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  • Claudia Liebram
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    Claudia Liebram

    Was Psoriasis für die ganze Familie bedeutet

    Im Jahr 2024 stand der Weltpsoriasistag unter dem Motto "Familie". Damit sollte darauf aufmerksam gemacht werden, welchen Einfluss die Erkrankung nicht nur auf den Betroffenen, sondern auf sein ganzes Umfeld hat.

    Ist ein Angehöriger an Schuppenflechte erkrankt, betrifft das nicht nur ihn selbst. Familienmitglieder müssen abfangen, was der Erkrankte nicht (mehr) schafft, das Sexualleben kann spätestens bei Genitalpsoriasis herausfordernd werden, die Schuppen rund um die Couch stören nicht nur den Psoriatiker...

    Um all das zu erfassen, was mit der Psoriasis-Erkrankung einhergeht, verfolgen Wissenschaftler das Konzept des "Greater Patient". Im Deutschen könnten man das Konzept als "erweiterter Patientenkreis" oder "erweitertes Patientenumfeld" beschreiben.

    Im Vorfeld des Weltpsoriasistages 2024 hat die IFPA einen Report zum Thema Familie & Psoriasis herausgegeben. Wir stellen hier Auszüge vor.

    👉 Psoriasis-Wissen kompakt: Vorträge, Seminare und mehr rund um den Weltpsoriasistag 2024.

    Hintergrund

    "Häufig wird übersehen, dass Familienmitglieder und Partner nicht nur eine wichtige Rolle für die Lebensqualität von Menschen mit Psoriasis spielen, sondern auch eine geringere Lebensqualität und ein geringeres psychisches Wohlbefinden erfahren", heißt es im Report. Demnach geben 90 Prozent der Familienmitglieder an, dass ihre Lebensqualität durch die Krankheit ihres Angehörigen beeinträchtigt wird.

    Mit dem Bericht will die IFPA auf die Belastung der Psoriasis-Erkrankung für Patienten aufmerksam machen und Vorschläge machen, wie das Wohlbefinden verbessert werden kann.

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    Herausforderungen, die die Psoriasis mit sich bringt. | Grafik: IFPA, Übersetzung: Psoriasis-Netz

    Die Familie

    Zu den Familienmitgliedern im Umfeld des Erkrankten gehören in der Regel Eltern, Geschwister, Partner und Kinder. In einigen Kulturen gehören auch Familienmitglieder wie Großeltern, Enkel, Onkel, Tanten und andere zum Haushalt. Dort sollten auch sie zum erweiterten Patientenumfeld zählen.

    Die IFPA konzentriert sich in ihrem Bericht auf die praktischen und emotionalen Herausforderungen von Eltern, Geschwistern und Kindern.

    Wir denken oft, dass die Last der Krankheit fast ausschließlich auf der Person liegt, die mit der Krankheit lebt, aber auch die Familie ist in hohem Maße betroffen. Die meisten praktischen Herausforderungen werden von den Familienmitgliedern gemeinsam bewältigt und verändern unweigerlich die familiären Gewohnheiten. Dazu gehören die Zunahme der Hausarbeit wie Wäschewaschen, Putzen und Staubsaugen sowie die Notwendigkeit, sich vor dem Verlassen des Hauses besonders zu pflegen – zum Beispiel, um Schuppen von der Kleidung zu entfernen.

    Weitere Frust-Punkte sind:

    • Wenn Besuch kommt, muss besonders gründlich geputzt werden.
    • Freizeitgestaltung und Urlaubsplanung richten sich oft nach der Psoriasis des Angehörigen. Die Familie geht weniger oder gar nicht mehr ins Fitnessstudio oder ins Schwimmbad – nicht nur, weil sich die Hauterscheinungen dadurch verschlimmern können, sondern auch, weil sie sich von den anderen Besuchern nicht willkommen fühlen.
    • Die Urlaubsplanung ist davon betroffen, angefangen bei der Auswahl eines Reiseziels, das für die Familie und das Mitglied mit Psoriasis geeignet ist, und wo bei Bedarf Arztbesuche, Behandlungen oder Schübe berücksichtigt werden müssen.

    Der Partner

    Es gibt nicht viele Studien, die sich. mit den Auswirkungen der Psoriasis-Erkrankung auf den Partner beschäftigt haben. Für die IFPA ist das ein Grund, warum die Partner von Menschen mit Psoriasis oft zu wenige Informationen über die Erkrankung haben.

    "Tatsächlich herrschen bei den Partnern häufig falsche Vorstellungen darüber, was die möglichen Ursachen für das Auftreten der Psoriasis sind", so die IFPA im Report. Die Partner würden dadurch die Auswirkungen von Rauchen, Alkohol, eigenem Verhalten, Keimen und Viren auf die Psoriasis herunterspielen.

