Bei einem Workshop zum Thema Rheumatologie an der Uni Leipzig ging es Anfang Februar 2006 vor allem um die Zusammenarbeit von Ärzten verschiedener Fachrichtungen. Das Ergebnis verwundert nicht so richtig: Betroffene sollen noch intensiver und vor allem wesentlich früher als bisher mit allen Behandlungsverfahren behandelt werden, die für die Therapie von entzündlichen Prozessen bei Rheuma-Patienten zugelassen sind.
Wenn die Gelenke mal mehr und mal weniger Schmerzen, scheint dem Laien schnell klar: Das ist Rheuma. Er quält sich damit oder geht zum Hausarzt und fordert schleunigst helfende Medikamente gegen diese Krankheit. "Rheuma ist aber keine Krankheit, sondern ein Symptom", korrigiert Professor Holm Häntzschel, Sprecher des Rheumazentrums Leipzig e.V. am dortigen Universitätsklinikum und Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik IV. "Das Wort Rheuma bedeutet soviel wie der fließende, der wandernde Schmerz. Wenn ein Patient zu uns kommt und meint, er habe Rheuma, können wir ihm nur entgegnen: 'Es gibt 1001 Ursache für rheumatische Schmerzen, und nur eine davon ist der chronische Gelenkrheumatismus.' Welche Ursache oder Erkrankung dieses Symptom beim konkreten Patienten auslöst, muss dann herausgefunden werden."
"Es wäre fatal, einen Tumor zu übersehen"
Wichtig zu wissen: Es gibt Krankheiten, die sich wie Rheuma "anfühlen", aber keines sind. Das sind beispielsweise
- Stoffwechselerkrankungen wie die Gicht
- endokrinologische Erkrankungen wie Schilddrüsenüber- oder -unterfunktion
- gastroenterologische Erkrankungen und
- onkologische Erkrankungen
Diese Krankheiten rufen Beschwerden in der Muskulatur, Gelenken und des Knochens hervor und "imitieren" eben nicht selten rheumatische Erkrankungen.
"Es wäre fatal, unter dem Symptom Rheuma mit Muskel- und Skelettschmerzen die Diagnose eines Tumors oder einer hämatologisch-onkologischen Erkrankung zu übersehen", erklären die Ärzte an der Uni-Klinik. "Damit würde auch die Chance für eine frühe Diagnose und eine frühe Therapie vergeben."
Bakterielle und Viren-Erkrankungen gehen nicht selten mit Gelenk-, Schleimbeutel- oder Sehnenscheidenentzündungen einher. Die auf dem Boden einer Autoimmunität entstehenden rheumatischen Erkrankungen wie Lupus erythematodes beziehen schon zu Beginn oder im weiteren Verlauf verschiedenste Organe oder Organsysteme wie Herz, Lunge, Nieren, Nervensystem, Haut, Leber, Magen-Darm ein und erfordern deshalb eine interdisziplinäre Zusammenarbeit.
Letztlich beziehen die entzündlich rheumatischen Erkrankungen wie Gelenkrheumatismus und Morbus Bechterew Gelenke und die Wirbelsäule, besonders auch die Halswirbelsäule ein. "Glücklicherweise haben wir am Universitätsklinikum für diese Patienten im Gebiet Chirurgie die Schwerpunkte Neurochirurgie, Traumatologie und Orthopädie als Partner im Rheumazentrum", so die Wissenschaftler.
Von der Haut bis zur mikrobiologischen Diagnostik
"Seit 1986 ist durch Untersuchungen amerikanischer Rheumatologen bekannt, dass Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen wie Rheumatoide Arthritis oder mit autoimmunologischen Erkrankungen wie Lupus erythematodes nach jahrelanger Krankheitsdauer eine erhöhte Sterblichkeit gezeigt haben", so Häntzschel. "Ursache ist nach den Ergebnissen der letzten Jahre eine Beteiligung des Herz-Kreislauf-Systems."
Herzinfarkt durch Rheuma?
Die ständig angekurbelte Entzündung führt zunächst zu einer Funktionsstörung der Gefäßinnenhaut, des Endothels - zu der so genannten Endothelzelldysfunktion. Als Folge kommt es zu einer Endothelzell-Schädigung mit dem Risiko einer beschleunigten Atherosklerose. Von diesen Vorgängen sind nicht nur die größeren Blutgefäße - die Arterien - sondern auch die kleineren Blutgefäße betroffen. In der Folge können bei Patienten mit diesen entzündlich-rheumatischen oder Autoimmunkrankheiten Durchblutungsstörungen zum Beispiel am Herzen letztlich bis zum Herzinfarkt auftreten. Auch die Gefahr von Durchblutungsstörungen anderer Organe oder Körperabschnitte besteht.
Ursache dieser Schäden an der Gefäßwand sind immunologische und biochemische Risiko-Faktoren, die von der Entzündung kommen. Außerdem spielen die üblichen Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Übergewicht, Erhöhung der Blutfette oder Nikotin eine Rolle.
Beteiligung des Herz-Kreislauf-Systems verhindern
Die Konsequenz aus diesen Forschungsergebnissen: Die betroffenen Patienten sollen noch intensiver und vor allem wesentlich früher als bisher mit all jenen Behandlungsverfahren behandelt werden, die für die Therapie von entzündlichen Prozessen bei Rheumapatienten zugelassen sind.
Das Ziel besteht nicht nur in der Verhinderung von Gelenk- und Wirbelsäulenversteifung, sondern auch darin, die Beeinträchtigung der Lebenserwartung des Patienten durch Beteiligung des Herz-Kreislauf- Systems zu verhindern.
Link: Rheumazentrum am Universitätsklinikum Leipzig
Quelle: idw/Uni Leipzig, 02.02.2006
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