u.a. acht Psoriasis-Patienten mit unbehandeltem Honig, Bienenwachs und kalt gepresstem Olivenöl behandelt. Die Bienenzutaten stammen alle aus der näheren Umgebung, enthielten aber kein Methyl-Glyoxal. Die Patienten hatten eine leichte Psoriasis und wurden links mit der Honig-Mischung, rechts mit reinem Paraffin behandelt. Eine Vergleichsgruppe von zehn Psoriatikern bekam links Kortison, statt des Honig-Mix. Bei der Honig-Gruppe verbesserte sich die Psoriasis bei 5 von 8 deutlich. Aber in beiden Gruppen verbesserte sie sich bei einigen auch nur durch das wirkstofffreie Paraffin. Der Autor meinte am Ende seiner Veröffentlichung, die Honig-Mischung erscheine „nützlich“ bei der Behandlung der Psoriasis vulgaris (und übrigens auch der Neurodermitis).
Außerhalb medizinischer Publikationen kommt die Aussage, Manuk-Honig könne bei Psoriasis helfen von Heilpraktikern und Api-Therapeuten (Heilen mit Bienenprodukten), ohne dass es belegt wird. Wer im Internet recherchiert stößt auf immens viele kommerzielle Anbieter, die Manuka-Honig unter anderem auch bei Psoriasis anbieten.
Detlef Mix erklärte in dem oben genannten TV-Beitrag, Manuka-Honig ernähre das Gewebe und halte es durch seine osmotische Wirkung feucht. Auf Nachfrage, wie der Honig auf die Psoriasis wirken könne, erklärte er, Bienengift würde die Nebennieren zur Kortisonproduktion anregen. Manuka-Honig vereinige eine Vielzahl von Stoffen, die anti-mikrobiell, anti-entzündlich, osmotisch, selektiv pro-biotisch, heilungsfördernd u.s.w. wirken. Er wolle sich nach Fallbeispielen umtun, aber am deutlichsten helfe die eigene Erfahrung. Das Problem ist, dass Honig üblicherweise überhaupt kein Bienengift enthält.
Im Psoriasis-Netz berichtet in 2012 eine Patientin, sie habe einen Wickel mit Hanuka-Honig und Heilerde ausprobiert. Sie fand es wohltuend und wirksam. Die Stellen wären merklich blasser geworden, die Haut entspannter und der Juckreiz weniger. Diese Wirkung hätte sogar mehrere Tage angehalten. Wir wissen nicht, wie stark die Psoriasis (PASI) bei ihr war und in welchem Stadium sie sich gerade befand. Im Juli 2014 hat sie jedenfalls diese Therapie nicht mehr angewendet. Weitere Psoriasis-Patienten haben sich dazu nicht geäußert.
Einschränkungen
In der Deutschen Apotheker Zeitung 25/2011 berichtet ein Autorenteam, dass in allen größeren veröffentlichten Studien nicht nachgewiesen werden konnte, dass Honigprodukte auch chronische Wunden heilen. Sie sollten nur bei akuten Wunden wie zum Beispiel nach einer Operation oder einer Brandverletzung eingesetzt werden. Die Autoren stufen Manuka-Honig aufgrund seines Gehalts an dem bakteriziden Wirkstoff Methyl-Glyoxal als Arzneimittel ein, das seine Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in klinischen Studien unter Beweis stellen müsse, bevor es routinemäßig therapeutisch eingesetzt werden dürfe.
Die Deutsche Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung äußert sich zum medizinischen Honig in ihrer S3-Leitlinie. Darin heißt es: „Anhand der vorliegenden Studien zeigt sich für medizinischen Honig keine Überlegenheit gegenüber Hydrogel. Es zeigen sich aber Hinweise auf mehr Schmerzen; deshalb sollte medizinischer Honig zur Behandlung von chronischen Wunden nicht eingesetzt werden.“ Der Hinweis, dass mehr Schmerzen auftreten würden, bezieht sich konkret auf das Methyl-Glyoxal im Manuka-Honig.
