Die Gesundheitswissenschaftler Gunnar Geuter und Jan Weber werben unter Physiotherapeuten um Verständnis für chronisch Kranke. Wenn die nämlich kurzfristig einen Termin absagen, geschieht das oft nicht aus purem Egoismus, sondern genau wegen der Krankheit. Das erklären Geuter und Weber in der Fachzeitschrift "physiopraxis".
Ihr Negativ-Beispiel ist das einer Physiotherapeutin, die sich über wiederholte Absagen einer Rheuma-Patientin ärgert. "Ich glaube, sie verpasst die Termine absichtlich - offenbar hat sie gar kein Interesse daran, das ihr geholfen wird", meint die Physiotherapeutin. "Manche Therapeuten vergessen offensichtlich leicht, dass die Physiotherapie-Sitzung zwar ein wichtiger, aber doch nur ein Aspekt unter vielen ist, die der Patient in seinem Alltag unterbringen muss", so die Autoren.
In Krankheitsphasen, in denen die körperlichen Kräfte stark eingeschränkt sind, kann selbst ein gut organisierter Zeitplan leicht ins Wanken geraten. Dass dann auch mal ein Physiotherapie-Termin kurzfristig abgesagt werden muss, sei nicht auf mangelndes Interesse oder Rücksichtslosigkeit zurückzuführen, sondern manchmal schlicht unvermeidbar, sagen Geuter und Weber.
Auch bei der Behandlung selbst müssen die Therapeuten sich ganz an den Bedürfnissen und den Fähigkeiten der Patienten orientieren. "In akuten Krankheitskrisen brauchen chronisch Kranke eine ganz andere Unterstützung als in Phasen relativer Stabilität", schreiben die Bielefelder Wissenschaftler. Die Vorstellungen der Patienten müssten immer wieder ausgelotet werden.
Für die beiden Autoren ist eine Therapie dann ideal, wenn sie nicht in den Mittelpunkt stellt, was der Patient nicht mehr kann, sondern wenn das, was noch geht, betont und gestärkt wird.
Geuter und Weber hoffen, dass künftig mehr Therapeuten die Zeit nehmen, kurz innezuhalten und sich in die Situation eines chronisch Kranken einzudenken. fzm/cl
Quelle: "Besondere Situation des Patienten beachten - Herausforderung chronische Erkrankung", G. Geuter, J. Weber, in: physiopraxis 7/2009
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