Über Schuppenflechte (Psoriasis) ist die Öffentlichkeit in den vergangenen Jahren ausführlich informiert worden. Trotzdem reicht das nicht aus, um Betroffene davor zu bewahren, von ihrer Umwelt abgelehnt zu werden. Das zeigt eine im Frühjahr und Sommer 2020 durchgeführte Fragebogen-Aktion: Viele Menschen mit einer sichtbaren Hauterkrankung wie der Psoriasis sind nach wie vor abfälligen Blicken und abwertenden Bemerkungen ausgesetzt. Besonders hart trifft es sie, wenn sie von anderen gemieden und ausgegrenzt werden. Und es sind nicht immer nur die anderen: Wer sich in seiner Haut unwohl fühlt, vermeidet es oft, unter Leute zu gehen und grenzt sich damit selbst aus. Die Expertinnen und Experten sprechen von „Stigmatisierung“ und „Selbst-Stigmatisierung“.
Ergebnis und Ziel der Befragung
Die Befragten erlebten solche Situationen vorrangig beim Sport, vor allem im Schwimmbad, oft auch in der Schule und im Alltag. Auffällig ist, dass sich nicht wenige auch in Hautarztpraxen abschätzig behandelt fühlten. Es wäre eine gesonderte Befragung wert, zu überprüfen, wie häufig und in welcher Form das tatsächlich vorkommt.
Die meisten Befragten leiden unter den Blicken und Bemerkungen; manche sind darüber eher wütend. Die wenigsten versuchen, ihre Mitmenschen auf ihr Verhalten anzusprechen. Einige Betroffene quälten sich ihr Leben lang wegen der Reaktionen ihrer Mitmenschen. Es war ihnen nicht mehr möglich, so zu leben, wie sie es gerne gewollt hätten. Solche Fälle wurden eindrucksvoll von den Befragten geschildert.
Mit der Umfrage sollten typische Situationen bekannt werden, in denen Betroffene wegen ihrer Psoriasis abgelehnt werden. Es wurde gefragt, was sie dabei empfinden und wie sie damit umgehen. Aus den Antworten sollen Ideen entwickelt werden, um etwas gegen solche Stigmatisierungen zu tun. Gleichzeitig sollten die Betroffenen aber auch selbst gestärkt werden, damit sie lernen, mit Vorurteilen ihrer Umwelt besser umzugehen.
Die Befragung wurde vom Deutschen Psoriasis Bund e.V. (DPB) und unserem Portal Psoriasis-Netz durchgeführt. An der anonymen Befragung nahmen insgesamt 630 Personen teil. Der Fragebogen konnte im Internet ausgefüllt werden und wurde auch über die Mitgliederzeitschrift „PSO Magazin“ des DPB verbreitet. Die Idee zu der Umfrage entstand im Rahmen eines Projektes, an dem beide Patienten-Initiativen mitarbeiten. In dem Projekt geht es darum, Konzepte zu entwickeln, um einzelnen Berufsgruppen das Problem der Stigmatisierung von Hauterkrankten bewusst zu machen.
Einzelergebnisse
Viele fühlen sich häufig abgelehnt
Neun von zehn Befragten (87,1 Prozent) haben aufgrund ihrer Psoriasis schon abfällige Blicke oder sogar abwertende Bemerkungen erlebt. Über drei Viertel der Befragten (77,4 Prozent) erfuhren diese Art der Ablehnung bis zu viermal jährlich – knapp die Hälfte davon (37,5 Prozent) erlebte das sogar noch häufiger. Nur einer von zehn Befragten (12,9 Prozent) gibt an, noch nie eine solche ablehnende Erfahrung gemacht zu haben.
Über die Hälfte der Befragten (55,8 Prozent) gibt an, wegen der Psoriasis schon mal von anderen Menschen gemieden oder sogar ausgegrenzt worden zu sein. Über ein Drittel der Befragten (36,0 Prozent) erlebte diese ganz direkte Art der Ablehnung schon öfter: Bei jeder Vierten bzw. jedem Vierten (26,1 Prozent) kam dies bis zu viermal jährlich und bei jeder Zehnten bzw. jedem Zehnten (9,9 Prozent) sogar noch häufiger vor.
Am meisten im Sport, Alltag, Beruf und in der Schule
Sowohl abfällige Blicke und abwertende Bemerkungen als auch Erfahrungen mit Meidung und Ausgrenzung erfuhren die meisten der Befragten (62,2 bzw. 57,0 Prozent) in ihrer Freizeit – zum Beispiel beim Sport, in der Sauna und vor allem im Schwimmbad.
Doch auch im Alltag – beispielsweise beim Gang über die Straße, beim Einkaufen und bei der Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln – sah sich mehr als die Hälfte der Befragten (55,8 Prozent) schon mit abfälligen Blicken und abwertenden Bemerkungen konfrontiert.
