Mit Chlorophyll-Tropfen könne man Schuppenflechte mildern und der Gelenkbeteiligung vorbeugen – das wurde in einem Beitrag in unserem Forum behauptet. Normalerweise lassen wir solche Aussagen zu, so lange wir sie nicht für gefährlich halten. Lieber argumentieren wir als zu löschen. In diesem Fall aber haben wir den Beitrag entfernt, denn am Ende wurde für ein bestimmtes Produkt geworben.
Womit wir nicht gerechnet hatten: Der Beitrag war schon vor dem Löschen weit ins Internet vorgedrungen und weist seitdem enorme Zugriffszahlen auf. Statt einer Fehler-Seite hier die Fakten:
Chlorophyll-Tropfen wirken weder auf die Schuppenflechte noch auf die Psoriasis arthritis. Seit 2021 gibt es in den sozialen Medien weltweit einen Hype um Chlorophyll-Tropfen. Aufgelöst in Wasser, werden sie als Wundermittel angepriesen. Sie sollen vor allem gegen Hautprobleme wirken, aber auch gegen Krebs und Demenz.
Wer Chlorophyll nimmt, trinkt vielleicht einfach mehr Wasser
Die Wirkungen sind überhaupt nicht oder extrem schlecht belegt. Auf TikTok „bewies“ eine Influencerin, dass mit diesem grünen Wasser ihre Akne innerhalb einer Woche verschwunden war. Mehr als 17 Millionen Nutzer sahen sich ihre Videos an. Nur: Diese Vorstellung wurde weder von einem Arzt begleitet noch war nachprüfbar, was da tatsächlich gewirkt hat.
Eine Erklärung lieferte Hautärztin Dr. Azadeh Shirazi wiederum auf TikTok: Sie glaubt, dass die Hautbildverschönerung eher damit zu tun hat, dass die Influencer dank der grünen Tropfen mehr Wasser trinken als sonst.
Wer ausprobieren will, ob Chlorophyll einem gut tut, kann zum Beispiel Macapulver-Tee trinken. Der enthält Chlorophyll. Billiger und gesünder sind aber Smoothies aus Grünkohl, Spinat, Brokkoli, Petersilie oder Algen. Da stecken mehr gesunde Wirkstoffe drin als im reinen Chlorophyll – zum Beispiel Spurenelemente und sekundäre Pflanzenstoffe.
Chlorophyll gibt's auch anders
Wer trotzdem Chlorophyll-Tropfen nehmen will, sollte das vorher mit der Ärztin absprechen. Sie dürfen nicht überdosiert werden – das heißt: mehr als 60 Tropfen pro Tag sollten es nicht sein, weil sonst Unwohlsein und Magenschmerzen drohen; bei Asthma und Nesselfieber sind allergische Reaktionen möglich.
Wer die Tropfen im Internet kauft, muss genau prüfen, ob tatsächlich Qualitäts- und Rückstands-Kontrollen durchgeführt werden. Solche Produkte können erfahrungsgemäß Schadstoffe wie Schwermetalle oder Toxine enthalten.
Die Hautärztin Dr. Yael Adler riet in der Sendung "Chlorophyll: Das grüne Wundermittel aus der Natur" im Hessischen Rundfunk davon ab, aus der Vielzahl der pflanzlichen Wirkstoffe Chlorophyll isoliert in Form eines Nahrungs-Ergänzungsmittels einzusetzen. Stattdessen empfiehlt sie generell viel und unterschiedliches Gemüse zu essen („So bunt wie möglich“). Ihre Tipps:
- Tomatenmark mit einem Tropfen Öl (1-mal täglich) aktiviert anti-oxidativ wirkendes Lycopin.
- Möhrensaft, ein Glas täglich, pflegt die Haut und wirkt als Sonnenschutz.
- Ballaststoffe wirken entzündungshemmend, vor allem lösliche aus Akazienfasern, bitteren Salaten, Wurzelgemüse und leicht grünlichen Bananen
- Probiotische Lebensmittel wie unpasteurisiertes Sauerkraut, effektive Mikro-Organismen (Fermentationsgetränk ähnlich Brottrunk) oder Kimchi (Koreanischer fermentierter Kohl) für gesunde Darmbakterien.
- Nüsse, eine ganz oder halbe Handvoll pro Tag, verlängern das Leben bis zu zehn Jahre.
Tipp: Dr. Adler war bei uns in einer Video-Sprechstunde zu Gast. Sie berichtete dort auch über den Einfluss der Ernährung auf die Psoriasis. Ihr findet den Mitschnitt hier.
Ernährungsberaterin Yvonne Leonhardt aus Frankfurt wiederum erklärte in der Sendung, Chlorophyll-Tropfen würden auf der Haut nur dann entzündungshemmend wirken, wenn sie äußerlich aufgetragen werden.
Klingt logisch, ist aber zu stark vereinfacht
Der Forumsbeitrag ist ein Klassiker dafür, wie heutzutage medizinische Aussagen in Umlauf gebracht werden: Eine mehr oder weniger anonyme Schreiberin behauptet, durch längeres Suchen im Internet die Lösung für ein medizinisches Problem gefunden zu haben. Damit das logisch klingt, wird eine komplizierte Krankheit auf wenige, vereinfachte Ursachen zurückgeführt. In diesem Fall waren das Vitamin-Mangel und ungesunde Darmflora bei der Psoriasis, Viren und Bakterien bei Psoriasis arthritis. Chlorophyll-Tropfen würden genau diesen Mangel ausgleichen und seien damit ein natürliches Mittel gegen diese chronisch-entzündlichen Erkrankungen.
Hinweise auf seriöse Studien, die das belegen könnten, nennt sie nicht. Wir erfahren nicht, welche Qualifikationen sie hat, die ihre Aussagen glaubwürdig erscheinen lassen könnten. Es gibt keinen Hinweis, ob sie überhaupt selbst von einer der Erkrankungen betroffen ist, geschweige denn, ob sie die Chlorophyll-Tinktur bei sich selbst erfolgreich angewendet hat.
Dieser Beitrag hatte nur ein einziges Ziel: Auf dem Psoriasis-Netz verzweifelte Menschen dazu zu bewegen, genau das empfohlene Produkt zu kaufen. Aber die Nutzer des Psoriasis-Netzes haben es an der Haut, nicht am Kopf!
Mehr über Nahrungsergänzung bei Schuppenflechte und Psoriasis arthritis:
➜ Schuppenflechte und Ernährung: Erfahrungen von Experten
➜ Tipps: Was die "Ernährungs-Docs" bei Schuppenflechte und Psoriasis arthritis raten
➜ Forum: Fragen, TIpps und Erfahrungen von Betroffenen zur Ernährung
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