Für die Behandlung der Psoriasis arthritis gibt es eine nicht so oft angewandte Therapie, die langfristig eine Zerstörung des Gelenkknochens aufhalten kann - die Radiosynoviorthese.
Die Radiosynoviorthese (RSO) ist eine nuklearmedizinische Therapie, die auf die Gelenkschleimhaut wirkt. Diese soll eigentlich mit der Gelenkflüssigkeit dafür sorgen, dass sich die Gelenkknochen „wie geschmiert“ bewegen können. Ist die Gelenkschleimhaut aber entzündet, schwellt sie an und wuchert unbegrenzt in wilden Formen, statt ein glattes Bindegewebe zu bilden. Dann schmerzt jede Bewegung des Gelenks. Allmählich können dadurch Knorpel und Gelenke zerstört werden. Aber es gibt radioaktiv strahlende Stoffe („Radionuklide“), die diese Entzündung stoppen können. Sie bewirken, dass die Gelenkschleimhaut wiederhergestellt wird. Das funktioniert dann am besten, wenn die Gelenke noch nicht verschlissen, sondern "nur" entzündet sind.
Bei wem wird die Radiosynoviorthese eingesetzt?
Als Therapie kann es wirken bei Psoriasis arthritis und rheumatischer Arthritis („Rheuma“), aber auch bei entzündlichen Arthrosen (z.B. Daumen-Sattelgelenk, Finger, Großzehe) und zottenartigen Gelenk-Innenhaut-Entzündungen.
Wie wirkt die Radiosynoviorthese?
Die komplizierte Bezeichnung „Radiosynoviorthese“ ist eine Zusammensetzung aus „radius“ (Strahl), „synovialis“ (Gelenk-Innenhaut) und „orthesis“ (Wiederherstellung). Im medizinischen Alltag spricht man nur von „RSO“. Das ist ein Verfahren, bei dem die Gelenkschleimhaut durch (radioaktive) Strahlen wiederhergestellt wird. In das Gelenk wird eine radioaktive Substanz gespritzt. Die wird von den Lymphozyten (Abwehrzellen), die die Entzündung bewirkt haben, als Fremdkörper erkannt und „aufgefressen“. Weil die Substanz aber radioaktiv strahlt, sterben die Lymphozyten daran. Die Strahlung bewirkt, dass die Schleimhaut-Oberfläche verschorft, die Schwellungen und Wucherungen zurückgehen und Nervenenden verödet werden. Die Gelenkschleimhaut normalisiert sich, wird wieder dünn und kann wieder als Bindegewebe funktionieren.
RSO wirkt langsam. Die Schmerzen verringern sich deutlich oder verschwinden völlig: Bei einigen Patienten schon nach wenigen Tagen, bei anderen dauert es Wochen oder ein Vierteljahr. (Fast) schmerzfrei kann der Patient sein Gelenk allmählich wieder mehr bewegen und belasten. Erst nach einem halben Jahr kann man wirklich beurteilen, ob die Therapie angeschlagen hat. Durch die RSO bleibt das Gelenk lange Zeit (bis zu einigen Jahren) entzündungsfrei.
Es gibt keine Studie zur RSO, die nach strengen Maßstäben eindeutig nachweist, wie gut die Therapie wirkt und ob sie völlig unbedenklich ist. Aber es liegt eine Vielzahl von Vergleichs- bzw. Fall-/Kontroll-Studien vor (1) u. (2). In einer Berliner nuklearmedizinischen Praxis wurden im Rahmen einer Doktorarbeit von 981 RSO-Patienten drei Jahre nach der Behandlung 635 nachuntersucht. Bei den Psoriasis-Arthritis-Patienten hat RSO auf rund 50 Prozent der Gelenke gut und sehr gut gewirkt, auf rund 28 % noch zufriedenstellend und bei rund 24 % war sie erfolglos. Die Wirkung trat durchschnittlich 7 Wochen nach der Therapie an und hielt über 800 Tage an (3).
Wie läuft die Radiosynoviorthese ab?