Mehr als jede Dritte bzw. jeder Dritte (35,9 Prozent) wurde in diesen Alltagssituationen auch schon gemieden oder ausgegrenzt. Allerdings gibt etwa ein Zehntel der Befragten (10,0 Prozent) auch einschränkend an, dass die Meidung und Ausgrenzung von ihm selbst ausgeht (Selbst-Stigmatisierung), wie auch die beiden folgenden Zitate verdeutlichen:
Von mir selbst. Die Ausgrenzung ist in meinem Kopf.
Eher eine Selbstausgrenzung.
Ein weiterer Ort, an dem abfällige Blicke und abwertende Bemerkungen wie auch Meidung und Ausgrenzung besonders häufig vorkommen, ist die Arbeits- oder Ausbildungsstelle. Etwa die Hälfte der Befragten (54,9 bzw. 48,6 Prozent) erinnert sich nicht nur an negative Erfahrungen im Arbeits- und Berufsleben, sondern auch auf dem Lebensweg dahin – in der Schule, während der Ausbildung oder des Studiums.
Es stört, macht traurig und unsicher – aber häufig auch wütend
Dass all diese negativen Erfahrungen mit abfälligen Blicken und abwertenden Bemerkungen sowie mit direkter Meidung und Ausgrenzung nicht spurlos an den Menschen mit Psoriasis vorbeigehen, liegt auf der Hand: Nur 7,6 bzw. 5,0 Prozent der Befragten geben an, dass es sie nicht stört.
Dies drückt sich auch in den Beschreibungen aus, die Befragte dazu abgeben:
Ich schäme mich.
Es kostet viel Kraft und bereitet viel Leid.
Es nervt, immer zu erklären.
Depressionen.
Es lässt mich hilflos zurück.
Ich möchte im Boden versinken.
Wertlos, unnütz, als sei ich kein Mensch.
Die eine schweigen, die anderen sprechen es an
Es wurde auch danach gefragt, wie die Menschen mit Psoriasis überwiegend reagieren, wenn sie wegen ihrer Erkrankung abfällige Blicke und abwertende Bemerkungen erfahren oder Meidung und Ausgrenzung erleben. Dabei sind zwei Reaktionstypen erkennbar:
- Über zwei Drittel (68,9 bzw. 73,3 Prozent) der Befragten schweigen in dieser Situation und gehen nicht in die Konfrontation bzw. das Gespräch mit ihrem Gegenüber: Während das eine Drittel (40,8 bzw. 35,1 Prozent) versucht, die Blicke und Bemerkungen oder das meidende und ausgrenzende Verhalten zu ignorieren, versucht das andere Drittel (28,1 bzw. 38,2 Prozent), sich der unangenehmen Situation komplett zu entziehen.
- Nur weniger als ein Drittel der Befragten (31,1 bzw. 26,7 Prozent) sucht das Gespräch mit dem Gegenüber – dies hängt jedoch auch stark von der eigenen Tagesform ab. Immerhin haben einige der Befragten (9,1 bzw. 4,9 Prozent) hierfür sogar immer einen lockeren Spruch auf Lager.
Viele vermeiden den Kontakt zu anderen Menschen
Diese negativen Erfahrungen mit abfälligen Blicken und abwertenden Bemerkungen, mit Meidung und Ausgrenzung bleiben für die an Psoriasis erkrankten Menschen nicht ohne Folgen. Viele der Befragten schränken sich selbst in ihren sozialen Kontakten ein:
- Die Hälfte der Befragten (49,8 Prozent) gibt an, wegen der Erkrankung manchmal (38,4 Prozent) oder sogar meistens (11,4 Prozent) den Kontakt zu anderen Menschen zu vermeiden.
- Nur etwa ein Drittel der Befragten (35,0 Prozent) vermeidet aufgrund der Erkrankung nicht den Kontakt zu anderen Menschen – und lediglich 15,2 Prozent der Befragten umgeben sich nur mit Menschen, die offensichtlich kein Problem mit der Psoriasis haben.
Was ist zu tun?
Am Ende des Fragebogens konnten die Befragten angeben, was ihnen zu dem Thema „Ablehnung wegen Schuppenflechte (Psoriasis)“ noch besonders wichtig ist.
Weit über ein Drittel der Befragten (43,2 Prozent) wünscht sich, dass die Öffentlichkeit über die Erkrankung Psoriasis besser aufgeklärt wird. Dadurch könne der Ablehnung und Stigmatisierung entgegengewirkt werden.
Hingegen finden 15,3 Prozent der Befragten, dass es am wirkungsvollsten sei, möglichst erscheinungsfrei zu werden. Denn es seien die Hautsymptome, die ablehnendes Verhalten verursachen würden. Das sei durch gute Therapien und therapiebegleitende Maßnahmen wie Hautpflege, stressarmes Leben und gesunde Ernährung zu erreichen.
Ein Drittel der Befragten (32,8 Prozent) äußert den Wunsch, besser und vor allem selbstsicherer auf Ablehnung reagieren zu können.
