Facebook und Instagram löschen seit einigen Tagen Beiträge mit Fotos, auf denen Menschen ihre Schuppenflechte zeigen. Der Protest ist groß. Mit einer Petition sollen die sozialen Netzwerke zu einer Erklärung und zu einem Ende der automatischen Zensur bewegt werden.
Die Bilder zeigen ganz normale Selfies, wie es sie milliardenfach gibt – Menschen im Alltag, im Urlaub, nur eben mit sichtbarer Psoriasis.
Eine offizielle Begründung gibt es nicht – nur eine automatische. Bei Facebook geht die so:
due to the portrayal of a 'non ideal body type
Das heißt ganz klar: Facebook löscht die Bilder, weil darauf kein idealer Körper zu sehen ist.
Wer bei Instagram seine Bilder mit Hashtags wie #psoriasisawareness, #psoriasisuk, #psoriasiscommunity oder #getyourskinout versieht, muss mit der automatischen Löschung seiner Beiträge rechnen. Dort lautet die Begründung, dass "die Community" Bilder wie diese gemeldet hätte: Sie würden dem Gemeinschaftsstandard von Instagram nicht entsprechen.
Ein Beispiel:
Die Hashtags können teilweise zwar aufgerufen werden – doch es erscheinen weit weniger Bilder, als eigentlich damit hochgeladen wurden.
Eine Anfrage von uns bei der Pressestelle von Instagram blieb ohne Antwort. Die Initiatorin des Hashtags und Accounts #GetYourSkinOut, Holly Dillon, wählte den gleichen Weg und erhielt ebenfalls keine offizielle Reaktion. Sie betreibt die Aufklärungskampagne bei Instagram seit drei Jahren – entsprechend viele Bilder haben sich inzwischen dort angesammelt.
Die britische Patientenorganisation Psoriasis Association ersuchte Instagram ebenfalls nach einer Erklärung – ohne Antwort. Sie schreibt bei und an Instagram:
Wir verstehen, dass öffentliche Plattformen moderiert werden müssen. Wir möchten jedoch von Instagram eine Erklärung, warum der Inhalt von ganzen Psoriasis-Hashtags zensiert wurde, statt die einzelnen Beiträge, die als unangemessen eingestuft wurden, einfach zu entfernen.
Die Psoriasis Association hat eine Petition "Stop the Censorship of Psoriasis on Social Media" gestartet. Mit der werden Instagram und Facebook aufgefordert, die Zensur in ihren sozialen Netzwerken zu stoppen.
Inzwischen hat Instagram viele, aber nicht alle Hashtags und Fotos rund um die Psoriasis wiederhergestellt. Gegenüber dem "Evening Standard" erklärte eine Sprecherin von Instagram:
In diesem Fall waren einige Psoriasis-bezogene Hashtags vorübergehend eingeschränkt, während wir Spam-Inhalte entfernt haben, die gegen unsere Richtlinien verstoßen. Das Problem wurde jetzt gelöst und diese Hashtags können von der Gemeinschaft wieder in dem Geist verwendet werden, in dem sie vorgesehen waren.
So, und jetzt mal Klartext:
"Influencer" dürfen bei Facebook und Instagram jeden Quatsch in die Kamera halten, ohne dass Instagram da irgendewlche Spam-Inhalte entfernt. Andere können in Facebook-Gruppen und Instagram-Stories obskure Produkte und Therapien wie MMS propagieren. Nahrungsergänzungsmittel und Hautpflegeprodukte dürfen mit ungeprüften Heilsversprechen angepriesen werden – natürlich ohne einen Hinweis darauf, dass das Werbung (und eigentlich in Deutschland verboten) ist.
Ein Beispiel:
https://www.instagram.com/p/CK637xTBPBG/
Steht da irgendwo das Wort "Anzeige"? Nein.
Aber Schuppenflechte – die ist "ihhhhh", da muss man ja genauer hinsehen und mal präventiv Hashtags sperren.
Ja, Psoriasis sieht selten schön aus. Aber sie ist nicht ansteckend. 100 Millionen Leute weltweit haben die Erkrankung, ohne dass sie irgendwas dafür können. Menschen mit Schuppenflechte verstecken sich endlich nicht mehr. Sie zeigen sich samt ihrer Krankheit dort, wo sie sich eben gern aufhalten, bei Facebook, bei Instagram. Und was tut der Konzern? Er diskriminiert sie genauso wie das im realen Leben auch viel zu oft geschieht. Und ohne Begründung.
Nebenbei zeigt der Vorgang auch: Facebook und Instagram sind Plattformen und am Ende Konzerne, die Gewinn machen wollen und müssen. Klar, sie lassen sich sehr gut dazu nutzen, Aufmerksamkeit auf Themen zu lenken, die sonst zu kurz kommen. Aber: Was man dort zeigt oder schreibt, gehört einem nicht. Es kann von heute auf morgen weg sein, unsichtbar, willkürlich. Man muss dafür nichts Schlechtes, Anstößiges "getan" haben. Um so wichtiger ist es, dass jeder, der seine Botschaft verbreiten will, immer noch seinen eigenen Internetauftritt und andere Wege hat.
Weitergedacht könnte jeder, dem kritische Beiträge bei Facebook oder Instagram nicht gefallen, sie melden – und schnell ist die Kritik weg.
Übrigens hilft es in diesem Fall auch nicht, auf das Netzwerkdurchsetzungsgesetz zu schimpfen – die Zensur findet nicht (nur) auf den deutschen Ablegern der sozialen Netzwerke statt.
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In unserer Community übrigens sind Bilder von Nutzern und ihrer Schuppenflechte ausdrücklich erwünscht Und bei Facebook, Instagram und Twitter sind wir auch.
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