Am äußeren Hautbild lässt sich in vielen Situationen ablesen, wie es um die Seelenlage bestellt ist. Der Göttinger Dermatologe Professor Klaus Bosse schreibt: "An der Haut führt jeglicher Input zu einem sofort sichtbaren Output in Form von Erröten, Erbleichen, Schwitzen oder sensorischen Mißempfindungen als Ausdruck der jeweiligen Gefühlslage. Die Haut ist somit ein Ausdrucksorgan par excellence. Wir erröten schamvoll, wir schwitzen vor Angst, werden blass oder bekommen eine Gänsehaut vor Schreck."
Viele bilderreiche Redensarten haben die Haut zum Mittelpunkt: Der eine hat ein dickes Fell, der andere eine dünne Haut. Schlimme Ereignisse gehen unter die Haut, in Auseinandersetzungen will man seine Haut teuer zu Markte tragen, und wenn dies mißlingt, möchte man zuweilen aus der Haut fahren.
Mit rund zwei Quadratmetern und einem Gewicht von bis zu 20 Kilogramm ist die Haut das größte Organ des Körpers, ausgestattet mit vielen Aufgaben. Sie ist die Grenze zwischen innen und außen, Schutzschild und Abwehrorgan, hat wichtige Stoffwechselfunktionen und trägt mit Tast-, Schmerz- und Temperatursinn dazu bei, dass wir die Umwelt wahrnehmen und uns unterschiedlichen Situationen anpassen können. Schließlich ist die Haut, weil auch psychische Einflüsse sie krank werden lassen können, tatsächlich Spiegel der Seele.
Dr. Antje Haag, psychosomatische Abteilung im UKE, nennt die psycho-dermatologischen Erkrankungen das Ergebnis eines Interaktionsprozesses von Leib und Seele. Als seelische Mitverursacher vieler Hauterkrankungen listet sie Konflikte, Ängste, Kränkungen und die Verluste wichtiger Personen auf.
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Das komplizierte Gefüge von sozialen Umwelteinflüssen, so meint Professor Bosse, das auf den Hautkranken einwirkt und vor dem Hintergrund seiner individuellen Entwicklung gesehen werden muss, erschwerten Diagnostik und Therapie seelisch mitverursachter Hautkrankheiten. Dies um so mehr, als bisher niemand weiß, wann sich bei Hautkrankheiten der geheimnisvolle Sprung von der Seele in den Körper ereignet. Umwelteinflüsse, Erbfaktoren und allergische bzw. immunologische Faktoren führen häufig, oft sogar gemeinsam zur Entstehung einer Hauterkrankung. Gerade die Verbindung zwischen Psyche und Immunsystem ist das Gebiet, für das sich die Forschung heute zunehmend interessiert.
Als psychosomatische Hauterkrankungen gelten in erster Linie Neurodermitis, Schuppenflechte, Nesselsucht und seltener auch Akne, Herpes-Infektionen und Haarausfall. Darüber hinaus gibt es Hautkrankheiten, die ihre alleinige Ursache in schweren psychischen Problemen haben. Dazu gehören zum Beispiel die Selbstverstümmelungen, die sich ein Kranker zufügt, um eine Krankheit vorzutäuschen, oder weil er unbewußt das Bedürfnis hat, sich selbst zu verletzen.
Außerdem sind dabei die absichtlichen Hautschädigungen zu nennen, wie die Akne mit schweren Kratzfolgen oder die Haarrupfsucht, also der Zwang, sich büschelweise die Haare auszurupfen. Auch die Vorstellung, in der Haut befänden sich unsichtbare Parasiten, ist Ausdruck einer schwerwiegenden seelischen Störung.
Die dritte Gruppe sind organisch bedingte Hautstörungen, die einen Patienten so belasten können, dass sie häufig seelische Beeinträchtigungen nach sich ziehen.
Furcht vor Entstellung bei Psoriasis
Alle sichtbaren Hauterkrankungen können depressive und soziale Reaktionen auslösen, die bis in die soziale Isolation führen. Der Arzt spricht dann von somato-psychischen Reaktionen. (...)
Noch häufiger als die Neurodermitis tritt die unheilbare, vererbbare Schuppenflechte (Psoriasis) auf, bei zwei Prozent der Bevölkerung, in Deutschland demnach bei 1,6 Millionen Menschen. Oft sind große Teile der Haut befallen, und das zentrale Problem der Betroffenen ist die Furcht vor Entstellung durch sichtbare Hautschädigungen. Manche Therapeuten sagen sogar, die Psoriasis erhalte ihren Krankheitswert erst durch die Stigmatisierung und sich daraus ergebende soziale Einschränkungen, zum Beispiel wenn sich die Haut-Schuppen sichtbar ausbreiten.
Was die Schuppenflechte herbeiführt, ist noch nicht eindeutig geklärt, doch gilt als wahrscheinlich, dass unter seelischen Belastungen ein Psoriasis-Schub mit Entzündungen der Haut einsetzt. Psychosoziale Faktoren können über enge anatomische und funktionelle Verknüpfungen zwischen dem Zentralnervensystem und dem Immunsystem die Psoriasis beeinflussen.
