Es klang zu schön: Mit Yiganerjing sollten laut Hersteller und Verkäufer viele Hautkrankheiten behandelt werden können. Viele völlig verschiedene, die angeblich endgültig geheilt werden sollten. In ihren Bewertungen schrieben begeisterte Käufer bei Amazon und Co und in unserem Marktüberblick, wie sehr ihnen die Creme geholfen hatte. Nun ist klar: Die Creme Yiganerjing wirkte bei so vielen so gut, weil ein Kortison und zwei Anti-Pilz-Wirkstoffe enthalten waren.
Die britische Arzneimittelbehörde MHRA fand in Yiganerjing Clobetasol propionat – einen Kortison-Vertreter der Klasse IV, das heißt: ein sehr stark wirksames Kortison. Medikamente damit sind in Deutschland rezeptpflichtig. Die bekanntesten heißen Clarelux, Clobegalen, Dermoxin oder Karison.
Die Rezeptpflicht besteht aus gutem Grund: Wer ein starkes Kortison äußerlich anwendet, riskiert typische Kortisonschäden, wenn das nicht genau mit dem Arzt abgestimmt wird. Der Wirkstoff darf nicht zu lange benutzt werden, nicht an allen Körperregionen (Körperöffnungen) und nicht von allen Patientengruppen gleichermaßen. Für Kinder, Schwangere oder Stillende zum Beispiel gelten besondere Vorsichtsmaßnahmen. Nicht alle bekannten Nebenwirkungen entwickeln sich wieder zurück, wenn das Kortison abgesetzt wird. Professor Manfred Schubert-Zsilavecz verweist in "ÖKO Test" 11/2015 darauf, dass „bedenkliche Hilfsstoffe“ in Kortisonprodukten weitere Nebenwirkungen verursachen können.
Die britische Behörde empfiehlt, Yiganerjing sofort abzusetzen. Wer die Creme allerdings länger als sechs Wochen hintereinander angewendet hat, sollte mit einem Hautarzt sprechen, ob ein Ausschleichen angeraten ist.
Im Juni 2018 gab es dann auch eine offizielle Warnung von der Europäischen Kommission. Einige Tage später schrieb Amazon an alle, die die Creme zuvor dort gekauft hatten, eine Warnung per E-Mail:
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Was jeder selbst überlegen könnte
Wieder wurde mit der Verzweiflung von Kranken gespielt. Wieder war der Vertriebsweg mehr als undurchsichtig. Wieder wurden nur die Inhaltsstoffe angegeben, die bei Kunden gut ankommen – inklusive dem Versprechen "alles pflanzlich, alles natürlich".
Man muss dann aber auch sagen: Zu gern wird allen Versprechen geglaubt, ohne sich einmal zurückzulehnen und zu fragen, wie eine einzige Creme alle Hautkrankheiten lindern können soll, wo die Erkrankungen doch sehr unterschiedliche Ursachen haben. Wie soll eine Creme, die um die halbe Erde geschickt wird, für 5 bis 15 Euro angeboten werden können? Und wieso soll niemand in Europa die gleichen pflanzlichen Inhaltsstoffe zusammenrühren und legal anbieten können?
Es ist zu schwer, dubiose Angebote zu melden
Die Gesetze machen es Verbrauchern in Deutschland nicht leicht, Behörden auf unseriöse Angebote aufmerksam zu machen. Wer ein dubioses Produkt melden will, muss herausfinden, in welchem Landkreis der Anbieter wohnt, denn er muss das dortige Gesundheitsamt benachrichtigen. Eine Mail, wenn man denn eine entsprechende Adresse findet, versackt meist – zumindest haben wir das mehrmals erfolglos versucht. Es bräuchte eine zentrale Melde-Stelle. Allen Angeboten, die aus dem nahen und fernen Ausland kommen, ist auf diesem Wege gleich gar nicht beizukommen.
Deutlich teurer ist der Weg, selbst eine Creme nach Kortison untersuchen zu lassen. Wir haben das mehrmals mit uns verdächtig erscheinenden Angeboten machen lassen. Beim Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker kostete das anfangs 50 DM. Im Laufe der Jahre steigerte sich der Betrag auf jetzt 250 Euro. All zu oft können wir uns als gemeinnützig tätiges Selbsthilfe-Portal teure Analysen nicht leisten.
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