Das Verfahren wird seit Ende der 1950er-Jahre praktiziert und darf seit 1993 auch ambulant durchgeführt werden. Nur Nuklearmediziner dürfen die benötigten radioaktiven Stoffe verwenden. Im Vorfeld muss genau untersucht werden, ob wirklich eine entzündliche Erkrankung vorliegt (Gelenk-Szintigraphie, Ultraschall). Der Patient muss sich sehr diszipliniert an die Termine halten, denn das Radio-Nuklid wird für seinen Fall speziell angefertigt und verliert wegen der kurzen Halbwertzeit schnell seine Wirkung. Die Behandlung selbst dauert nur wenige Minuten. Danach muss das Gelenk 48 Stunden ganz ruhig gehalten werden, damit sich das Nuklid gut verteilen kann.
Grundsätzlich ist die RSO eine „einmalige Therapie“. Sie kann aber ohne weiteres wiederholt werden, wenn sie schlecht anschlägt. Das passiert zum Beispiel, wenn das Gelenk schon stärker angegriffen ist. Es ist beobachtet worden, dass eine zweite RSO weniger gut wirkt, als die erste. Wenn die RSO überhaupt nicht anschlägt, kann später problemlos operiert werden.
Welche Substanzen werden injiziert?
Gespritzt werden so genannte „Beta-Strahler“. Das sind Radio-Nuklide, die nur wenige Millimeter in das Gewebe eindringen und von geringer Energie sind. Je nach Gelenkgröße wird eine von drei möglichen Substanzen verwendet: Bei Finger- und Zehengelenken soll die Strahlung nicht tief eindringen. Deshalb nimmt man 169-Erbium, das 0,3 bis 1 mm tief strahlt, aber länger im Körper bleibt (nach 9,4 Tagen ist die Hälfte zerfallen). Bei größeren Gelenken muss das Nuklid tiefer hinein, soll aber kürzer im Körper verbleiben. 186-Rhenium ist für Schulter-, Ellbogen-, Hand-, Hüft- und Sprunggelenke (1,2 bis 3,7 mm, Halbwertzeit 3,8 Tage). 90-Yttrium ist für die Kniegelenke (3,6 bis 11 mm, Halbwertzeit 2,7 Tage).
Nebenwirkungen oder Komplikationen
Weil die Strahlen nicht sehr tief eindringen, schädigen sie das gesunde Gewebe normalerweise nicht. Die Substanz bleibt in der Gelenkhöhle – wenn sie richtig gespritzt wird. Der Arzt muss sich vor der Injektion davon überzeugen, ob die Nadel richtig gesetzt ist. Dazu wird das Gelenk durchleuchtet oder szintigrafiert.
Die aktuelle Strahlenbelastung entspricht der einer üblichen Röntgenaufnahme. Deshalb kann man das nur machen, wenn wenige Gelenke betroffen sind. Man sollte darauf achten, pro Sitzung nicht mehr als 400 MBq zu verabreichen und die Jahresdosis von 750 MBq nicht zu überschreiten (4). Wegen der kurzen Halbwertzeit zerfallen die Nuklide schnell. Schon nach wenigen Tagen ist im Körper keine Radioaktivität mehr nachweisbar.
Wenn nach einer RSO das Gelenk anschwillt und heiß wird („Reiz-Erguss“), kann das durch Kühlen zurückgedrängt werden. Als seltene Komplikationen werden genannt, dass sich das Gelenk infiziert, es zu Blutungen kommt oder im Stichkanal Gewebe zerstört wird.
Viele Komplikationen entstehen dadurch, dass sich die Patienten nicht genau an die Ruhe-Anweisung halten. Vor allem verbleibt das Nukleid nicht lange genug im Gelenk, wenn man es zu früh bewegt.
Schäden oder Abweichungen an Chromosomen können auftreten, sind aber bis zu 30-fach niedriger als bei einer Radiojod-Therapie (5)
Fazit
Die Radiosynoviorthese ist eine Alternative zur Operation oder zu Medikamenten mit starken Nebenwirkungen auf die Organe. Komplikationen treten äußerst selten auf. Aber nicht alle befallenden Gelenke können mit RSO behandelt werden, z.B. die Wirbelsäule nicht. Für entzündliche Erkrankungen ist davon auszugehen, dass RSO „kurz- und mittelfristig wirkt“. Sind die Gelenke dagegen schon zerstört oder instabil oder dauert die Krankheit schon lange an, wirkt RSO meist nicht mehr (4).
