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    Body Positivity und Psoriasis: Zwischen Akzeptanz und Gesundheit

    Die Body-Positivity-Bewegung hat viele positive Aspekte, wie die Förderung von Selbstakzeptanz und die Bekämpfung von Diskriminierung und Stigmatisierung aufgrund des Körperbildes. Dazu zählt nicht nur Übergewicht, sondern sämtliche Körperformen, -farben oder Behinderungen.

    Allerdings gibt es auch Kritikpunkte an der Bewegung unrealistische Erwartungen an den eigenen Körper, die zu zusätzlichem Druck führen, Kommerzialisierung, Ausschluss bestimmter Gruppen, der Fokus auf das Äußere und natürlich Gesundheitsrisiken.

    Da stellt sich auch die Frage: Wie ist die Bewegung in Hinblick auf chronisch-entzündliche Hautkrankheiten einzuordnen?


    Wir alle wünschen uns für unsere persönlichen Probleme, Meinungen und Eigenschaften Anerkennung, Wertschätzung und Toleranz von anderen Menschen. Das ist aus mehreren psychologischen, sozialen und evolutionären Gründen wichtig. Anerkennung und Wertschätzung sind tief in unserer Psychologie verwurzelt. Menschen haben das Bedürfnis, gesehen und gehört zu werden.

    Dies geht auf das Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit und Akzeptanz zurück, das in der Maslowschen Bedürfnishierarchie verankert ist. Toleranz wiederum ist die Grundlage für ein friedliches Miteinander in einer vielfältigen Gesellschaft. Gerade in einer Demokratie ist Toleranz ein unverzichtbarer Wert. Ohne sie könnte eine Demokratie nicht funktionieren, da abweichende Meinungen unterdrückt und Minderheiten diskriminiert würden.

    Und genau diese Grundbedürfnisse sind das Fundament der Body-Positivity-Bewegung, die vor allem in den sozialen Medien allgegenwärtig ist.

    Sie zielte ursprünglich darauf ab, Übergewichtige nicht aufgrund ihres Gewichtes zu diskriminieren und mehr in die Gesellschaft einzubinden. Aber auch sich im eigenen Körper wohlzufühlen, ist Ziel dieser Bewegung.

    Lernen, den eigenen Körper zu lieben: Das gilt weiterführend natürlich nicht nur für übergewichtige Personen. Es umfasst sämtliche Körperformen, die Herkunft und somit Hautfarbe eines Menschen, aber auch Behinderungen oder Erkrankungen, die vor allem äußerlich sichtbar sind und somit Stigmatisierung eine Bühne bieten. Soweit, so gut. Was könnte es daran auszusetzen geben?

    Kritik an der Body-Positivity-Bewegung

    Abseits der medizinischen Kritik können die Ziele der Bewegung dazu führen, dass unrealistische Erwartungen an den eigenen Körper gestellt werden. Das kann zu zusätzlichem Druck führen, denn nicht jeder möchte sich in seinem Körper unter den gegebenen Umständen wohlfühlen. Die Kommerzialisierung in Form von Diät- und gewichtsreduzierenden Wellness-Produkten sorgt dafür, dass viele unnötige und überteuerte Produkte den Weg auf den Markt finden und Werbung mit Menschen gemacht wird, die unter ihrem Übergewicht leiden.

    Der Fokus der Bewegung liegt klar auf dem Äußeren. Dabei sollte es auf die inneren Werte eines Menschen ankommen.

    Auch medizinisch gesehen sind die unerwünschten Begleiterkrankungen, die mit Übergewicht einhergehen, problematisch. Aus dermatologischer Sicht führt die Bewegung zur Verharmlosung von Hautkrankheiten wie Akne, Psoriasis oder Ekzemen. Indem alle Hautzustände als normal und akzeptabel dargestellt werden, könnte die Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung oder einer gesunden Hautpflege weniger ernst genommen werden.

    Auch psychische Belastungen spielen eine bedeutende Rolle: Menschen mit sichtbaren Hautkrankheiten könnten sich unter Druck gesetzt fühlen, ihre Hautprobleme zu akzeptieren und zu lieben, obwohl sie möglicherweise unter erheblichen psychischen Belastungen leiden. Das führt zu einem inneren Konflikt, da sie einerseits die Botschaft der Selbstakzeptanz annehmen sollen, andererseits aber mit den realen Herausforderungen ihrer Hautkrankheit kämpfen.