    Erfahrungen von Menschen mit Schuppenflechte oder Psoriasis arthritis: Schau Dich in unserem Forum um.

    Umgekehrt glauben die Partner, dass Stress, Überarbeitung und schlechte medizinische Versorgung einen größeren Einfluss auf die Psoriasis haben.

    "Einige Partner scheinen die Schmerzen und die Emotionen, den die Psoriasis für ihre Partner bedeutet, nicht vollständig zu verstehen", so die IFPA. Alles in allem sei es deshalb wichtig, den Partnern der Erkrankten mehr Informationen über die Krankheit und die Belastung durch die Psoriasis-Erkrankung für das körperliche Wohlbefinden und die psychische Gesundheit zu vermitteln.

    Intimleben

    Etwa 50 Prozent der Menschen mit Psoriasis leiden irgendwann in ihrem Leben an Genitalpsoriasis. Dass die sich stark auf die Lebensqualität und das Sexualleben auswirken kann, verwundert wenig.

    Menschen mit Psoriasis-Stellen im Genitalbereich berichten über Angst vor sexuellen Beziehungen. Das kann dazu führen, dass der Geschlechtsverkehr seltener wird, sexuelle Dysfunktionen zunehmen und Beziehungen zerbrechen.

    Hinzu kommt die Angst der Partner, neue Psoriasis-Stellen zu berühren oder zu verursachen, oder der Juckreiz und das Bluten der Stellen.

    Haben Frauen eine schwere Psoriasis, ist die Lebensqualität ihrer Partner übrigens stärker beeinträchtigt, als bei den Frauen von Männern mit schwerer Psoriasis.

    Familienplanung

    Der Report der IFPA beschäftigt sich auch mit Herausforderungen und Überlegungen, wenn es um die Familienplanung geht. Die Psoriasis selbst sowie Begleiterkrankungen und Medikamente beeinflussen die Familienplanung. Genetische Faktoren erhöhen das Risiko für Kinder, ebenfalls Psoriasis zu entwickeln. Der zyklische Verlauf der Erkrankung erschwert die Planung.

    Medizinische Aspekte

    • Einige Therapien können die Entwicklung des Fötus beeinträchtigen.
    • Vor und während der Schwangerschaft muss die Behandlung oft angepasst werden.
    • Es gibt sichere Medikationsoptionen für Schwangerschaft und Stillzeit.

    Psychosoziale Faktoren

    Forschungsbedarf

    Studien zum Thema Familienplanung mit Psoriasis konzentrieren sich hauptsächlich auf betroffene Frauen. Mehr Forschung zum Einfluss auf die Partner von Psoriasis-Patienten ist nötig.

    Schulungen

    In einigen Ländern gibt es Schulungsprogramme vor allem für Menschen mit Neurodermitis. Ähnliche Programme wurden bei Menschen mit Psoriasis und ihren Familien mit guten Ergebnissen getestet.

    • In den Niederlanden trafen sich Ärzte des Gesundheitswesens viermal mit vier bis fünf Kindern mit Psoriasis und deren Eltern. Jede Sitzung konzentrierte sich auf einen Aspekt – auf medizinische Informationen über die Erkrankung, die Bewältigung der Symptome, Strategien zur Verbesserung des Selbstwertgefühls und der sozialen Interaktionen, langfristige Ziele und Rückfallprävention. Die Ergebnisse zeigen einen deutlichen Rückgang des Schweregrads der Erkrankung und eine Verbesserung der Lebensqualität von Kindern sowie ihrer Familien.
    • Im Rahmen des in Italien durchgeführten In-Group-Projekts nahmen Menschen mit Psoriasis und ihre Betreuer an sechs Gruppenveranstaltungen teil. Die Studie zeigte eine Verringerung des FDLQI bei Pflegern, die an den Veranstaltungen teilnahmen, während die Kontrollgruppe im Laufe der Zeit einen Anstieg verzeichnete.

    Diesen Initiativen ist gemeinsam, dass an den Treffen Betroffene, Familienangehörige und Vertreter der Gesundheitsberufe wie Dermatologen, Kinderärzte, Psychologen und Krankenschwestern teilnahmen. Sie führten dazu, dass Ängste weniger wurden und die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Familienangehörigen – selbst wenn der Schweregrad der Psoriasis unverändert blieb.

    Die Organisation "Psoriasis Australia" in Australien bietet eine Hotline für die persönliche Unterstützung von Familien an. Ein Koordinator steht den Menschen mit Psoriasis, ihren Familien und den Behandlern per Telefon, online oder persönlich zur Verfügung.

    💡 Ein Hinweis von uns: In Deutschland gibt es Psoriasis-Schulungen eher theoretisch: Wer nicht gerade im Umkreis der Uni-Kliniken Erlangen oder Bern wohnt, hat derzeit kaum eine Chance, eine strukturierte Psoriasis-Schulung zu bekommen. Bei Reha-Maßnahmen gibt es Vorträge, die nach unserer Erfahrung aber nicht eine strukturierte Schulung ersetzen können.

