Im September 2023 fand die „13. Nationale Konferenz zur Versorgung der Psoriasis“ in Hamburg statt. Dabei ziehen Dermatologen, Vertreter der Pharmaindustrie und der Selbsthilfe Bilanz, wie und mit welchen Maßnahmen Psoriasis-Betroffene in Deutschland versorgt werden. Vor allem aber erfährt man aktuelle Zahlen und Zusammenhänge. Und deshalb waren wir online dabei.
Die für uns interessantesten Erkenntnisse:
- Mehr als die Hälfte der innerlichen Medikamente, die gegen Schuppenflechte verschrieben werden, sind immer noch Kortison-Präparate. Die bekommen Patienten vor allem von Ärzten, die keine Dermatologen sind. Betroffene riskieren damit langfristige Schäden, die es mit spezialisierten Psoriasis-Medikamenten nicht gäbe.
- Die Chance, ein Biologikum verschrieben zu bekommen und damit medizinisch angemessen behandelt zu werden, ist im Norden Deutschlands bis zu 8-mal größer als im Süden.
- Erfahrene Dermatologen können Psoriasis Arthritis (PsA) unter Umständen schneller erkennen und besser behandeln als Rheumatologen. Die sind meist schwerer erreichbar und sollen seltener das gesamte Spektrum an PsA-Biologika nutzen.
- Es gibt ein Register für Betroffene mit pustulöser Psoriasis (PP Best). Darin soll erfasst werden, wie innerliche Medikamente langfristig wirken und welche Nebenwirkungen auftreten.
- Betroffene mit einer schubweise auftretenden generalisierten pustulösen Psoriasis können das Medikament Spevigo grundsätzlich weiterhin über eine internationale Apotheke beziehen. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten dafür aber nur dann, wenn das vorher beantragt und gut begründet wurde.
Innerliche Kortisone weiterhin vorn
Viele Ergebnisse der 12. Versorgungskonferenz in 2021 gelten auch weiterhin. So wurden in 2022 wieder mehr innerliche Glukokortikosteroide (220.000) gegen Schuppenflechte verordnet als kortisonfreie Präparate (200.000). Diese Verschreibungen verstoßen eindeutig gegen die „zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards“, wie es im § 630a StGB heißt. In den Psoriasis-Leitlinien sind innerliche Kortisionpräparate zur Therapie der Schuppenflechte nicht vorgesehen und gelten als nicht geeignet. (Weiteres unter „Verschreibungen: Kortison und MTX am häufigsten“.)
Es sind überwiegend Nicht-Dermatologen, die so therapieren. Auf der Konferenz wurde offen angesprochen, dass es auch Hautärzte gibt, die sich nicht ausreichend weiterbilden. Professor Mrowietz verwies darauf, dass Psoriasis-Symposien inzwischen schlecht besucht seien. Man würde viele Kollegen mit diesem Thema nicht mehr erreichen. Ihre Therapieangebote enden dann bei „MTX + irgendetwas“. Nur 30 bis 40 Prozent verordnen überhaupt Biologika.
Den betroffenen Patienten kann nur geraten werden, den Arzt zu wechseln, wenn sie nicht nach aktuellem medizinischem Standard behandelt werden.
Biologika-Verschreibungen weiterhin wohnortabhängig
In Deutschland werden inzwischen 94.000 Patienten mit einem innerlich wirkenden (systemischen) Mittel behandelt. Vor allem Biologika werden immer häufiger verschrieben.
Weiterhin gibt es aber eine „Nord-Süd-Schere“, die aussagt, wie hoch die Chance ist, als Psoriasis-Patient sachgemäß versorgt zu werden. Dem Marketing-Slogan des Bundeslands „MV tut gut“ können auch Psoriasis-Erkrankte zustimmen. Dagegen müssen Betroffene in BaWü weiterhin darunter leiden, dass es dort unter den Hautärzten heißt: „Wir können alles. Außer Biologika“. Es gab Zeiten, da waren die Badener bekannt für ihren Widerstandsgeist. Sollten sie sich jetzt nicht auch gegen „altmodische“ Behandlungsmethoden wehren?
Mit PsA zum Rheumatologen oder zum Dermatologen?
Professor Mrowietz empfiehlt Patienten, die eine Psoriasis Arthritis (PsA) feststellen und behandeln lassen wollen, zu einer erfahrenen Hautärztin oder einem Hautarzt zu gehen. Denn bei denen bekommt man meist schneller einen Termin als beim Rheumatologen. Und schnell muss es gehen, sollte eine PsA vorliegen, weil man sie so früh wie möglich therapieren muss. Schon nach zwei bis vier Jahren entwickelt ein bedeutender Teil der Patienten Schädigungen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Inzwischen sind viele Dermatologen darin geschult, eine PsA zu erkennen.
Außerdem würde in der Dermatologie eine PsA zur Zeit wirksamer behandelt werden, so Prof. Mrowietz. Untersuchungen haben gezeigt, dass Rheumatologen seltener Haut-Betroffene sehen würden. Deshalb setzten sie vorrangig TNF-alpha-Blocker (Infliximab, Certolizumab, Adalimumab, Etanercept, ) ein. Die sind aber bei der Haut-Psoriasis nicht besonders wirkungsvoll. Dermatologen würden dagegen die neueren IL-17 und IL-23-Hemmer einsetzen, die besser auf Haut und Gelenke wirken.
