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  • Claudia Liebram
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    Claudia Liebram

    Einer von drei Hautkranken hat auch ein psychisches Problem

    Europaweite Studie zum Zusammenhang von Hauterkrankungen und Psyche

    Hautkrankheiten sind dem Menschen meist im Bauplan seiner Gene mitgegeben worden – sie sind genetisch bedingt. Ob sie ausbrechen und wann, das ist oft eine Sache der Umstände – und der psychischen Verfassung. Um das geflügelte Wort von der "Haut als Spiegel der Seele" mit Fakten zu untermauern, haben Forscher 3600 Menschen mit Hauterkrankungen in 13 europäischen Staaten befragt und untersucht. Diese Teilnehmer waren Klinikpatienten.

    Ihr Fazit in ihrer Studie: 29 Prozent der Hautkranken litten gleichzeitig an einer psychischen Erkrankung. Unter den 1400 Menschen ohne Hauterkrankung, die sie zum Vergleich herangezogen hatten, waren das nur 16 Prozent. Andersherum kann man sagen: "Das ist alles psychisch bedingt" stimmt nur bei einem von drei Hautkranken.

    Doch zurück zur hier besprochenen Untersuchung: Depressionen kamen bei den Hautkranken laut den Forschern mehr als doppelt so häufig vor. Von Angsterkrankungen oder Suizid-Gedanken sprachen anderthalb mal so viele Befragte in der Gruppe der Hautkranken als in der Gruppe der ansonsten Gesunden.

    Seelische Ursachen vor allem bei Allergien

    „In solch großem Umfang wurde der Zusammenhang von Haut- und psychischen Krankheiten bisher nicht nachgewiesen“, sagt Professor Uwe Gieler von der Universitäts-Hautklinik in Gießen. Er war an der Studie maßgeblich beteiligt. Nun verspricht er sich Fortschritte bei der Behandlung Hautkranker.

    „Wenn eine Hauterkrankung auf psychische Probleme zurückgeht, ist die Behandlung nur adäquat, wenn die psychischen Probleme erkannt und mitbehandelt werden“, erklärt Gieler.

    Vor allem bei allergischen Hauterkrankungen gebe es zunehmend Hinweise auf seelische Ursachen. „Neurodermitis kann sich durch belastenden Stress verschlimmern, unterdrückte Wut in Nesselsucht äußern“, erläutert der DGPM-Experte.

    "Überdruckventil der Seele"

    Ursache sind höchstwahrscheinlich Neuropeptide – Botenstoffe, die der Körper in Stress-Situationen ausschüttet. Diese könnten durch die Nervenbahnen bis zu den Organen gelangen und dort Entzündungen verstärken.

    „Gerade die Haut reagiert häufig als Überdruckventil der Seele“, sagt Gieler.

    In der deutschen „Leitlinie Allergieprävention“ findet sich seit 2014 erstmals der Bezug zu psychischen Leiden: Schwerwiegende Lebensereignisse wie die Trennung der Eltern oder der Tod eines Elternteils, in der Schwangerschaft oder in der frühen Kindheit erhöhen demnach das Risiko für spätere allergische Erkrankungen der Kinder.

    „Es ist wichtig, beispielsweise bei frühkindlichen Traumata gegebenenfalls frühzeitig eine psychische Behandlung in Angriff zu nehmen, bevor das seelische Leid in einer Allergie oder Hauterkrankung mündet “, sagt Professor Harald Gündel von der Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Ulm.

    Einschränkungen aus unserer Sicht

    Die befragten und untersuchten Hautkranken waren alle in Kliniken vorstellig geworden. Wer dort hingeht, hat meist nicht nur einen höheren Leidensdruck, sondern auch eine schwerere Form seiner Erkrankung. Unter schwer Betroffenen dürfte der Anteil derer, die neben ihrer Hautkrankheit auch eine psychische Erkrankung haben, dann ohnehin höher sein.

    In der deutschsprachigen Pressemitteilung zur Studie ist die Rede von der Nesselsucht (Urtikaria) – die kommt in der Studie aber gar nicht vor. Neurodermitis und Schuppenflechte werden als Volkskrankheiten dargestellt. Das passt leider zur kürzlich veröffentlichten Studie über Studien: In Pressemitteilungen von Universitäten oder Forschergruppen wird demnach schon mal übertrieben (und ja, Journalisten potenzieren Übertreibungen dann auch).

    Dabei sind psychische Aspekte bei Hauterkrankungen und damit auch bei Psoriasis nicht zu unterschätzen.

    Die Ergebnisse in Zahlen

    https://infogram.com/psychische-erkrankungen-bei-hautkranken

    Aber: Nicht immer ist es die Psyche

    "Hautkrankheiten haben ganz viel mit der Psyche zu tun." Wie oft hört ein Psoriatiker diesen Satz von Bekannten und Verwandten. Nicht immer ist dieses pauschale Halbwissen angebracht. Dass die Haut insgesamt sensibel auf das seelische Befinden reagiert, ist auch biologisch erklärbar, erklärte Professor Uwe Gieler von der Uni-Klinik in Gießen. "Es liegt vielleicht an der engen Verbindung zwischen Haut, Gehirn und Nervensystem, die beim Embryo aus dem gleichen Keimblatt entstehen", so Gieler.

