Der informierte Patient ist für jeden zweiten niedergelassenen Arzt mindestens "problematisch". Fast die Hälfte der Ärzte meint außerdem, dass Patienten durch die Selbstinformation oft zu hohe Erwartungen und Ansprüche haben. So deutlich gesagt haben die Ärzte dies bei einer Online-Umfrage der Bertelsmann Stiftung und der Krankenkasse Barmer GEK.
Fast ein Drittel der Ärzte meint, dass Selbstinformation die meisten Patienten verwirre. Damit würde das Vertrauen zum Arzt beeinträchtigt. Jeder vierte Arzt rät Patienten sogar deutlich davon ab, selbst nach Informationen zu suchen.
Grundsätzlich haben zumindest einige Ärzte der Umfrage nach eigentlich gar nicht so viel dagegen, dass Patienten sich selbst in den Dschungel der Gesundheitsinformationen stürzen: 40 Prozent der Mediziner freut sich über das gewachsene Interesse. Jeder zehnte allerdings ärgert sich, dass der Patient mit seinen Fragen nicht zuerst zu ihm gekommen ist.
Das Interesse an Gesundheitsinformationen bedienen 56 Prozent der antwortenden Ärzte dann doch lieber selbst: Sie legen nach eigenen Angaben vertrauenswürdige Informationsmaterialien in ihrer Praxis aus. Die Hälfte weist Patienten auf gute Informationsquellen hin. Aber: 15 Prozent der Ärzte kennen sich nach eigenen Angaben eher nicht so gut oder überhaupt nicht gut mit Informationsangeboten für Patienten aus. Nur jeder fünfte Arzt kennt die Internetseite patienten-information.de des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin (ÄZQ) – dabei ist dies das gemeinsame Kompetenzzentrum von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung. (Dort gibt es auch eine Kurzinformation über Schuppenflechte.) Noch schlimmer: Nur ein Drittel dieser Ärzte findet die Patienteninformationen dort für vertrauenswürdig. Das Vertrauen in Wikipedia dagegen ist mehr als doppelt so groß.
An der Umfrage im November und Dezember 2015 beteiligten sich 804 Ärzte (und vermutlich eher jene, die ohnehin schon einen Hang zur Beschäftigung mit "dem Internet" haben, wenn es eine Online-Umfrage war.) Befragt worden waren niedergelassene Ärzte aus vielen Fachbereichen – auch Dermatologen und Fachärzte für Innere Medizin.
Dass der informierte Patient "nicht mehr weggeht", ist den Auftraggebern der Studie dagegen klar: "Ärzte sollten die Selbstinformation ihrer Patienten als Chance betrachten und fördern", sagt Dr. Brigitte Mohn von der Bertelsmann Stiftung. "Ein gut informierter Patient, der auf Augenhöhe mit dem Arzt über Krankheit und Behandlungsoptionen diskutiert, sollte das Ziel aller an der Versorgung Beteiligten sein", so Dr. Christoph Straub von der Barmer GEK.
Tipps zum Weiterlesen
Ärzte, nun sagt doch mal was
(RiffReporter, 02.02.2022)
Künftige Ärzte lernen im Studium, wie man mit Patienten besser redet als es "früher" so der Fall war. Das ist löblich, und trotzdem kommt es in der Praxis und in Kliniken viel zu oft viel zu kurz. Susanne Donner schreibt, was sich wie ändern müsste und ließe.
Das Thema kommt aber nicht nur in Praxen und Kliniken zu kurz, sondern auch in den Medien. Susanne Donner ist Medizinjournalistin. Sie bot diesen Artikel zwei Online-Medien und einer Tageszeitung an. Keine wollte es so recht – weil es nicht "aufregend" ist und weil es in mehrere Ressorts fällt. Leider ist das Ressort-Denken aus den meisten Redaktionen nicht rauszubekommen. Susanne Donner veröffentlicht ihre Artikel, die sie nicht loswird, bei den RiffReportern einfach selbst. Dafür kann man sie dort auch unterstützen – am Praktischsten im Artikel.
Sport? Gaaaaanz viel! Rauchen? Ich?
(Süddeutsche Zeitung, 3.12.2018)
„Unter Medizinern kursiert die Faustregel, dass sie die körperliche Aktivität halbieren und den Alkoholkonsum verdoppeln müssen, um auf halbwegs realistische Angaben zu kommen,“ schreibt Werner Bartens in der Süddeutschen Zeitung. Er erklärt, warum Patienten beim Arzt flunkern.
Wie der Patient vom Empfänger zum Mit-Akteur wird
(„Land der Gesundheit“ von Pfizer, 2018)
Professor Andréa Belliger versteht den modernen Patienten nicht nur, sie „predigt“ auf Konferenzen und in diesem Artikel immer auch die Macht der vernetzten Patienten (wie in unserer Community). Wer die Gelegenheit hat, einmal einen Vortrag von ihr zu erleben, sollte das unbedingt tun. Oder zum Beispiel diesen Mitschnitt bei YouTube ansehen.
Wer seinem Arzt treu bleibt, lebt sogar länger
(Süddeutsche Zeitung, 11.7.2018)
Okay, bei Schuppenflechte oder Psoriasis arthritis geht’s sehr, sehr, sehr selten um Leben und Tod. Doch Fakt ist, dass Psoriatiker häufiger den Hautarzt wechseln. Aber auch für alle anderen Gesundheitsprobleme lohnt es sich offensichtlich, einem Arzt treu zu bleiben.
"Bitte Ärzte, macht’s doch selbst, macht es besser – aber macht!"
(Psoriasis-Netz, 13.06.2016)
Unser Kommentar zum Thema
"Der gebildete Kranke"
(Süddeutsche Zeitung, 19.11.2014)
"Früher konnte man einfach nur krank sein, heute muss man ein mündiger Patient sein. Das kann auch sehr anstrengen", sagt Christina Berndt, Redakteurin bei der Süddeutschen Zeitung. Verständnis zeigtdie Psychologin Monika Dorfmüller: "Man kann lange über unseriöse Berichte aus dem Internet schimpfen - oder aber die Menschen dahinter sehen. Diejenigen, die unrealistischen Heilsversprechen aus dem Netz glauben, sind oft Schwerstkranke, die sich an einen Strohhalm klammern."
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