Beim Manuka-Honig mehr Fälschungen als Original
Wer Manuka-Honig kaufen will, muss wissen, dass 80 bis 85 Prozent der Angebote auf dem Markt gefälscht sind. In diesen Honigen ist kein Methyl-Glyoxal. Darauf wies 2013 die britische Agentur für Lebensmittelstandards hin. Manuka sei der „Star im Honigregal von Reformhäusern und Ökomärkten“, so der Biologe und Journalist Volker Mrasek im Deutschlandfunk. Da die Käufer bereit seien, bis zu 50 Euro für ein Glas zu zahlen, locke das Betrüger an. Professor Dr. Thomas Henle (Institut für Lebensmittelchemie TU Dresden) meint, dass diejenigen echte Manuka-Honige seien, die auf einem Prädikatssiegel den Gehalt an Methyl-Glyoxal angeben, abgekürzt als MGO oder als UMF (Unique Manuka Factor).
Kommentar
Die generelle Behauptung, Manuka-Honig habe bei Psoriasis schon „sehr gute Erfolge“ erzielt, ist nach unseren ausführlichen Recherchen nicht haltbar. Schriftlich darauf angesprochen konnte Detlef Mix, der das behauptet hat, nicht auf eigene Erfahrungen oder Quellen hinweisen. Stattdessen versprach er, sich „nach Fallbeispielen umzutun.“
Für Wirkung von Manuka-Honig fehlen Belege
Aber Einzelfälle sind keine abgesicherten Beweise für eine so grundlegende Behauptung. Bei Erfahrungsberichten kann nicht objektiv nachgeprüft werden, was letztendlich zur Erscheinungsfreiheit geführt hat. Ähnliches trifft auf die sehr kleine Untersuchung aus Dubai zu. Es sind lediglich acht Psoriatiker mit einer Honig-/Wachs-/Öl-Mischung behandelt worden. Es hätte auch andere Gründe geben können, weshalb sich bei den Patienten nach drei Wochen die Psoriasis gebessert hat. Einzelne Erfolge mit Paraffin ohne Wirksubstanz bekräftigen das. Das heißt nicht, dass Honig bei Psoriasis wirkungslos sein muss. Ein Beweis dafür, dass es Manuka-Honig sein muss, ist diese Untersuchung jedenfalls nicht. Der dabei verwendete Honig kam aus der arabischen Region und enthielt kein Bakterien tötendes Methyl-Glyoxal. Außerdem ist Psoriasis – im Gegensatz zur Neurodermitis – nicht bakteriell bedingt.
Im TV-Beitrag erklärte Dr. Zerm, dass Manuka-Honig so wirksam bei der Wundheilung sei, weil er die Epidermilisierung fördere, d.h. sich neue Haut schneller bildet. Bei der Psoriasis bildet sich die Haut 9 x schneller, als es von der Natur vorgesehen ist. Kann ein Wirkstoff gut bei Psoriasis sein, wenn er diese krankhafte Hauterneuerung weiter anheizt? Da sind wir unsicher.
In vielen Artikeln über Manuka-Honig wird stets nur auf die jahrelangen Erfahrungen des Dr. Zerm (Berlin) und des Prof. Dr. Simon (Bonn) hingewiesen. Überzeugender wäre es, wenn weitere, naturheilkundlich orientierte Kliniken diese Erfolge bestätigen könnten.
Gute Pillen - Schlechte Pillen: Raten von Behandlungsversuchen ab
Das kritische Magazin zweifelt im Heft 1/2013 daran, die "die Ergebnisse nur einer Forschungsgruppe" zur Wundbehandlung verlässlich sind. Die günstigen Effekte von Honig bei Psoriasis und Neurodermitis in der Studie aus Dubai beruhten "wesentlich auf Placebowirkungen. Denn gerade bei diesen Hauterkrankungen wirke sich ein Wechsel der Therapie relativ häufig - aber meist zeitlich begrenzt - günstig aus". Ausdrücklich rät GPSP davon ab, zu versuchen, ernsthafte Erkrankungen mit Honig zu behandeln.