    Ein weiterer Nachteil könnte sein, dass die Bewegung nicht ausreichend über die medizinischen Aspekte und Behandlungsmöglichkeiten von Hautkrankheiten aufklärt. Was wiederum dazu führen kann, dass Betroffene nicht die notwendige medizinische Hilfe suchen, sondern versuchen, ihre Hautprobleme allein durch Selbstakzeptanz zu bewältigen.

    Verbindungen von Psoriasis zu Übergewicht

    Psoriasis kann eine Folge von Übergewicht sein, daran besteht schon längst kein Zweifel mehr: Fast 40 Prozent der Menschen mit Psoriasis sind übergewichtig, 37 Prozent davon sogar fettleibig:

    Diesen Zusammenhang fassten auch die Forscher um Ulrich Mrowietz in einer Übersichtsarbeit zusammen. Selbst nach Berücksichtigung anderer Einflussfaktoren bleibt Übergewicht ein unabhängiger Risikofaktor. Besonders alarmierend: Ein Body-Mass-Index (BMI) von über 30 verdoppelt fast das Risiko für Psoriasis.

    Aber woher rührt diese Verbindung?

    Die zugrunde liegenden Entzündungsprozesse im Fettgewebe, verstärkt durch Übergewicht, erhöhen die Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen wie Interleukin(IL)-6 und Tumornekrosefaktor (TNF). Zudem zeigt die aktuelle Forschung, dass Übergewicht auch die Zahl entzündungshemmender regulatorischer T-Zellen verringert und proentzündliche T-Zellen fördert.

    Eine Genomstudie aus dem Jahr 2024 identifizierte gemeinsame genetische Loci und kausale Beziehungen zwischen Adipositas und Psoriasis. Dabei wurde eine positive genetische Korrelation zwischen dem BMI und Psoriasis sowie zwischen dem Taillen-Hüft-Verhältnis und Psoriasis festgestellt.

    Übergewichtige Patienten mit Psoriasis zeigen zudem erhöhte Spiegel von Adipokinen. Diese Adipokine tragen zur systemischen Entzündung bei, die sowohl entzündliche Hautkrankheiten als auch eine Adipositas verschlimmern kann. Die Verbindung der beiden Krankheiten ist also bidirektional: Übergewicht kann das Risiko für die Entwicklung von Psoriasis erhöhen und umgekehrt.

    Besondere Behandlung

    Die Behandlung von Psoriasis bei übergewichtigen Menschen erfordert mehr als nur eine gut abgestimmte Systemtherapie.
    Durch das Übergewicht als (Mit-)Auslöser der Erkrankung muss auch dieses angegangen werden, um langfristig Erfolge in der Therapie erzielen zu können. Eine angemessene Ernährungsumstellung ist somit unbedingt erforderlich und sollte ausführlich mit dem Patienten besprochen werden.

    Zu einer gesunden, ausgewogenen Ernährung gehört ebenso regelmäßige Bewegung. Abnehmen ändert nichts daran, an Psoriasis erkrankt zu sein, kann aber dazu beitragen, die Schübe oder Auswirkungen zu vermindern. Zudem spricht die Therapie bei Menschen mit Übergewicht oft schlechter an.

    Da sich durch Übergewicht außerdem vermehrt Hautfalten bilden, sollten diese besonders gründlich gewaschen und (vorsichtig!) abgetrocknet werden, um einen Feuchtigkeitsstau und Entzündungen zu vermeiden.

    Wohlbefinden allein reicht oft nicht

    Der enge Zusammenhang zwischen Übergewicht und Psoriasis ist ein Beispiel, warum die Body-Positivity-Bewegung aus medizinischer Sicht durchaus kritisch zu sehen ist. Kritiker argumentieren, dass die Bewegung gesundheitliche Risiken verharmlosen könnte. Indem sie alle Körperformen und -größen als gleichwertig und gesund darstellt, könnte sie dazu beitragen, dass Krankheiten wie Psoriasis oder Essstörungen nicht ausreichend thematisiert werden. Oder schlimmer noch: Mit Übergewicht einhergehende Probleme werden verharmlost.

    Natürlich sollte sich jeder in seinem Körper wohlfühlen dürfen. Ganz gleich ob dick, dünn, klein, groß, körperlich eingeschränkt oder hautkrank. Aber reine Akzeptanz ist kein universelles Heilmittel und je nach Komorbidität bedarf es unbedingt einer ärztlichen Behandlung.