Weshalb es so schwer sei, sich gegen Stigmatisierung und Mobbing wehren zu können, führen 16,4 Prozent der Befragten näher aus. Ihr Selbstbewusstsein sei durch die Psoriasis erheblich beeinträchtigt. Denn sie würden sich hässlich, unverstanden, einsam oder abgelehnt fühlen. Sie seien unglücklich, hoffnungslos, psychisch angeschlagen oder sogar depressiv. Sie würden sich vor sich selbst ekeln, vor anderen schämen, hätten Angst vor Berührungen oder Probleme in Beziehungen – bis hin zu sexuellen Schwierigkeiten.
Dies bestätigt, dass der Kontakt zu anderen Menschen mitunter systematisch vermieden wird: 8,7 Prozent der Befragten berichten, sie würden sich nicht in Situationen begeben, in denen ihre erkrankte Haut zu sehen ist – zum Beispiel beim Schwimmen, Sonnen, Tragen von Sommerbekleidung, Sport, Einkauf von Kleidung und Händeschütteln.
Es gibt aber auch gegenteilige Berichte. Einige der Befragten haben gute Erfahrungen damit gemacht, offen mit ihrer Erkrankung umzugehen:
„Ich habe oft (…) mit Mobbing leben müssen, aber tatsächlich sind die meisten Menschen offener und zugänglicher, sobald sie wissen, welche Krankheit du hast.“
Ich werde regelmäßig darauf angesprochen, was das für Stellen sind. Und wenn man die Leute korrekt aufklärt, habe ich noch nie erlebt, dass ich ausgegrenzt oder gemieden wurde.
Die Krankheit erklärend sichtbar machen. Wer Bescheid weiß, hat Verständnis.
Viele der Befragten haben das Gefühl, dass ihre Psoriasis nicht wirkungsvoll behandelt wird. Denn obwohl sie sich offenkundig in ärztlicher Behandlung befinden, haben sie weiterhin mit ihren Hauterscheinungen zu kämpfen:
- „Bessere Versorgung durch geschulte Ärzte. Nicht jeder Hautarzt kennt sich damit aus.“
- „Rechtzeitige richtige Behandlung bei akuten Schüben.“
Von den Befragten, die angaben, wo genau sie stigmatisiert wurden, nannten 15,8 Prozent medizinisch-therapeutische Einrichtungen. Die Betroffenen hatten abfällige Blicke oder abwertende Bemerkungen in Arztpraxen, Kliniken oder Apotheken erlebt – ausdrücklich auch in Hautarztpraxen:
Ich wurde schon oft gefragt, ob ich mich verletzt hätte (Schuppenflechte am Ellenbogen und Knie). Selbst Ärzte scheinen das nicht sofort zu erkennen.
Ich habe den Eindruck, dass Hautärzte für Schuppenflechte noch wenig sensibel sind.
Mein Arzt soll mich ernst nehmen. Ich habe manchmal das Gefühl, dass er nicht versteht, wenn ich ihm sage, dass mein ganzer Körper weh tut.
(…) eine Dermatologin sagte, meine Haut sei eine Zumutung für meine Partnerin.
Fazit
Die Umfrage hat gezeigt, dass Menschen in allen Lebensbereichen damit rechnen müssen, wegen ihrer sichtbaren Hauterkrankung herabgewürdigt, gemobbt oder ausgegrenzt zu werden. Viele leiden erheblich darunter, oft ein Leben lang. Nur wenige Erkrankte haben genügend Selbstbewusstsein, sich dagegen zu wehren – und auch das gelingt ihnen an schlechten Tagen nicht immer.
Die Öffentlichkeit muss weiterhin über Psoriasis und andere sichtbare Hauterkrankungen aufgeklärt werden. Das gilt umso mehr in den Bereichen, die häufig mit Hauterkrankten zu tun haben, wie etwa beim Sport (einschließlich Schwimmbad), in der Schule (einschließlich Kindergarten) und in Hautarztpraxen. Die dort Beschäftigten müssen lernen, respektvoll mit den Betroffenen umzugehen und sie rücksichtsvoll anzusprechen.
Gleichzeitig zeigt die Befragung aber auch, wie wichtig es ist, die Erkrankten selbst zu stärken und ihnen Techniken und Argumentationshilfen zu vermitteln, um in solchen Situationen angemessen reagieren zu können.
Wir setzen uns ein für eine Welt, in der es keine Vorurteile mehr gegenüber Menschen mit Psoriasis und anderen sichtbaren Hauterkrankungen gibt. Fachleute nennen das „Entstigmatisierung“.
Rolf Blaga (Psoriasis-Netz) / Marius Grosser (Deutscher Psoriasis Bund e.V.)
Originalauswertung: Umfrage: Ablehnung wegen Schuppenflechte (Psoriasis), Deutscher Psoriasis Bund e.V. + Verein www.Psoriasis-Netz.de, Hamburg, Berlin 2020
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