Bei einem Expertenchat konnten Interessierte mit Professor Wolfgang Harth, damals von der Hautklinik in Berlin-Friedrichshain, über das Thema Psyche und Schuppenflechte chatten.
Das Motto war: "Ich bin so verzweifelt! Wie werde ich bloß mit meiner Psoriasis fertig?". Hier das Protokoll:
Helfen Entspannungsmethoden wie Autogenes Training?
Dass Stress und psychische Belastungen das Auftreten von Psoriasisschüben auslösen können steht fest, demnach kann bei solchen Patienten ein Entspannungsverfahren wie Autogenes Training oder auch Yoga sehr hilfreich sein.
Ist die Schuppenflechte eine rein psychische Krankheit?
Nein. Bei der Psoriasis steht eine vererbte also genetisch determinierte Autoimmundermatose im Vordergrund, die durch psychische Faktoren ausgelöst werden kann oder auch verschlechtert wird.
Wann sollte man eine Psychotherapie bei Schuppenflechte machen?
Die Einleitung einer Psychotherapie hängt bei der Psoriasis entscheidend von den psychischen Begleiterkrankungen wie Angst und Depression ab. Eine Psychotherapie kommt besonders bei chronischen Formen der Psoriasis und Stressrespondern in Betracht. Die Gruppe der Stressresponder sollte bei der Psoriasis unter psychotherapeutischen Aspekten identifiziert, diagnostiziert und adäquat therapeutisch behandelt werden.
Wenn Stress ein Einflussfaktor auf die Psoriasis ist, wie lange nach Stress kann die Schuppenflechte schlechter werden?
Typischerweise wird die Psoriasis nach Stress nicht im gleichen Moment schlechter. Es dauert etwas länger. An ein belastendes Ereignis in einem Zeitraum von vier Wochen vor dem Beginn der Erkrankung konnten sich in einer Studie 35 Prozent Psoriasis-Patienten erinnern.
Welche Möglichkeiten gibt es, trotz Stress mit der Krankheit besser umzugehen? Um Stress kommt man ja leider nie gänzlich herum.
Wichtig ist eine positive Krankheitsbewältigung. Positive aktive Strategien beinhalten Zupacken, Zuwenden, Problemanalyse, Auflehnung und emotionale Entlastung. Das klingt vielleicht etwas abstrakt. Wichtig ist eine Unterstützung bei der Problemlösung – Gesprächsangebote, Ermutigungen in der Familie – Partnerschaft und durch den Arzt des Vertrauens.
Im Moment geht es mir eigentlich gut, aber wie kann ich mich auffangen, wenn mein nächstes Tief kommt?
Die Resignation bei dieser chronischen Erkrankung führt häufig dazu, dass sich die Patienten hilflos und depressiv fühlen. Eine möglicherweise begleitende Depression sollte frühzeitig abgeklärt werden und dann entsprechend behandelt werden durch Psychotherapie oder auch Medikamente. Andererseits führt eine Hautverschlechterung zu Depressionen, und in solchen Fällen kann konsequente Hautbehandlung und Hautpflege die emotionale Situation verbessern. Hier liegt ein klassisches Beispiel einer Wechselbeziehung zwischen Haut und Psyche vor.
Da meine Nägel sehr stark betroffen sind, ziehe ich mich immer öfter zurück. Ist das schon ein Anzeichen dafür, dass psychisch etwas aus dem Gleichgewicht ist?
Generell ist dies ein Problem vieler Patienten mit sichtbaren Hauterkrankungen. In der Dermatologie lässt sich immer wieder folgender zentraler Mechanismus beobachten: Krankheit - Anpassungsstörung - Angst - Depression - und sozialer Rückzug. Wenn Sie starke Einschränkungen im sozialen Umfeld wie Beruf oder Partnerschaft aufweisen, kann eine psychische Störung dahinterstecken. In solchen Fällen wäre eine psychologische Abklärung anzuraten.
Medikamente haben als unerwünschte Wirkung oft Depressionen im Beipackzettel. Sollte man ein Medikament trotz leichter Depression überhaupt nehmen?
Hier kommt es auf das Medikament (Medikamentengruppe) und den Grund der Verordnung an. Dies sollte offen mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. Welches Medikament meinen Sie genau?
Ich hatte mehrere Medikamente, z. B. Arava, MTX und Neotigason. Welche Medikamentengruppen gibt es denn? Worauf sollte man achten?
Diese Medikamente werden ja bei mittelschwer bis schweren Formen der Psoriasis verordnet. Dabei findet ja in der Regel eine engmaschige ärztliche Kontrolle statt. Liegt beispielsweise eine latente Depression vor und wird der Arzt darauf hingewiesen, so kann man dies im Rahmen der Kontrollvorstellungen besonders beachten. Meist tritt eine medikamentenbedingte Depression langsam auf. Sollte es dann zu einer Verschlechterung der Stimmungslage oder Depression kommen, ist es möglich, Medikamente wie Neotigason umzustellen, damit ist die Nebenwirkung einer Depression bei der Behandlung mit einem solchen Medikament insgesamt gut steuerbar.