    Mehr über Body Positivity

    Woher der Begriff kommt

    Die Ursprünge des Begriffs „Body Positivity" lassen sich bis in die späten 1960er Jahre zurückverfolgen. Die Bewegung entstand als Reaktion auf die gesellschaftlichen Normen und Schönheitsideale, die oft unerreichbar und diskriminierend waren und sind. Ein bedeutender Meilenstein in der Entwicklung der Body-Positivity-Bewegung war die Gründung der National Association to Advance Fat Acceptance (NAAFA) im Jahr 1969. Diese Organisation spielte eine zentrale Rolle bei der Förderung von Akzeptanz und Gleichberechtigung für Menschen aller Körpergrößen. In den folgenden Jahrzehnten gewann die Bewegung zunehmend an Aufmerksamkeit und Einfluss.

    Wie sich der Begriff verbreitete

    Der Begriff „Body Positivity" selbst wurde in den 1990er Jahren populär, als sich die Bewegung weiterentwickelte und ihre Ziele erweiterte. Neben der Bekämpfung von Gewichtsdiskriminierung rückte nun auch die allgemeine Akzeptanz und Wertschätzung aller Körperformen, -größen und -farben in den Fokus. Die Verbreitung sozialer Medien in den 2000er Jahren trug erheblich zur Popularisierung der Body-Positivity-Bewegung bei, indem sie Plattformen für Menschen schuf, um ihre Geschichten zu teilen, sich gegenseitig zu unterstützen und gegen gesellschaftliche Schönheitsnormen zu protestieren.

    Merle Twesten

    Mehr zum Thema im Psoriasis-Netz

    Forschung: Wenn Übergewichtige bestimmte Fette meiden, tun sie etwas gegen die Entzündung

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    Expertenchat: Mitschrift eines Expertenchats über Psoriasis und Psyche

    Psyche und Psoriasis: Mit der Krankheit leben, ohne zu verzweifeln

    Für Fortgeschrittene: Weitere Studien zum Thema

    1. Eine Beobachtungsstudie von 147 Psoriasis-Patienten: Übergewicht und Adipositas und wie sie mit Psoriasis zusammenhängen (November 2023)
    2. Depression als Begleiterkrankung der Psoriasis, verursacht durch Entzündungen im Stoffwechsel (Mai 2023)
    3. Weltweite Zahlen zur Fettleibigkeit bei Patienten mit Psoriasis: Eine Analyse der letzten zwei Jahrzehnte (Juni 2024)

     


    Wissen und Tipps für Dein Leben mit Schuppenflechte oder Psoriasis arthritis

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    Sandra Seitamaa / Unsplash+

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    Zitat

    Auch medizinisch gesehen sind die unerwünschten Begleiterkrankungen, die mit Übergewicht einhergehen, problematisch. Aus dermatologischer Sicht führt die Bewegung zur Verharmlosung von Hautkrankheiten wie Akne, Psoriasis oder Ekzemen. Indem alle Hautzustände als normal und akzeptabel dargestellt werden, könnte die Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung oder einer gesunden Hautpflege weniger ernst genommen werden.

    In der Normalbevölkerung hatte ich z.B. ab den 70er Jahren keine Verharmlosung der Pso erlebt, allerdings bemerkten die meisten Menschen meine Pso erst gar nicht, selbst in sommerlich kurzer Kleidung nicht. Und diejenigen, die die Pso bemerkten, waren mir gegenüber wohltuend wohlwollend und kannten irgendjemanden, der auch eine Pso hatte.

    Verharmlost hatte nur der Hautarzt mal meine Pso, als diese begann sich über den gesamten Körper immer stärker auszubreiten. Nur meinen Arm sah er sich an, um zu bemerken, dass die Pso völlig normal aussähe (es gab dort fast keine helle Haut mehr und am Körper war es leider auch nicht anders). Erst als sich seine Sprechstundenhilfe weigerte die verordnete UV-Licht-Bestrahlung vorzunehmen und sie ihn dazu gerufen hatte, wurde ich innerhalb von Sekunden zum Notfall mit sofortiger Krankenhauseinweisung; vorher hatte er mir meinen "Zustand" nicht geglaubt - er dachte, ich würde übertreiben.

