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    Rolf Blaga

    Aktuelle Zahlen zur Psoriasis in Deutschland

    Einmal jährlich treffen sich unterschiedliche Psoriasis-Akteure, um Bilanz zu ziehen. Es geht darum, wie die Patienten in weitestem Sinne versorgt werden. Dabei erfährt man vor allem neue Zahlen und Zusammenhänge.

    Im Februar 2021 fand die „12. Nationale Konferenz zur Versorgung der Psoriasis“ statt. Die Teilnehmer erfuhren unter anderem:

    • Menschen im Norden Deutschlands sind stärker von Schuppenflechte betroffen als im Süden.
    • Wer nicht nur an der Haut, sondern gleichzeitig an den Gelenken betroffen ist, hat ein höheres Risiko, typische Begleiterkrankungen zu entwickeln.
    • Für die innerliche Therapie gegen Schuppenflechte werden nach wie vor Medikamente mit Kortison am häufigsten verschrieben – obwohl Dermatologen ausdrücklich davor abraten.

    Nord-Süd-Gefälle bei Schuppenflechte

    Professor Mathias Augustin stellte eine Auswertung von 13,1 Mio. Versichertendaten (Stand 2019) der Techniker Krankenkasse vor. Die Aussagen werden als repräsentativ für die Gesamtbevölkerung angenommen.

    Danach waren 2,5 Prozent der Versicherten an Psoriasis erkrankt; eine Zahl, die sich über die Jahre bestätigt hat. Neu war, dass regionale Unterschiede festzustellen sind: Die meisten Erwachsenen mit Schuppenflechte gab es im Nordosten, die wenigsten im Süden.

    Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt ≥ 2,83 %
    Bremen, Thüringen, Westfalen-Lippe 2,63 % - < 2,83 %
    Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Sachsen 2,49 % - > 2,63 %
    Hessen, Nordrhein 2,19 % - > 2,49 %
    Berlin, Hamburg, Rheinland-Pfalz 2,05 % - > 2,19 %
    Baden-Württemberg, Bayern, Saarland < 2,05 %
    Deutschland insgesamt 2,5 %

    Versichertenanteil mit Diagnose Psoriasis, Techniker-Daten 2019

    Hagenström K, Petersen J, Augustin M. GKV-Analyse 2021, 12.NVK Psoriasis (Folie)

    Gelenkbeteiligung erhöht Risiko für Begleiterkrankungen

    Die Patientendaten zeigten außerdem, dass Betroffene öfters eine der typischen Begleiterkrankungen haben, wenn sie gleichzeitig an Psoriasis Arthritis erkrankt sind. Alle diese zusätzlichen Krankheiten traten häufiger auf, wenn neben der Haut auch die Gelenke betroffen sind. Besonders achten muss diese Gruppe auf

    • Augenhaut-Entzündung (Uveitis)
    • Weißfleckenkrankheit (Vitiligo)
    • Metabolisches Syndrom: Herz- / Kreislauf- und Gefäß- Erkrankungen, Diabetes oder Fettstoffwechselstörungen zusammen mit Fettleibigkeit (Adipositas)
    •  Schlaf-Apnoe
    • Nicht-alkoholische Fettleber (Steatohepatitis)
    • chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

    Anzahl schwer Betroffener stabil

    Die Aussagen, wie viel Prozent der Menschen mit Schuppenflechte lediglich leicht und wie viel mittelschwer oder sogar sehr schwer betroffen sind, wichen bisher stets stark voneinander ab. Die Angaben für Schwerbetroffene schwankten zwischen 20 und 50 Prozent. Die Auswertung der Patientendaten zeigen nun, dass stabil von 2017 bis 2019 bei Männern und Frauen 20 Prozent schwer an Schuppenflechte erkrankt sind.