    Empfehlungen der IPFA

    Aus all den aufgezählten Problemen und Missständen formuliert die IFPA Empfehlungen:

    Kampagnen

    • Aufklärungskampagnen, zum Beispiel mit Plakaten
    • Informationsbroschüren, die in Gesundheitseinrichtungen ausgelegt werden
    • kurze Informationsvideos in sozialen Medien
    • Podcasts
    • Online-Seminare mit Experten
    • Seminare vor Ort
    • kurze Informationsveranstaltungen in Schulen um das Verständnis für die Krankheit zu fördern und weit verbreitete falsche Vorstellungen und Vorurteile bei Kindern zu bekämpfen.

    Zugang zu subventionierter Gesundheitsversorgung

    Nicht jedes Land der Welt verfügt über ein Gesundheitssystem, das erschwinglich ist und den Zugang sowohl zu medizinischen Fachkräften als auch zu Behandlungsmöglichkeiten zu einem angemessenen Preis ermöglicht. Wir haben gezeigt, dass die Wirtschaft der Haushalte direkt und indirekt stark von der Psoriasis-Erkrankung betroffen ist. Einerseits belasten die Kosten für Arztbesuche und Behandlungen das Budget der meisten Familien stark, andererseits müssen Eltern und Pflegekräfte ihre Arbeit unterbrechen, um bei Arztbesuchen zu helfen und sich um die Psoriatiker zu kümmern. Einige Pflegekräfte berichten auch, dass sie ihre berufliche Laufbahn auf Eis legen müssen, was sich auf das Familieneinkommen und damit auf das wirtschaftliche Wohlergehen der Familie auswirkt.

    Durch die Umsetzung der allgemeinen Gesundheitsversorgung, die in den von allen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen 2015 verabschiedeten Zielen für nachhaltige Entwicklung bis 2030 aufgeführt ist, würde der Zugang zu sicheren, wirksamen und erschwinglichen Zugang zu sicheren, wirksamen und erschwinglichen Arzneimitteln und Gesundheitsdienstleistern hätte enorme Auswirkungen auf Familien mit mittlerem und niedrigem Einkommen.

    👉 Lesetipp: Wie der Welt-Psoriasis-Tag wirklich entstand

    Fortbildungen für Angehörige der Gesundheitsberufe

    Wer im Gesundheitswesen arbeitet, sollte für das Thema "Psoriasis und Familie" (oder des "erweiterten Patientenumfelds") sensibilisiert werden. Fachübergreifende Teams aus Hautärzten, Rheumatologen, Gynäkologen, Psychologen und Experten anderer Fachrichtungen sollten die Erkrankten und ihre Angehörigen betreuen.

    Schulungen für Betroffene

    Schulungen wie die für Neurodermitis oder die erprobten Psoriasis-Schulungen in einigen Ländern sollten allen Psoriasis-Betroffenen und ihren Angehörigen zugute kommen. Schließlich waren die Ergebnisse dort, wo es sie bereits gab oder gibt, gut. Empfohlen werden Schulungen mit vier bis sechs Sitzungen. Patientenorganisatonen können langfristig zu weiteren Treffen einladen. Der Austausch von Informationen, der Aufbau einer Gemeinschaft und das Erlernen von Bewältigungsmechanismen haben sich für Betroffene und ihre und ihre Familien bewährt.

    Über die IFPA

    Die IFPA ist eine internationale Dachorganisation für Psoriasis-Patientenverbände. Sie wurde 1971 gegründet und hat ihren Sitz in Schweden. Die Abkürzung IFPA steht für "International federation of psoriatic disease associations".

    Zu den Hauptzielen der IFPA gehören:

    • die weltweite Vertretung der Interessen von Menschen mit Psoriasis und Psoriasis arthritis
    • die Förderung des Bewusstseins für diese Erkrankungen in der Öffentlichkeit und bei Entscheidungsträgern
    • die Unterstützung von Forschung und verbesserter Behandlungsmöglichkeiten
    • die Vernetzung nationaler Patientenorganisationen

    Aus Deutschland ist der Deutsche Psoriasis-Bund e.V. in der IFPA vertreten, aus der Schweiz die Schweizerische Psoriasis und Vitiligo Gesellschaft (SPVG), aus Österreich der Verein Pso-Austria.

    "Partner", also Geldgeber, sind größere Pharmafirmen.


    Über die Autorin

    Claudia Liebram ist Journalistin in Berlin. Ihre Psoriasis begann, als sie drei Jahre alt war. Sie absolvierte den Masterstudiengang "Consumer Health Care" an der Berliner Charité.

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    Andrej Lišakov / Unsplash

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