Es gibt kaum Patienten, die nicht damit behandelt werden können. Aber Kinder und Jugendliche sind (bis auf schwere Fälle) davon ausgeschlossen, solange ihr Knochenwachstum noch nicht abgeschlossen ist. RSO wird auch nicht angewendet bei Menschen mit aktuellem Kinderwunsch, Schwangeren und Stillenden.
Der Körper wird radioaktiv bestrahlt. Deshalb ist es vernünftig, in einem Strahlenpass die Belastung zu dokumentieren. Die Ärzte fragen oft nicht nach vorherigen Röntgenuntersuchungen. Der Patient sollte aber die Übersicht behalten.
RSO steht in Konkurrenz zum Wirkstoff Triamcinolonhexacetonid (Präparat Lederlon). In Ländern, in denen der Wirkstoff nicht zugelassen ist (z.B. Australien) gibt es viele Radiosynoviorthesen. Die Zahl der RSO geht dann deutlich zurück, wenn das Mittel zugelassen wird - wie in Schweden. Das Behandlungsergebnis kann deutlich verbessert werden, wenn Triamcinolon und RSO kombiniert werden (5).
Es erfordert viel Übung, die Nadelspitze genau ins Innere der Gelenkkapsel zu setzen - besonders an den kleinen Gelenken. Nicht jeder Facharzt für Nuklearmedizin verfügt über genug Erfahrung mit dieser Gelenkpunktion. Patienten sollten sich deshalb genau informieren, welcher Arzt sich auf die Radiosynoviorthese spezialisiert hat. Nicht jeder kann von sich behaupten, wie es ein Berliner Nuklearmediziner scherzhaft tut. Er sagt, er wäre „der zärtlichste Stecher im Süden der Stadt“.
Quellen:
- Zur Frage der vorliegenden Studien und ihren Schwächen: „Radiosynoviorthese“, Seidel W., Uniklinik Leipzig, Zeitschrift für Rheumatologie 3/2006, S. 239 ff.
- „Ergebnisse der Radiosynoviorthese des Kniegelenkes mit Yttrium90-Zitrat bei chronischen Synovialitiden nach Knieendoprothesenimplantation im Vergleich mit Ergebnissen bei rheumatoider Arthritis und aktivierter Gonarthrose“, Sagner, Kathrin, Dissertation 2004, S. 52 ff.
- Zitiert nach: „Radioaktivität? Ja bitte! - Radiosynoviorthese zur Behandlung der Psoriasis Arthritis“, Vortrag von Dr. Ekkehart Stelling, Nuklearmediziner Berlin am 2.12.08 beim Psoriasis Forum Berlin e.V.
- „Radiosynoviorthese“, Seidel W. a.a.o., S. 242
- "Radiosynoviorthese“, Seidel W. a.a.o., S. 242 f.
- „Radiosynoviorthese“, Seidel W. a.a.o., S. 242 f.
- „Radiosynoviorthese“, Seidel W. a.a.o., S. 239
Tipps zum Weiterlesen
- „Radiosynoviorthese" Broschüre der Curium Pharma GmbH
- „Radiosynoviorthese – Gelenktherapie mit Radioisotopen“, Dr. Niklas Manthey, Merkblatt 6.14 der Deutschen Rheumaliga, 2. Auflage 2004
- „Gelenkschmerz mit Strahlen behandeln“, „Visite“, NDR-Fernsehen, 28.08.2018
- Ausführliche Erläuterungen zur RSO auf Rheuma-online
- Pro und Contra von RSO beim Deutschen Arthrose-Forum
- "Mit radioaktiven Strahlen gegen Schmerzen"; Informationen aus der Fernsehsendung "Visite" vom 16.9.2014
- "Radioaktive Strahlung bei Schmerzen", Pharmazeutische Zeitung 17/2011
- "Was kann die Radiosynoviorthese bei Psoriasis arthritis erreichen?", Merkblatt des Radiologiezentrums Stuttgart
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