    Dabei wird nur zwischen „leichter“ und „schwerer“ Schuppenflechte unterschieden. Da die Versichertendaten keine PASI-Werte enthalten, kann das nur anhand der verschriebenen Medikamente bestimmt werden. Betroffene gelten danach als „schwer“ an Psoriasis erkrankt, wenn sie ein innerliches Medikament verschrieben bekommen haben.

    Innerliche Medikamente

    Verschreibungen: Kortison und MTX am häufigsten

    Die Liste der innerlichen Präparate, die den TK-Versicherten mit Psoriasis 2019 verschrieben wurden, führen die Kortikosteroide an – also Medikamente mit Kortison. Grundlage der Zahlen ist eine angenommene mittlere Tagesdosis für Erwachsene (DDD). Diese rein theoretische Größe wird ermittelt, um Arzneimittel miteinander vergleichen zu können.

    Zahlreiche Initiativen der Dermatologen scheinen wenig gewirkt zu haben: Allgemeinmediziner (Hausärzte) wurden darüber aufgeklärt, dass eine Haut-Psoriasis nicht mit innerlichem Kortison behandelt wird. Trotzdem stammen 40 Prozent der Verschreibungen von diesen Ärzten. Offen bleibt, welche Rolle die Patienten dabei spielen: Gehen sie eher zu Hausärzten, weil es schwer ist, Termine bei Dermatologen zu bekommen? Drängen sie darauf, diese schnell wirkenden Mittel verschrieben zu bekommen? Oder sind es tatsächlich die Ärzte, die das aktuelle medizinische Wissen missachten – Juristen könnten das als „Behandlungsfehler“ werten. Nicht nur im gesundheitlichen Interesse der Patienten muss diese Verschreibungspraxis öffentlich kritisiert werden.

    Secukinumab ist Umsatz-und Behandlungssieger bei den Biologika

    Traditionell stehen auf dieser Konferenz die Biologika im Mittelpunkt. So auch bei der Analyse, welche für wie viel Patienten verschrieben wurden. Während 2015 der Umsatz für alle Psoriasis-Medikamente in Deutschland noch 10 Millionen Euro betrug, waren das 2020 schon 40 Millionen Euro.

    Bei den Haut-Biologika konnten die Präparate mit dem höchsten Umsatz in gleicher Reihenfolge auch die meisten Patientenzahlen aufweisen. Das stimmt nur nicht für dem TNF-α-Blocker Eternacept (Enbrel und Biosimilars).

    Biologika-Verschreibungen wohnortabhängig

    Die Chance für Patienten, ein Biologikum bzw. Biosimilar verschrieben zu bekommen, hängt vor allem vom Wohnort ab. Die Möglichkeit, für Hautärzte, diese Wirkstoffe verschreiben zu können, hängt hauptsächlich davon ab, welcher regionalen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) sie angehören.

    Die folgende gerundete Aufstellung zeigt, dass die Dermatologen in jedem KV-Bezirk pro Jahr unterschiedlich viel Biologika verschreiben, bezogen auf die Einwohnerzahl, Stand November 2020:

    KV-Bezirk   Biologika pro Kopf
    Mecklenburg-Vorpommern 16,00 €
    Bremen 14,00 €
    Hamburg 11,00 €
    Brandenburg 10,00 €
    Thüringen 9,00 €
    Sachsen-Anhalt 8,50 €
    Sachsen 8,00 €
    Nord-Rhein 7,50 €
    Berlin 7,00 €
    Niedersachsen 7,25 €
    Westfalen-Lippe 6,10 €
    Saarland 6,00 €
    Deutschland durchschnittl. 6,00 €
    Schleswig-Holstein 5,95 €
    Rheinland-Pfalz 5,00 €
    Bayern 4,25 €
    Hessen 3,85 €
    Baden-Württemberg 1,90 €

    Nach: CVderm Hamburg und IQVIA Pharmascope DocSplit MAT Nov 2020 (12/2019-11/2020), 12.NVK Psoriasis (Folie)