    Die "Apotheken Umschau" widmete im Jahr 2007 ein ganzes Heft dem Thema Haut und befragte Gieler, weil er sich auf die Psychosomatik von Hautkrankheiten spezialisiert hat. Er meint, dass nicht hinter jeder Hautkrankheit ein psychosomatischer Grund steckt. "Das wird überbetont", sagt er in besagter "Apotheken Umschau". "Die meisten Menschen, die von einer Hauterkrankung betroffen sind, wissen genau, wann und wie eine Stresssituation ihren Hautzustand beeinflusst hat." Zwar sei Stress bei der Hälfte der Untersuchungen von Hautveränderungen vorhanden - aber eben nur bei der Hälfte und nicht bei 100 Prozent. Außerdem müsse es nicht immer Stress sein, der als Auslöser fungiert. Andere psychosomatische Zusammenhänger wie zu große Nähe oder zu große Distanz zu einer Bezugsperson kämen auch in Frage.

    Das Psoriasis-Netz fügt hinzu: Dazu kommt das Henne-Ei-Problem: Ist jemand über seiner Hautkrankheit depressiv geworden oder war die psychische Verfassung Auslöser für die Hautkrankheit? Zum anderen ist das Schönheitsideal von heute absolut unvereinbar mit einer Schuppenflechte (oder Neurodermitis). Wer dem also nicht genügt, der hadert oft mit seinem vermeintlichen Schicksal.

    Erfahrungen von Menschen mit Schuppenflechte oder Psoriasis arthritis: Schau Dich in unserem Forum um.

    Zahlen zum Zusammenhang von Psoriasis und Depression

    Zuvor hatte unter anderem eine Studie im Jahr 2007 auf eine erhöhte Zahl von Depressiven unter den Menschen mit Schuppenflechte hingewiesen.

    Die Auswertung von Versichertendaten im Rahmen der Studie PsoCare 2007 hat ergeben, dass Menschen mit Psoriasis 1,8 mal häufiger an Depressionen leiden als Menschen ohne. Ins Psoriasis-Register PsoBest wurden danach psychische Begleiterkrankungen wie Depression im Langzeitverlauf aufgenommen.

    Neben den Autoimmunerkrankungen der Gelenke und des Darmes, den Herz-Kreislauf-Erkrankungen und dem Diabetes ist die Depression eine der wesentlichen Begleiterkrankungen von Schuppenflechte. Insgesamt wurden in der Studie PsoCare die Daten von 34.728 Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen mit Psoriasis-Diagnose untersucht. Davon waren 63 Prozent Männer. Von den Versicherten wiesen insgesamt 4.020 Patienten sowohl die Diagnose Schuppenflechte als auch eine Depression auf.

    Die Depression tritt in allen Altersgruppen auf. Je älter die Menschen, desto anfälliger sind sie für Depression. Die Untersuchung zeigte, dass mit steigender Altersgruppe auch der prozentuale Anteil der Betroffenen mit Depression zunahm.

    • In der Altersgruppe bis 20 Jahre litten im Schnitt 2,27 Prozent an Depression.
    • In der Altersgruppe 41 bis 60 Jahre waren es 15,86 Prozent.
    • Bei der Altersgruppe 81 Jahre plus stieg die Zahl auf 22,22 Prozent.

    Die erhöhte Depressions-Rate bei Schuppenflechte ist nicht allein als Reaktion auf das gegenwärtige Hautbild zu erklären, sondern besteht teilweise unabhängig vom Schweregrad der Schuppenflechte.

    Stress war für viele Psoriatiker ein Auslöser

    "Es gibt etliche Hauterkrankungen, die durch die Psyche in ihrem Verlauf maßgeblich mitbeeinflusst sind", hatte Dr. Johannes Hockmann noch viel früher, im März 1998, im PulsSchlag, dem Informationsblatt der Medizinischen Einrichtungen der Universität Münster, gesagt.

    "Wenn es um die Einschätzung der Betroffenen selbst geht, scheint die Psyche bei der Schuppenflechte eine große Rolle zu spielen", hieß es da. Immerhin rund 70 Prozent der erwachsenen Patienten hätten angegeben, dass sie beim erstmaligen Auftreten der Krankheit unter einer besonderen Stresssituation beziehungsweise unter seelischer Belastung gestanden hätten. Bei Kindern mit Psoriasis würde dieser Wert Untersuchungen zufolge sogar bei 90 Prozent liegen, so Hockmann.

    Bei den Erkrankungen der vornehmlich stationären Patienten der Hautklinik, die auf Empfehlung ihres behandelnden Arztes bislang schon die psychodermatologische Sprechstunde aufgesucht haben, stehen Erkrankungen des atopischen Formenkreises, wozu auch die Neurodermitis zählt, und Schuppenflechte mit an oberster Stelle.


    Tipps zum Weiterlesen

    Psychodermatologen kümmern sich um Haut und Gelenke
    (Stylebook, 25.07.2021)
    Psychische Probleme können Hautkrankheiten ausbrechen lassen oder immer wieder befeuern. Psychodermatologen sind die Fachleute dafür. In diesem Artikel wird erklärt, wie ein Psychodermatologe helfen kann.


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