Selbstbeschädigungen der Haut als Notsignale
Als Notsignale der Haut werden die Selbstbeschädigungen der Haut bezeichnet, mit denen man auf die Krankheit aufmerksam machen will. Professor Klaus Bosse sagt dazu: Die Selbstbeschädigung wird in der Regel durch Kratzen mit Fingernägeln, absichtliches Reiben, Scheuem, Bürsten, Verbrennen mit einer Zigarette, mit Laugen, Säuren oder mit Stricknadeln, seltener durch Abbinden oder Kneifen erzeugt. Vorausgegangene Verletzungen oder Narben geben dem Patienten immer wieder Anlass zu erneuten Manipulationen. Der Zeitpunkt der plötzlichen Entstehung ist meist durch besondere, emotional belastende Umstände charakterisiert. Bosse meint, typisch sei der anhaltende Wechsel zwischen Abheilung, wenn der Patient stützende Zuwendung erfahre, und erneuten Körperschädigungen, wenn neue seelische Belastungen einsetzten.
Verschiedene Studien zu den Ursachen der Selbstschädigungen ergaben schwerste psychische Konflikte in der Kindheit, zum Beispiel körperliche und sexuelle Mißhandlung. Frühkindliche Entwicklungsstörungen gelten heute als wichtigstes Diagnose-Kriterium für die Selbstbeschädigungen.
Psychotherapie kann die Symptome sehr häufig lindern
Zunächst erhält der Hautkranke eine Therapie mit Bädern, Salben und Cremes, auch zeitweise Cortison. Sind seelische Auslöser bekannt, empfiehlt sich eine begleitende Psychotherapie. Dr. Antje Haag sagt dazu: "Die Chancen für ein beschwerdefreies Leben oder zumindest längere beschwerdefreie Intervalle zwischen zwei Schüben sind für den Patienten größer, wenn auch das psychische Krankheitsbild einer Therapie unterzogen wird." Viele Patienten haben selbst schon einen Zusammenhang zwischen seelischer Belastung und Hautreaktionen erkannt und sind offen für eine Psychotherapie.
Andere Patienten tun sich damit schwer. Sie müssen erst einsehen, dass ihre Krankheit auch mit ihrem Seelenzustand zu tun hat. Manche wehren sich dagegen, weil sie ihre Vorstellung von der Krankheitsursache, zum Beispiel einer Allergie, nicht aufgeben können. Sie kommen zum Hautarzt in dem Glauben, körperlich krank zu sein.
Diese Ansicht teilen oft auch Ärzte, die nur gelernt haben, den kranken Körper zu behandeln. Patient und Arzt sind sich schnell einig, eine lokale Therapie anzuwenden. Nur wenige Dermatologen sehen die psychosomatischen Zusammenhänge.
Professor Uwe Gieler (Gießen) schreibt dazu: "Die Schwierigkeit in der Psychotherapie besteht oft darin, dass der Arzt die Zusammenhänge bei dem Patienten emotional erfassen kann, der Patient selber aber sie nicht sieht. Im Gegensatz zur rein lokalen Therapie, bei der wir ein Symptom einfach wegtherapieren, ist es in der Psychotherapie entscheidend, die Bedeutung des Symptoms und seine Funktion im Leben des Patienten zu begreifen. Noch wichtiger aber ist es, dass der Patient selbst die Zusammenhänge emotional erlebt, damit sich die Hautkrankheit bessern kann."
Die Einrichtung der Sektion Psychosomatik bei der Deutschen Gesellschaft für Dermatologie zeugt davon, dass auch Hautärzte mittlerweile ein stärkeres Interesse für psychosomatische Zusammenhänge entwickelt haben.
Ein geschulter Dermatologe kann schon mit einem Blick den psychosomatischen Anteil bei seinen Patienten sehen, zum Beispiel wenn das Mund-Nasen-Dreieck plötzlich blass wird oder der Patient sich bei einem schwierigen Gespräch zu kratzen beginnt.
Bei Schuppenflechte: Psychoanalytische und Verhaltenstherapie
Wenn eine psychotherapeutische Behandlung angelaufen ist, kann der Arzt dem Patienten vor dem Spiegel sogar verständlich machen, wie sich Gefühlsregungen in körperliche Reaktionen umsetzen. Bis dahin aber ist es ein weiter Weg, der sehr viel Geduld und Zeit verlangt. (...)
Bei Schuppenflechte, Nesselsucht und anderen psycho-dermätologischen Krankheiten gelten – ergänzend zur dermatologischen Körpertherapie – ähnliche psychotherapeutische Behandlungsstrategien wie bei der Neurodermitis, zum Beispiel die psychoanalytische Therapie und die Verhaltenstherapie.
Der Hautkranke sollte möglichst alles über sein Leiden wissen, vor allem über die Auswirkungen und die Abhängigkeit von seiner familiären und beruflichen Umwelt. Er sollte sich über die Konsequenzen bewusst werden.
Professor Bosse sagt dazu: "Der chronische Hautpatient hat mehr als Patienten mit anderen Organerkrankungen die Chance, durch eigene Aktivität und bewusste Erfahrungen auch die lokale Therapie seiner Krankheit selbst zu handhaben. Statt dass der Arzt mit väterlicher Autorität den passiven Patienten führt, sollte dieser, wenn seine Erfahrung ausreichend ist, zur Selbständigkeit angehalten werden, um gemeinsam mit dem Arzt eine weiterführende Therapie zu besprechen, festzulegen und sie selbständig anwenden zu können."
Quelle: Max Conradt, Hamburger Abendblatt, 17.2.99
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