Gesundheits-Lounge - keine objektive Darstellung
Leider bestätigt dieser TV-Beitrag erneut unsere langjährigen schlechten Erfahrungen mit Gesundheitsberichten in privaten Sendern. Der TV-Bericht wurde innerhalb der Serie „Die Gesundheits-Lounge“ bei TV-Berlin gesendet. Diese Sendung gibt es inzwischen (2017) nicht mehr. Sie wurde produziert von einer Firma, die die Ideen von „Komplementärmedizin und ganzheitlicher Lebensweise“ verbreiten will. Dieser „Expertentalk“ war ein bunter Mix aus Naturheilkunde, Homöopathie, Anthroposophie und Esoterik. Einige der schon gesendeten Themen sind wissenschaftlich widerlegt (lebendiges Wasser) oder als lebensgefährlich eingestuft (Vitalpilze als Krebstherapie).
Kritische oder abwägende Positionen waren im Konzept der „Gesundheits-Lounge“ nicht vorgesehen. Über mögliche Risiken oder Nebenwirkungen erfuhr man ebenfalls nichts. Korrekterweise hätten die beiden Experten auf mögliche Schmerzen, allergische Reaktionen und Blutzucker-Anstieg durch Manuka-Honig hinweisen müssen, eventuell auch auf Wechselwirkungen zu Chemo-Therapeutika. Statt allgemein von „direkten wundheilungs-fördernden Wirkungen“ zu sprechen, hätten sie darauf aufmerksam machen müssen, dass das bei chronischen Wunden von Schulmedizinern völlig anders gesehen wird. Zu den "chronischen Wunden" müsste man ebenfalls die Psoriasis zählen.
Die Aussage in dem TV-Beitrag zur positiven Wirkung des Manuka-Honigs auf die Rhinosinusitis (gleichzeitige Entzündung von Nasen-Schleimhaut und –Nebenhöhlen) ist erst theoretische Erkenntnis. Dass Manuka-Honig gegen schädliche Magen-Bakterien helfe, so Prof. Henle, sei wissenschaftlich noch nicht hinreichend belegt. Ein osmotischer Effekt des Honigs, wie Heilpraktiker Mix in seiner schriftlichen Antwort behauptet, „wird nach den heutigen Kenntnissen in Frage gestellt“. Vielleicht hätte auch erwähnt werden können, dass es einen ähnlich gut gegen Bakterien wirkenden Honig gibt, den Sidr-Honig aus dem Jemen.
In dem TV-Gespräch hätten die Experten die Zuschauer unbedingt vor den weit verbreiteten Fälschungen warnen müssen. Selbst Prädikatssiegel mit MGO- oder UMF- Angaben kann man nachmachen. Echten Manuka-Honig zu bekommen ist vermutlich nicht so leicht. Dazu hätte man als Zuschauer gerne genaue Hinweise von den Experten bekommen.
Man sollte wissen, dass Bernhard Mix nur einige Monate vor der Sendung ein Buch zu diesem Thema auf den Markt gebracht hat: „Manuka-Honig: Ein Naturprodukt mit außergewöhnlicher Heilkraft“. Honi soit qui mal y pense.
[1] „Manuka-Honig zur Wundbehandlung“, Deutsche Apotheker Zeitung, 04.08.2011
Empfohlene Kommentare
Erstelle ein Benutzerkonto oder melde dich an, um zu kommentieren
Du musst ein Benutzerkonto haben, um einen Kommentar verfassen zu können
Benutzerkonto erstellen
Neues Benutzerkonto für unsere Community erstellen. Es ist einfach!
Neues Benutzerkonto erstellenAnmelden
Du hast bereits ein Benutzerkonto? Melde dich hier an.
Jetzt anmelden