    Zitat

    Ein weiterer Nachteil könnte sein, dass die Bewegung nicht ausreichend über die medizinischen Aspekte und Behandlungsmöglichkeiten von Hautkrankheiten aufklärt. Was wiederum dazu führen kann, dass Betroffene nicht die notwendige medizinische Hilfe suchen, sondern versuchen, ihre Hautprobleme allein durch Selbstakzeptanz zu bewältigen.

    reine Akzeptanz ist kein universelles Heilmittel und je nach Komorbidität bedarf es unbedingt einer ärztlichen Behandlung

    Ich litt damals in den 70er Jahre besonders unter meinem Pso-Therapie-Zwang. 7 Stunden täglich brauchte ich zum Abbaden der Schuppen, dem Eincremen mit SaliVaseline nur auf die jeweils einzelnen unzähligen kleinen oder größeren Pso-Stellen (SaliVaseline nur auf die Stellen, da sie nur schwer wieder aus der Wäsche gewaschen werden konnte), dem Einölen der Kopfhaut mit Salicylsäure in Olivenöl am Vorabend, morgens dem Auskämmen der ausgedehnten Schuppenkrusten und den anschließenden verzweifelten Versuchen das Öl wieder mit etwa 40x Haarewaschen aus den öligen Haaren zu entfernen und morgendlichem Eincremen. Morgens stand ich um 3:30 Uhr auf, um um 8 Uhr rechtzeitig bei der Arbeit zu sein. Abends dauerte ein Eincremevorgang 2,5 Stunden und das Ölen kam auch noch dazu.

    Freunde gab es in dieser Zeit keine mehr.

    Bei mir war meine selbst eingeübte Akzeptanz ein wahrer Segen. Der Druck wegen meines Aussehens unbedingt therapieren zu müssen fiel von mir ab. Aber das war keine Übernacht-Entwicklung, insgesamt dauerte es wohl 10 Jahre bis ich die für mich verträglichen Cremes gefunden hatte (der Arzt hatte auch nur rumprobiert, aber mich auch ermuntert es selbst weiter zu versuchen).

    Allerdings war ich mir dabei immer bewusst, dass ich bei einer Verschlechterung meiner Pso immer zum Arzt, bzw zur Klinik musste. Das war dann etwa alle 10 Jahre mal der Fall. Das nennt man Eigenverantwortung, die man im privaten und öffentlichen Leben auch übernimmt. Im Zweifelsfall kann jederzeit ein Arzt zu Hife genommen werden.

    Zitat

    Psoriasis kann eine Folge von Übergewicht sein, daran besteht schon längst kein Zweifel mehr: Fast 40 Prozent der Menschen mit Psoriasis sind übergewichtig, 37 Prozent davon sogar fettleibig.

    Ein Body-Mass-Index (BMI) von über 30 verdoppelt fast das Risiko für Psoriasis.

    Übergewicht kann das Risiko für die Entwicklung von Psoriasis erhöhen und umgekehrt.

    Also zusammenfassend sind 63% der an Pso Erkrankten nicht fettleibig. Was zu meiner schlimmsten Zeit mit Pso passt. Sie hatte flächenhaft 95% meiner Hautoberfläche eingenommen, war unter Fieber generalisiert, pustulös und erythematös. Bei einer Körpergröße von 165cm und 48kg.

    Trotz steigenden Gewichts hatte meine Pso nie wieder diese Ausmaße angenommen, auch nicht bei einem BMI vo 32. Allerdings hatte ich nie aufgehört Sport in Form von Radfahren, Ski-LL, Schlittschuhlaufen, Wandern, Schwimmen, Gymnastik, Pilates zu treiben. Mit Sport kann ich mich auch mit einem BMI von bis zu 32 sehr wohl fühlen. Allerdings mit weniger, komme ich dann viel leichter auf die hohen Berge.

    Heute liegt mein Wohlfühlgewicht bei 70-75kg. LG Burg

    bearbeitet von Burg
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    vor 21 Stunden schrieb Burg:

    Also zusammenfassend sind 63% der an Pso Erkrankten nicht fettleibig.

    Verrechnet: Es muss 85% heißen.

    40 (40%) von 100 haben Übergewicht und (60, bzw 60% Normalgewicht)

    15 (37%) von 40 sind fettleibig

    40-15 = 25 mit Übergewicht (ohne Fettleibigkeit)

    60+25= 85 Normal- und Übergewichtige, ohne Fettleibigkeit

    bearbeitet von Burg
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