Das Bundesverfassungsgericht befand am 9. Februar 2010 über die Berechnung des Arbeitslosengeldes II. Unter anderem forderte es, dass Härtefälle berücksichtigt werden müssten – darunter ausdrücklich, wenn ein Betroffener nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Hautpflege bei Neurodermitis selbst bezahlen muss.
Nach dem Urteil hatte die Bundesagentur für Arbeit (BA) eine Liste der Fälle erstellt, in denen Hartz-IV-Betroffene künftig bei den Jobcentern Sonderleistungen geltend machen können. Darin aufgeführt sind "nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, zum Beispiel Hautpflegeprodukte bei Neurodermitis".
Nun ist eine Neurodermitis keine Psoriasis, und für gewöhnlich halten sich Gerichte gern ganz genau an Formulierungen fest. Deshalb ist die Nachbemerkung der BA zur Liste ein wichtiger Punkt: "In Umfang und Ausmaß vergleichbare Fälle können ebenfalls unter die Härtefallklausel fallen.“
Dr. Michael Reusch, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Dermatologen, hat das Dilemma bei Hautkranken erkannt und fordert, "chronische Hautkrankheiten und insbesondere chronisch entzündliche Hauterkrankungen als Härtefall anzuerkennen und den Betroffenen einen Zuschlag zum Regelsatz zu gewähren".
„Patienten mit geringem Einkommen haben oft resigniert", so Reusch. "Sie bekommen ihre Hautprobleme nicht in den Griff, weil das Geld für Salben fehlt.“ Dabei sei es volkswirtschaftlich betrachtet billiger, frühzeitig unterstützend einzugreifen als die deutlich teureren Folgen zu bezahlen.
Professor Matthias Augustin, Leiter der Fachgruppe Gesundheitsökonomie und Lebensqualitätsforschung und des Centrums für Versorgungsforschung in der Dermatologie am Hamburger Universitätsklinikum, rechnet vor: „Die durchschnittlichen jährlichen Kosten bei einer mittelschweren bis schweren Psoriasis liegen bei 794,30 Euro". Das sind 19 Prozent der Bezüge im derzeitigen Regelleistungssatz von 359 Euro im Monat. Die Kosten entstünden u.a. durch Fahrten zum Arzt oder die nicht erstattungsfähigen Harnstoff-Produkte, so Augustin. „Entsprechendes gilt im Grunde bei allen chronischen Entzündungen der Haut, also vor allem für die drei Gruppen Schuppenflechte, Neurodermitis und chronische Wunden“, sagte Augustin.
Das Arbeitsministerium betont, dass der veröffentlichte Katalog nicht abschließend sei und Leistungen nur gewährt würden, wenn eine erhebliche Unterversorgung drohen würde. „Bedarfsspitzen sind durch Wirtschaften mit der Regelleistung auszugleichen.“, so das Arbeitsministerium. Dazu wird beispielsweise die Praxisgebühr gezählt.
Für den Psoriatiker in Hartz IV heißt das: Er muss sich durch die übliche Bürokratie bis zu Grundsicherungsstellen oder Sozialgerichten durchschlagen.
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