Ein Zettelkästchen gehört seit dem 1. Januar 2004 zur Grundausstattung jedes Psoriatikers: Jede Quittung für jede noch so kleine Zuzahlung sollte darin landen.
Die Gesundheitsreform von 2004 betraf vor allem die chronisch Kranken. Wichtigste Aufgabe für jeden einzelnen ist seither das Sammeln. Am besten schreibt sich der Kranke irgendwo groß hin, wie hoch das Bruttoeinkommen im Vorjahr war und wieviel ein Prozent davon sind. Dann heißt's rechnen, rechnen, rechnen.
Sobald die Zuzahlungen zusammen mehr als ein Prozent von diesem Jahreseinkommen ausmachen, ist der Gang zur Krankenkasse fällig. Ab dann ist der Kranke nämlich für den Rest des Jahres von Zuzahlungen befreit. Hoffen wir.
Ist Psoriasis eine "schwerwiegende chronische Erkrankung"?
Wer schon eine Bescheinigung für eine Befreiung hat, kann und muss sie jedes Jahr aufs Neue ab 1. Januar vergessen. Niemand wird vom Sammeln ausgenommen. Zwar hieß es in der "Reform", chronisch Kranke müssten von vornherein nur ein Prozent Zuzahlung leisten. Doch bis zum Start war nicht klar, wer als Chroniker galt. Der Bundesausschuss von Ärzten und Krankenkassen hatte ein Modell vorgeschlagen, bei dem der "gewöhnliche" Psoriatiker nur noch mit den Ohren schlackern konnte: Danach gilt als "schwerwiegend chronisch krank", wer mindestens zweimal im Quartal wegen seiner Krankheit zum Arzt geht und in den letzten zwei Jahren stationäre Krankenhaus-Aufenthalte nachweisen kann. Doch welcher Psoriatiker mit einem "normalen" Job, den er jederzeit verlieren kann, leistet es sich, alle zwei Jahre für mehrere Wochen zu fehlen?
Gesundheitsministerin Ulla Schmidt hatte damals früh signalisiert, dass sie der Empfehlung der Ärzte und Krankenkassen nicht folgt – und ohne ihr "Ja" wurde das Gesetz (zum Glück) nicht Gesetz. "Schon jetzt ist klar, dass diese Richtlinie so nicht in Kraft treten wird", schrieb das Bundesgesundheitsministerium zuvor auf die Fragen des Psoriasis-Netzes. "Chronisch schwerkranke Menschen können sicher sein, dass sie im Kalenderjahr von weiteren Zuzahlungen befreit werden, wenn sie ein Prozent des Bruttoeinkommens an Zuzahlungen erreicht haben."
Axel Wunsch, Pressesprecher der Barmer-Ersatzkasse, erklärte noch etwas: "Der Bundesausschuss muss noch klären, ob die Ein-Prozent-Regelung nur für den chronisch Kranken selbst oder den gesamten Familienverbund - also für im Haushalt lebende berücksichtigungsfähige Angehörige – gilt."
Zuzahlungen im Krankenhaus, bei Reha-Leistungen oder Hilfsmitteln zählen ebenfalls in die Ein-Prozent-Rechnung.
Das Gesundheitsministerium hatte eine Internetseite zur "Reform" ins Netz gestellt. Auch am Telefon konnte jeder kostenlos seine Fragen loswerden – doch die "Reform" fand anscheinend nicht freitags statt, dann nämlich ging niemand ans Service-Telefon.
Selbstbewusste Patienten können von ihrem Arzt zudem eine Quittung verlangen und nachsehen, was er mit der Krankenkasse abrechnet. Da die Ärzte jedoch nicht dazu verpflichtet sind, die Quittungen von selbst herauszugeben, könnten sie eine solche Bitte auch als Misstrauen auffassen.
Vorteile der "Reform"
Ein Vorteil ergab sich übrigens denn doch aus der Gesundheitsreform: Krankenhäuser dürfen seither ihre Leistungen künftig auch ambulant anbieten. So kann der Psoriatiker Angebote in Universitäts- oder Reha-Kliniken nutzen, für die er bisher auf Station "einfahren" und krankgeschrieben werden musste.
Außerdem muss sich jeder, der im Gesundheitswesen arbeitet, weiterbilden. Ein Arzt muss Fortbildungen besuchen, weil er sonst weniger verdient. Nur die Zahl der Hauterkrankungen wird nicht abnehmen - und so können sich die Fortbildungen nicht immer um Psoriasis drehen.
Medizinische Versorgungszentren mit Ärzte aus verschiedenen Fachrichtungen sollen zugelassen werden. Das könnte für den Psoriatiker interessant werden, weil Hautarzt und Rheumatologe die Röntgen- und Blutwerte oder Medikamenten-Wechselwirkungen ihrer Patienten dann eher vergleichen können, weil die Wege kurz sind.
Krankenkassen können chronisch Kranke mit Bonus-Programmen "belohnen": Wenn die Patienten an diesen Programmen teilnehmen, werden sie nicht nur spezieller betreut, lernen sie nicht nur etwas - nein, sie können auch Geld sparen. Die AOK plant kein Programm eigens für Psoriatiker. Doch die Schuppenflechte ist ja meist nicht die einzige Krankheit, die man hat. Für Diabetiker beispielsweise sind nicht nur bei der AOK Programme im Angebot.
Axel Wunsch von der Barmer sagt deutlich: "Wir können uns durchaus vorstellen, in Zukunft auch Patienten mit Psoriasis die innovative Form der integrierten Versorgung anzubieten." Ansonsten gibt es von der Barmer ein "Fünf-Sterne-Programm", wo vor allem jene belohnt werden, die an Gesundheitskursen oder Früherkennungs-Untersuchungen teilnehmen. Damit sammeln die Versicherten Punkte, die sie - wenn genug zusammengekommen sind - in Sachprämien umwandeln können.