Dagegen wäre einzuwenden, dass Rheumatologen, die sich bei ihrer Therapie an das GRAPPA-Behandlungsschema 2021 halten, sehr wohl das gesamte Spektrum an PsA-Biologika im Blick haben. Letztendlich kommt es auch bei Diagnose und Therapie der PsA vor allem darauf an, ob der behandelnde Arzt auf dem aktuellen Stand des medizinischen Wissens ist.
Eigenes Register für pustulöse Psoriasis
Bei "PP Best" sollen Daten gesammelt werden, wie Betroffen mit einer pustulösen Psoriasis (PP) oder einer generalisierten pustulösen Psoriasis (GPP) behandelt werden. Solche Register dienen dazu, vor allem die langfristigen Wirkungen und Nebenwirkungen zu erfassen. (Siehe: "Psoriasis-Register – Sicherheit im Blick")
Die Betroffenen können zur Zeit nur mit Medikamenten behandelt werden, die nicht für ihre Erkrankung zugelassen sind („off-label-use“). Denn aktuell gibt es für beide Krankheitsbilder kein zugelassenes Medikament in Deutschland. Alle hatten auf den IL-36-Hemmer Spevigo (Wirkstoffname Spesolimab) gehofft. Der ist für die schubweise auftretende GPP zugelassen. Das Präparat wurde aber Ende August 2023 vom deutschen Markt genommen worden.
Trotzdem haben sich einige Behandlungszentren entschlossen, für diese relativ kleine Patientengruppe ein eigenes Register einzurichten. Denn die pustulösen Formen sind bisher schwer zu behandeln, so dass es sinnvoll ist, so viel Daten wie möglich zu sammeln und auszutauschen. Patienten, die an einer pustulöse Psoriasis oder einer generalisierten pustulösen Psoriasis erkrankt sind, sollten ihre Ärztin oder ihren Arzt auf dieses Register aufmerksam machen.
Spevigo weiterhin für deutsche Patienten verfügbar?
Es ist nicht bekannt, wie viel Patienten seit der Zulassung mit Spevigo behandelt worden sind. Aber es werden nur sehr wenige sein. Grundsätzlich ist es möglich, dass sie das Präparat über eine internationale Apotheke aus dem Ausland beziehen dürfen. Das ist im § 73 Abs.3 Arzneimittelgesetz geregelt. Das gilt auch für Medikamente, die vom deutschen Markt genommen wurden, weil ihnen kein Zusatznutzen zugesprochen wurde. In Vergleichsfällen konnten Patienten die aus dem Ausland erhalten. Vorausgesetzt, es gibt in „Deutschland für die Erkrankung kein vergleichbares Arzneimittel in Bezug auf Wirkstoff und Wirkstärke.“
Betroffene müssten bei ihrer Krankenkasse „rechtzeitig“ eine Kostenübernahme beantragen. Den Zeitpunkt sollte man mit dem Arzt absprechen, denn der ist abhängig davon, wann ein nächster Schub kommen könnte. Außerdem sollte man mit der Kasse klären, wie lange es dauert, bis der Antrag entschieden wird. Lehnt die Kasse ab, kann man sachlich begründet widersprechen. Wesentliche Widerspruchsgründe sind, dass innerliche Gluko-Kortikosteroide keine „vergleichbaren Arzneimittel“ und nicht für die GPP zugelassen sind und dass sie darüberhinaus schwere Langzeitschäden verursachen können.
Auf der Konferenz wurde Kliniken geraten, sich einen Vorrat anzulegen, um die Versorgung zu sichern.
Was uns außerdem auffiel
- Das weit verbreitete Verordnungsprinzip „Das wirksamste Präparat bis zum Schluss aufzuheben“ ist bei der Psoriasis-Therapie unangemessen. Es verlängert unnötig das Leid der Betroffenen. Darüber war man sich auf einem internationalen Think Tank auf den Faröer Inseln einig, wie Professor Mrowietz berichtete. Abhängig vom Schweregrad wäre es falsch, zuerst mit bekannt schwach wirksamen Therapien zu behandeln. Dazu zählen UV-Bestrahlung, MTX, Fumarate und innerliche Steriode. In vielen Fällen müsse sofort mit hoch wirksamen Präparaten eingestiegen werden.
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Die deutsche Dermatologie wird sich weiter vernetzen:
- Aus regionalen Psoriasis-Netzen werden krankheitsübergreifende Haut-oder Entzündungs-Netze.
- Die erste „Nationale Versorgungskonferenz Haut“ des neu gegründeten Hautnetz Deutschland e.V. wird am 27.10.2023 in Berlin stattfinden.
- Aus dem „PsoNet-Magazin" soll langfristig ein „Hautnetz-Magazin“ werden.
- Die Leitlinien zur Behandlung der Psoriasis müssen überarbeitet werden. Dafür werden dringend Hautärztinnen und Hautärzte gesucht, die keine oder nur geringe Beziehungen zur Pharmaindustrie haben („Interessenkonflikte“). Das erklärte Prof. Dr. Alexander Nast, Leitlinienbeauftragter der DDG. In der Vergangenheit mussten viele erfahrene Mitarbeiter aus dem Gremium ausscheiden, weil sie zu eng mit den Arzneimittelherstellern verbunden waren. Es wird schwer werden, in der deutschen Dermatologie industrie-unabhängige Wissenschaftler zu finden.
Über die Nationale Versorgungskonferenz Psoriasis
Das Treffen wird organisiert von den Ärzteverbänden BVDD, DDG, von PsoBest und CVderm sowie dem Patientenverband Deutscher Psoriasis-Bund. Teilnehmer sind Hautärzte, Fachleute aus der Pharmaindustrie und Patientenvertreter. Dieses Treffen gibt es seit 2009.
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