Erfahrungen von Menschen mit Schuppenflechte oder Psoriasis arthritis: Schau Dich in unserem Forum um.
Gibt es einheitliche Therapieansätze oder schwankt dies je nach Patient und Typ der Psoriasis?
Die Therapie der Psoriasis erfolgt heute unter dem Aspekt einer biopsychosozialen Sichtweise, hierfür gibt es festgesetzte Leitlinien, denen sich die Ärzte verpflichtet haben. Je nach Patient individuell verschieden kann die körperliche Symptomatik (biomedizinisch) oder auch psychosoziale Beschwerden einschließlich der Bewältigung im Vordergrund stehen. Für jeden Patienten werden dann entsprechend der Hauptbeschwerden sowie Schweregrad die notwendigen Therapieschritte eingeleitet. Beispielsweise Salben, Medikamente oder eben auch psychologische Maßnahmen.
Gibt es viele Betroffene, die resignieren und was sind die Folgen?
Ein Tief kennt jeder, insbesonders chronisch Kranke. Durch die Belastung des äußeren Erscheinungsbildes erhält die Psoriasis einen entscheidenden Krankheitswert, insbesondere in der Überzeugung der Patienten, entstellt zu sein (Stigmatisierung). Für die Patienten ergibt sich ein weiterer Belastungsfaktor daraus, dass die Auslösung eines Erkrankungsschubes weder vorhersehbar noch kontrollierbar ist. Dies führt bei dieser chronischen Erkrankung häufig dazu, dass sich die Patienten hilflos und depressiv fühlen.
Derzeitig fühle ich mich mit meinem fast normalen Hautbild sehr stabil. Ich finde, am Anfang stand bei mir eindeutig die Psoriasis! Das konnte ich nur durch die Fumadermtherapie so klar erkennen.
Genau, es besteht eine Wechselbeziehung zwischen Haut und Psyche. Es kann auch eine somatopsychische Störung vorliegen, wobei zuerst die Erkrankung auftritt und zu reaktiv psychischen Störungen führt, welche sich unter Therapie und Abheilung der Haut bessern oder wieder verschwinden.
Seit dem Einsetzen des Verhütungsstäbchens Implanon erkrankte unsere Tochter zuerst an Gürtelrose und jetzt hat sie auch Schuppenflechte bekommen. Kann es einen Zusammenhang mit Implanon geben?
Hormonelle Faktoren können eine Psoriasis beeinflussen. Besondere Wechselwirkungen sind bei Schwangeren beschrieben worden, da eine Beeinflussung des Immunsystems durch Hormone angenommen wird. Sowohl Gürtelrose als auch die Psoriasis sind Erkrankungen, die bei Störungen des Immunsystems auftreten. Da es viele Ursachen von Immunstörungen gibt, sollten diese bei einem Arzt ausgeschlossen werden und danach nochmals ein Zusammenhang zu Implanon neu diskutiert werden.
Kann Implanon eine Immunschwäche auslösen?
Mir persönlich ist kein Fall bekannt. Hier wäre ein interdisziplinärer Austausch zwischen Gynäkologe und Dermatologe nach der oben angeratenen Durchuntersuchung ratsam. Eine internationale Literaturanfrage würde dies begleiten können.
Wie funktioniert eine gute Bewältigung der Schuppenflechte?
Zentral ist eine gute Hautbehandlung, Hautpflege und positive Krankheitsbewältigung sowie bei Stressproblemen eine Entspannung. Wichtig sind aktive Strategien mit regelmäßiger Hauttherapie, Auslöser vermeiden und emotionale Entlastung.
Zur Person
Professor Wolfgang Harth ist Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten sowie Chefarzt der Hautklinik am Vivantes Klinikum Spandau.
Als Dermatologe erfolgte die Ausbildung zum Psychotherapeuten und 2002 die Habilitation im Fachgebiet Dermatologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. Im Bereich Psychodermatologie erfolgte die Publikation des ersten deutschen Lehrbuches für psychosomatische Dermatologie (Harth, Gieler, Springer Verlag 2006) sowie eine Autorenschaft der S2+IDA Leitlinie Psychodermatologie der Kommission für Qualitätssicherung in der DDG/ AWMF.
Professor Harth war zeitweise Vorstandsvorsitzender des Arbeitskreises Psychosomatische Dermatologie, einer Sektion der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft.
Mehr zum Thema im Psoriasis-Netz
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➔ Forum: Austausch über den Zusammenhang von Schuppenflechte und Psyche
➔ Psyche und Psoriasis: Mit der Krankheit leben, ohne zu verzweifeln
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