Der Deutsche Psoriasis-Bund (DPB) und der Biologic-Hersteller Merck-Serono haben am 29. Oktober 2007 erstmals einen Journalistenpreis für den besten Artikel zum Thema "Schuppenflechte" überreicht. Preisträgerin war die dpa-Redakteurin Annika Graf. Sie erhielt für ihren Artikel 3000 Euro – gestiftet vom Hersteller des Psoriasis-Medikaments Raptiva. Ist das eine ernstzunehmende Auszeichnung oder lediglich eine PR-Aktion?
Der Fakt
Aus neun eingereichten Artikeln wurde als bester ausgewählt: "Salz und Sonne: Die 'eine' Therapie der Schuppenflechte gibt es nicht" von Annika Graf (dpa-Themen-Redaktion). Nach Meinung der Jury stelle dieser Artikel eine "herausragende journalistische Leistung" dar, von der eine "starke Signalwirkung" ausgehen würde.
Der Preis solle dazu beizutragen, "Schuppenflechte zu enttabuisieren, die Öffentlichkeit über diese chronische Krankheit aufzuklären und der Ausgrenzung der Kranken entgegen zu wirken" – so die Vertreter der Pharmafirma und des Deutschen Psoriasis-Bundes bei der Übergabe der Urkunde.
Unser Kommentar
Oberflächlichkeit vorprogrammiert
Viele Psoriatiker erfahren, dass sie im öffentlichen Leben gemieden werden: Da ekeln sich Menschen vor einem, Hautkontakte werden vermieden – aus Angst, sich anzustecken, oder es fallen gehässige Bemerkungen. Deshalb ist es zu begrüßen, wenn Journalisten aufklärende Artikel über Psoriasis für eine breite Leserschaft schreiben. In dem Artikel wird aber überwiegend darüber berichtet, wie die Schuppenflechte behandelt werden kann.
Gehört das wirklich in eine Tageszeitung oder in eine Wochenzeitschrift? Selbst seriöse Versuche werden daran scheitern, dass man aus Platzgründen oberflächlich bleiben muss. Da sind Fachbücher für Betroffene, Patientenzeitschriften, Internetportale und nicht zuletzt die Hautärzte und Rheumatologen sicherlich angemessene Informationsquellen.
Unklar ist, in welchen Zeitungen der dpa-Artikel tatsächlich erschienen ist und ob er wirklich ein breites Publikum erreicht hat.
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Fehlende Neutralität
Der Artikel war nicht neutral. Die Preisverleiher – DPB und Merck-Serono – profitierten vom Inhalt: Die zitierte Patientin war eine langjährige Funktionärin des DPB. Das wird im Artikel werbewirksam erwähnt. Andere Psoriasis-Initiativen kommen nicht vor.
Korrekt steht anfangs im Artikel, dass die Krankheit nicht heilbar sei. Aber das Fazit am Ende des Artikels lautet: "Da haben Biologics wirklich geholfen". Ist das die preisgekrönte Signalwirkung an die Psoriasis-Kranken? Merck-Serono stellte damals das Biologikum Raptiva her. Die Werbung dafür lautete in 2004: "Es gibt Hilfe!".
Der Artikel ist oberflächlich und enthält grobe Vereinfachungen.
- Vereinfacht wird behauptet, die Psoriasis würde "häufig" durch eine Infektion ausbrechen. Das aber ist nur einer von sehr vielen ebenso häufigen Auslösern.
- Die Autorin spricht von "Schuppenflechten" in der Mehrzahl, also ob wir Psoriatiker gleich mehrmals erkrankt seien.
- Der Ausdruck "Kampf gegen die Krankheit" weist in eine völlig falsche Richtung: Psoriasis ist nicht zu bekämpfen, weil sie chronisch ist. Nur, wer seinen Frieden mit ihr schließt und alles unternimmt, um lange erscheinungsfrei zu bleiben, kann seine Krankheit bewältigen.
- Frau Bieber berichtet, dass sie offen mit anderen Leuten über ihre Krankheit spricht. Wie aber schaffen das diejenigen, die sich das nicht trauen?
- Nagel-Veränderungen werden in nur einem Satz als "Grübchen" verharmlost.
- Die knappe und unvollständige Aufzählung von äußerlichen und inneren Therapien gibt keinen Hinweis darauf, wann was sinnvoll eingesetzt wird.
- Den Begriff "Derivat" für ein Medikament wird ein normaler Zeitungsleser nicht einordnen können.
- Der Wirkstoff "Anthralin" wird üblicherweise als "Dithranol" bezeichnet.
- Psoriasis arthritis (PsA) wird nicht als gefährliche Erkrankung der Gelenke und Weichteile beschrieben.
- Die Aussage, eine Gelenk-Psoriasis tritt zehn Jahre nach den Hauterscheinungen auf, ist zu absolut. Das ist nicht immer so.
- Die Botschaft, es gäbe "ganz neue Hoffnungen", unterschlägt, dass auch die Biologics nicht bei allen helfen.
Leicht durchschaubare PR-Aktion
Das ist kein Artikel, in dem ein breites Publikum, das heißt eine nicht betroffene Öffentlichkeit, über Psoriasis aufgeklärt wird. Dann hätte viel mehr beschrieben werden müssen, wie Psoriatiker von manchen Mitmenschen behandelt werden, wie sie sich dabei fühlen und welches die gängigen Vorurteile über diese (und andere) Hautkrankheiten sind.
Der Artikel ist in engster Zusammenarbeit mit einem der Preisverleiher entstanden. Alle zitierten Ärzte arbeiten eng mit dem DPB zusammen. Es fehlt die sachliche Distanz des Preisträgers zum Preisverleiher.
Dieser Journalistenpreis ist kein Qualitätssiegel, sondern eine leicht durchschaubare PR-Aktion. Es ist nicht zu erwarten, dass kritische Journalisten jemals die Chance haben, diesen Preis zu bekommen.
Zum Thema Pharmaindustrie und Gefälligkeits-Journalismus empfehle ich: Big Pharma is watching you von Karen Dente, DIE ZEIT Nr. 15 vom 06.04.06.
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