Zuzahlung für Medikamente und Heilmittel
Grundsätzlich sollen Patienten bei allen Leistungen durchschnittlich zehn Prozent zuzahlen - mindestens aber fünf und höchstens zehn Euro pro Medikament. Das heißt: Für Medikamente, die bis zu 50 Euro kosten, muss man dann pauschal fünf Euro zuzahlen. Bei Preisen von 50 bis 100 Euro müssen zehn Prozent der Kosten übernommen werden. Kostet ein Medikament 75 Euro, werden 7,50 Euro fällig. Liegt der Arzneimittelpreis über 100 Euro, ist die Zuzahlung auf zehn Euro begrenzt.
Dieselbe Zuzahlungsregel gilt grundsätzlich auch für Hilfsmittel wie Hörgeräte oder Rollstuhl. Ausnahme: Hilfsmittel, die zum Verbrauch bestimmt sind. Dazu gehören auch Ernährungssonden oder Windeln bei Inkontinenz. Dabei muss der Patient zehn Prozent je Verbrauchseinheit draufzahlen, aber maximal zehn Euro pro Monat.
Zehn Euro müssen Patienten auch pro Tag im Krankenhaus zuzahlen - allerdings für maximal 28 Tage im Jahr. Die gleiche Summe wird täglich bei stationärer Vorsorge und Rehabilitation fällig. Bei Anschlussbehandlungen gilt wiederum die Grenze von 28 Tagen.
Fahrtkosten zur ambulanten Versorgung werden mit wenigen Ausnahmen nicht mehr erstattet.
Problemfall Pflegesalben
Prinzipiell muss sich der Psoriatiker seine Pflegesalben künftig selbst kaufen - und die verbrauchen sich bei den meisten Psoriatikern sehr schnell. Auf Rezept gibt es die Pflegesalben nur, wenn sie in eine Ausnahme-Liste der Arzneimittel-Richtlinien nach Pragraph 34 des Sozialgesetzbuches V aufgenommen wurden.
Obendrein zählen alle Pflegesalben und alle Medikamente, die man selbst kauft, nicht in die Ein-Prozent-Zuzahlung-Rechnung. "Der Gesetzgeber wollte, dass der Versicherte diese Arzneimittel selber trägt", so Udo Barske, Pressesprecher des AOK-Bundesverbandes. Auch Axel Wunsch von der Barmer bestätigt, dass die Pflegesalben - wenn der Bundesausschuss sie nicht auf die Ausnahme-Liste setzt - zum einen vollständig selbst bezahlt werden müssen und dann auch nicht in die Zuzahlungs-Summe gerechnet werden können.
Wer nun denkt, "meine Salbe wird sowieso vom Apotheker angerührt", ist nicht auf der sicheren Seite: "Für sogenannte Rezepturarzneimittel gelten dieselben Kriterien wie für Arzneimittel in Fertigpackungen", erklärt Udo Barske. "Es kommt also auf die angerührte Salbe im Einzelfall an."
Das Bundesgesundheitsministerium meint: "Nicht verschreibungspflichtige Medikamente sollen bei schwerwiegenden Erkrankungen weiter erstattet werden, wenn sie zum Therapiestandard gehören. Dazu wird die Selbstverwaltung einen Katalog erstellen. Nach dem gegenwärtigen Stand ist davon auszugehen, dass die notwendigen Medikamente auch für die Psoriasis-Behandlung weiterhin von den Krankenkassen übernommen werden."
Praxisgebühr
Jeder Besuch bei einem Facharzt - also beim Hautarzt oder Rheumatologen - kostete 10 Euro im Quartal, zu bezahlen waren sie beim jeweiligen Arzt. Umgehen ließ sich das, wenn man erst zum Hausarzt lief und dort Überweisungen abholte. Oder: Überwies der Hautarzt an den Rheumatologen (oder umgekehrt), kostete es nicht noch einmal extra. Sprich: Jeder musste sich aussuchen, welchen Arzt er zu seinem Hauptarzt erklärt. Der musste ihn dann zu den Fachärzten überweisen.
Inzwischen ist die Praxisgebühr schon wieder Geschichte.
Das Gesundheitsministerium beschied gegenüber dem Psoriasis-Netz: "Ein Ziel des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes ist es, die Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe zu verbessern. Ein Patient ist gut beraten, sich einen Hausarzt zu wählen, der an notwendige Fachärzte überweisen kann. Suchen Patienten erstmalig im Quartal einen Hautarzt auf, können diese notwendige weitere Überweisungen vornehmen."
Wie berechnet sich die Zuzahlungsgrenze?
Sozialhilfeempfänger dürfen nicht mit mehr als zwei Prozent des Regelsatzes belastet werden. Bei der derzeitigen Rechtslage müssten sie nur Kosten bis etwa 70 Euro im Jahr übernehmen.
Die Obergrenze von Familien kann durch extra Freibeträge gedrückt werden. Pro Kind können 3.648 Euro vom Nominaleinkommen abgezogen werden, für einen nicht erwerbstätigen Ehepartner noch einmal 4347 Euro.
Grobe Richtlinie bleibt das Vorjahreseinkommen, wovon ein Prozent für die Gesundheit aufgewendet werden müssen – vorausgesetzt eben, die Psoriasis wird als chronische Krankheit anerkannt.
Quellen: taz (9.12.03), AP, dpa, Bundesgesundheitsministerium, AOK-Bundesverband, Barmer Ersatzkasse
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