In den 90-er Jahren wurde in vielen Hautarztpraxen und Kliniken die ambulante UV-Bestrahlung mit Salzbädern kombiniert. Die Kosten dieser "Balneophototherapie" übernahmen die gesetzlichen Krankenkassen bis Ende 1999. Dann endete die mehrjährige Erprobungsphase. Seitdem konnte man diese Therapie nur noch im Rahmen eines stationären Klinikaufenthalts machen. Das "Institut für Qualitätsentwicklung und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen" (IQWiG) hat die vorliegenden Studien zur Balneophototherapie begutachtet. Im Juni 2006 legte das staatliche Institut einen Bericht darüber dem "Gemeinsamen Bundesausschuss der Ärzte, Krankenkassen und Krankenhäuser" (G-BA) vor. Sein Fazit: Für einige Formen der Balneo-Fototherapie gibt es "Hinweise", das sie besser wirken, aber keine gesicherten "Nachweise". Der G-BA muss entscheiden, ob die ambulante Balneophototherapie zukünftig wieder von den gesetzlichen Kassen übernommen werden darf. Es fällt schwer, daran zu glauben, dass der Bericht die Experten vom höheren Nutzen überzeugen wird. Private Krankenkassen bezahlen die Balneo-Fototherapie schon immer.
An der Balneophototherapie hängen viele: Zum Beispiel Patienten, für die das Bad mit Bestrahlung deutlich erfolgreicher scheint, wie eine "trockene Bestrahlung". Hautärzte, die nicht nur fachlich davon überzeugt waren, dass die Balneophototherapie wirksamer sei. Viele hatten sich teure Wannen-Anlagen angeschafft, bekamen aber seit 2000 die Leistung nicht mehr vergütet. Auch die Industrie hatte auf Umsätze und Gewinne gehofft. Dermatologenverbände und Patientenorganisationen forderten einhellig, diese Therapie wieder zu erstatten. Der Gemeinsame Bundesausschuss lehnte das ab, weil es nicht nachgewiesen sei, dass die Balneophototherapie gegenüber anderen Behandlungen einen höheren Nutzen bringen würde. Die Kassen dürften nur dann neue Verfahren bezahlen, wenn sie besser seien als die bisher verwendeten. Der "Bundesverband der Deutschen Dermatologen (BVDD)" gab daraufhin eine weitere Studie in Auftrag.
Alle Studien und Berichte zur Balneophototherapie hat das IQWG in seinem Bericht bewertet. Das Institut behauptet, die Untersuchungen würden teilweise ganz erhebliche Mängel aufweisen. Es gäbe keine einzige so genannte "Doppel-Blindstudie" (= weder Arzt noch Patient weiß, wer das Plazebo bekommt). Experten bezweifeln, dass man bei einer Bestrahlungsstudie überhaupt "doppel-blind" prüfen kann. Wirkungsloses UV-Licht oder salzloses Wasser als Plazebo? Schon der Studie der 90-er Jahre ("Kieler Modell") wurde vorgeworfen, dass Kliniken und Hautärzte nicht wissenschaftlich sauber genug vorgegangen sind. Dagegen argumentiert Professor Hans Meffert, UV-Licht-Experte aus Berlin, die Ansprüche seien viel zu hoch geschraubt, unerfüllbar und überhaupt nicht zu finanzieren.
Das IQWG fasst drei verschiedene Methoden unter den Begriff "Balneophototherapie".
- Bade-PUVA - der Patient duscht mit einem Wasser, in dem der Wirkstoff Psoralen enthalten ist. Früher hat man diesen Wirkstoff geschluckt. Psoralen macht die Haut lichtempfindlich. Danach wird man mit UVA-Licht bestrahlt.
- Asynchrone Foto-Sole-Therapie - der Patient badet in einer bis zu 25prozentigen Salzlösung und wird hinterher mit UVB bestrahlt.
- Synchrone Foto-Sole-Therapie (TOMESA) - der Patient badet in einer Salzlösung mit viel Magnesium- und Kalzium-Ionen und wird zugleich mit UV-Licht bestrahlt.
- Bade-PUVA und Sole plus UVB-Behandlung scheinen allgemein besser zu sein als eine rein "trockene" UVB-Bestrahlung bzw. Leitungswasser + UVB.
- Bade-PUVA wirkt aber dann schlechter als die trockene Bestrahlung, wenn mit dem "Schmalband UVB" (311 nm) gearbeitet wird.
- Die meisten Studien behaupten, UVB (311 nm) plus Sole wirke deutlich besser, als reines Bade-PUVA. Lediglich eine Studie (BVDD) hatte festgestellt, dass Bade-PUVA besser sei, als UV plus Sole. Aber gerade in dieser neuesten Studie ist ein grober Fehler gemacht worden: Man hatte nicht berücksichtigt, dass es unterschiedliche UVB-Bestrahlungsspektren (Breitband-UVB, Schmalband -UVB, SUP) gibt. Auch bei TOMESA gibt es UVA und UVB - Bestrahlungen, ohne dass das in den Untersuchungen unterschieden wird. Der Patient, der sich für eine Bestrahlungs-Art entscheiden soll, weiß dadurch nicht wirklich, welches UV-Spektrum wirkt.
- Es ist nicht untersucht worden, wie ein reines Solebad ohne Bestrahlung den Hautzustand beeinflusst.
- Keine Studie hat die langfristigen Folgen von UV-Bestrahlung berücksichtigt (Hautkrebs-Risiko, Hautalterung). Bade-PUVA steht schon lange im Verdacht, krebsfördernd zu sein. Dänische Untersuchungen haben festgestellt, dass z.B. regelmäßige Kuren am Toten Meer das Hautkrebs-Risiko um das Siebenfache erhöhen.
- Für UV plus Sole ist es völlig offen, ob Nebenwirkungen durch die Zusätze im Wasser erhöht werden.
- Es wurde auch nicht ermittelt, ob durch die Balneophototherapie der Therapieaufwand vermindert wird, d.h. Patient, Praxis bzw. Klinik weniger Arbeit und die Krankenkasse geringere Kosten gegenüber anderen Therapieformen haben.
Der Bericht des IQWiG wird als "Vorbericht" bezeichnet. Der Gemeinsame Bundesausschuss soll und muss sich ein eigenes Urteil bilden. Es gab Fälle, in den der Ausschuss von der Bewertung des IQWiG abgewichen ist. Ob er sich in diesem Fall gegen das Fazit des Instituts wehrt, ist kaum vorstellbar.
Die Patienten können nicht wirklich beurteilen, wer in dieser Auseinandersetzung recht hat. Zu viele Lobbyisten und zu viele Glaubenskämpfer sind an der Diskussion beteiligt. Es bleibt völlig offen, in welchem Behandlungsstadium und bei welchem Krankheitszustand die Bestrahlung mit oder ohne Bad sinnvoll ist. Sollte man vorher mit Cremes, Salben oder Lotionen vergeblich behandelt haben? Sollten äußerliche Wirkstoffe stets parallel verwendet werden? Muss erst eine bestimmte Fläche der Haut mit Psoriasis erkrankt sein (PASI)?
Inhaltlicher Stand: Juli 2006
Quellen:
- IQWiG: Nutzenbewertung der Balneophototherapie. Vorbericht N04/04. Köln: Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswegen (IQWiG). Juni 2006
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