    Diese Unterschiede sind vor allem damit zu erklären, dass die Verschreibungs-Regeln in jedem KV-Bezirk unterschiedlich sind. Es gibt keine bundesweiten Richtgrößen. Jede KV bestimmt selbst, wie die Ausgaben für diese sehr teuren „Patent-Arzneimittel“ in ihrer Region eingegrenzt werden könnten. Den schlechtesten Ruf dabei haben die Funktionäre der KV Baden-Württemberg. Mit rigiden Vorschriften, fachlicher Bevormundung und Verordnungsvergleichen setzen sie die Dermatologen erheblich unter Druck. Nirgendwo haben es Patienten seit Jahren so schwer, mit dieser Wirkstoffgruppe behandelt zu werden, wie im „Muster-Ländle“.

    Sicherheit durchs Psoriasis-Register PsoBest

    Seitdem innerliche Medikamente auch bei Schuppenflechte verstärkt eingesetzt werden, wird bei Patienten beobachtet, wie diese Therapien langfristig verlaufen. Vor allem sollen Nebenwirkungen entdeckt werden, die erst nach längerer Zeit auftreten. Siehe auch: Psoriasis-Register – Sicherheit im Griff.

    Aktuell sind dort über 15.000 Psoriasis-Patienten registriert. Bei den Biologika sind am häufigsten Patienten dabei, die mit Adalimumab (Humira bzw. Biosimilars) oder Cosentyx behandelt werden. Bei den anderen innerlichen Präparaten sind es Methotrexat, Fumaderm oder Siklarence.

    Patienten, die sich daran beteiligen, helfen nicht nur mit, frühzeitig Risiken zu erkennen. Sie liefern auch Daten, um alle diejenigen mit Fakten zu überzeugen, die gegenüber innerlichen Psoriasis-Medikamenten unsicher oder sogar misstrauisch sind.

    Warum die Dosis nicht verändert werden darf

    Inzwischen gibt es viele Patienten, die mit einem Psoriasis-Wirkstoff erfolgreich behandelt werden und deren Zustand stabil ist. Das Medikament kann zwar nicht völlig abgesetzt werden. Aber es würde sich anbieten, die Dosis zu verringern oder die Zeitabstände zu verlängern. Damit würden sie langfristig mit weniger Wirkstoff belastet und es könnte viel Geld eingespart werden.

    Trotzdem rät der Medizinrechtler Michael Wüstefeld davon ab. Die Ärzte würden damit von den Zulassungsbedingungen für das Medikament abweichen („off-label-use“.) Das ist zwar nicht verboten, sie würden aber in diesem Fall die volle Haftung für mögliche Folgen tragen. Selbst, wenn sie sich das von den Patienten unterschreiben lassen oder deren Krankenkasse das genehmigt. Ärzte, die auf der sicheren Seite bleiben wollten, sollten besser nur "on-label“ verordnen.

    Die paradoxe Situation, dass Ärzte kostengünstiger verordnen könnten, es aber juristisch eher sein lassen sollten, kann nur über eine Änderung des Gesetzes gelöst werden.

    Diskriminierungen wegen Hauterkrankung vorbeugen

    Von 2018 bis 2020 hat sich eine Expertengruppe aus Dermatologen, Wissenschaftlern und Patientenvertretern im Projekt ECHT zusammengefunden. Sie haben Vorstellungen erarbeitet, wie Vorurteilen und Ablehnung von Hautkranken entgegengetreten werden könnte. Die Idee ist, Berufsgruppen anzusprechen, die mit Hauterkrankten zu tun haben. Sie sollen geschult werden, damit Abwertungen und Ausgrenzungen erst gar nicht entstehen. Dazu wurde je ein Seminar mit Medizinstudenten und eines mit Erzieherschülern durchgeführt. In Seminaren wurde über die Erkrankung informiert, Patienten berichteten über ihre Erfahrungen und fantasievoll erlebten die Teilnehmer eigene Stigmatisierung. Es hat sich gezeigt, dass in beiden Gruppen auch nach einigen Monaten ursprüngliche Einstellungen korrigiert blieben.

    Der Idealfall wäre, dass Ent-Stigmatisierungs-Seminare in die Ausbildung der entsprechenden Berufe aufgenommen werden könnten, z.B. auch für Lehrer, Trainer, Friseure, Verkäufer. Das Nachfolgeprojekt „In meiner Haut“ soll das Problem der Stigmatisierung von Hauterkrankten ins öffentliche Bewusstsein bringen.

    Siehe dazu auch: Ablehnung wegen Schuppenflechte ist immer noch weit verbreitet

    Und die Zukunft?

    Die Konferenz hatte sich Ziele für die Versorgung deutscher Psoriasis-Patienten für den Zeitraum von 2016 bis 2020 gesetzt:

    • Die Lebensqualität für Betroffenen mit Schuppenflechte sollte erhöht werden.
    • Frühzeitig erkannt und behandelt werden sollten

      - Psoriasis-Arthritis,

      - Begleiterkrankungen und

      - Psoriasis bei Kindern.

    Prof. Augustin berichtete, dass diese Ziele zum großen Teil erreicht worden seien. Regelmäßige Befragungen zeigen, dass der Wert der Lebensqualität der Betroffene in diesem Zeitraum von knapp 10 auf 5,5 gesunken sei. 10 Punkte auf dem Fragebogen bedeuten, dass die Lebensqualität durch die Schuppenflechte „mäßig“ beeinträchtigt wird. Ab 5 Punkte ist der negative Einfluss durch die Psoriasis nur noch „klein“.

    Heute sei es selbstverständlich, dass Hautärzte auf Symptome der Gelenk-Psoriasis achten und sie mitbehandeln würden. Die Dermatologie verstehe Schuppenflechte inzwischen als umfassende Auto-Immunerkrankung und schaue nicht nur auf die Haut. Trotzdem sei es für die Hautärzte sehr aufwendig, weitere Begleiterkrankungen (Komorbiditäten) zu erkennen.

    In den vergangenen Jahren sind nicht nur mehr Medikamente für Kinder zugelassen worden, sondern es konnten auch wichtige Erkenntnisse zur „juvenilen Psoriasis“ erlangt werden. Vor allem, dass Kinder möglichst früh effektiv behandelt werden müssen, um zu vermeiden, dass sich ein Entzündungs-Gedächtnis entwickelt und später schwere Begleiterkrankungen auftreten.

    Die neuen Ziele für die kommenden Jahre müssen noch festgelegt werden. Auf der Konferenz wurde vor allem gefordert, die Patientenversorgung für die Hautärzte zu vereinfachen. Die Behandlungen sollten möglichst ohne bürokratische Einschränkungen oder Regressdrohungen möglich sein – orientiert nur an den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen (Leitlinien). Ziel solle es außerdem sein, möglichst viel Allgemeinmediziner von einer leitliniengerechten Behandlung zu überzeugen.

    Die Ärzte wünschen sich einfache Verfahren, um „Risikopatienten“ frühzeitig zu erkennen.

    Darüber hinaus sei es wichtig, sich zukünftig mehr um die 40 bis 50 Prozent der Patienten zu kümmern, die schlecht versorgt sind und darunter leiden. Die würden nicht zum Arzt gehen oder nicht zum Hautarzt. Selbstkritisch wurde erwähnt, dass manche Patienten es erst gar nicht mehr versuchen, einen zeitnahen Termin beim Facharzt zu bekommen.

    Über die Nationale Versorgungskonferenz Psoriasis

    Das Treffen wird organisiert von den Ärzteverbänden BVDD, DDG, PsoNet, von PsoBest und CVderm sowie der Patientenorganisation DPB. Teilnehmer sind Hautärzte, Fachleute aus der Pharmaindustrie und Patientenvertreter. Dieses Jahr fand die Konferenz erstmals nicht in Hamburg, sondern als Videokonferenz statt.


    Themen: Biologics

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