Voclosporin ist der Name eines Wirkstoffs. Der sollte einmal in einem Medikament gegen Schuppenflechte eingesetzt werden. Am Anfang hatte Voclosporin noch eine Abkürzung: ISA247.
Das kanadische Biotechnologie Unternehmen Isotechnika testete es seit Anfang Dezember 2006 in einer Phase III-Studie bei 500 Psoriasis Patienten in Kanada, Deutschland und Polen. Behandelt werden sollten damit alle Formen der mittelschweren und schweren Psoriasis. „Phase III“ ist bei klinischen Studien die letzte Phase, nach der dann die Zulassung eines Medikaments beantragt wird.
Voclosporin ist ein Immunsupressivum – das heißt, der Wirkstoff schaltet das Immunsystem gezielt an bestimmten Stellen aus oder dämpft dessen Aktivitäten. Es wurde schon erfolgreich bei Nierentransplantationen getestet. Es wurde als neuartiges „Cyclosporin-Derivat“ bzw. als „Calcineurin-Inhibitor“ bezeichnet. Verwandte Präparate sind Sandimmun bzw. Elidel oder Tacrolimus. Der Hersteller versprach, dass Voclosporin besser wirken und nebenwirkungsärmer sein soll, als vergleichbare Medikamente.
An der Phase-III-Studie sollten 500 Patienten insgesamt 24 Wochen teilnehmen. Alle nahmen die Kapseln ein: 300 Patienten erhielten Voclosporin, 100 Patienten schlucken Cyclosporin ein und 100 Patienten bekommen Placebos. Nach zwölf Wochen erhalten auch diejenigen, die zuvor keinen Wirkstoff (Placebos) bekamen, das Voclosporin.
In den USA hat Voclosporin den so genannten „Orphan-Drug“ Status, d.h. es ist unter der Bezeichnung LX 211 zugelassen zur Behandlung seltener, schwer entzündlicher Augenkrankheiten (z.B. Pan-Uveitis).
Inzwischen scheint die Entwicklung von Voclosporin für die Anwendung bei der Schuppenflechte aufgegeben worden zu sein. Die Firma Isotechnika wurde mit der Firma Aurinia Pharmaceuticals verschmolzen. Die entwickelt Voclosporin noch für Nieren- und Augen-Erkrankungen weiter.
Studienergebnisse
In einer Phase-III-Studie erwies sich Voclosporin als sicher und effektiv.
Kim Papp und Kollegen in Kanada gewannen 451 Patienten für die Studie. Die 18- bis 65-Jährigen hatten an mindestens zehn Prozent der Körperoberfläche eine Psoriasis. Die Patienten wurden in vier Gruppen unterteilt. Alle erhielten zweimal am Tag ihr Medikament.
Placebo | 0,2 mg/kg Körpergewicht | 0,3 mg/kg Köpergewicht | 0,4 mg/kg Köpergewicht | |
Patienten insgesamt | 115 | 107 | 113 | 116 |
Nach 12 Wochen | 98 (17 Abbrecher) | 91 (16 Abbrecher) | 102 (11 Abbrecher) | 97 (19 Abbrecher) |
Besserung um >75% bei | 4% | 16% | 25% | 47% |
Als effektiv galt, wenn die Psoriasis-Stellen nach zwölf Wochen um 75 Prozent (und mehr) besser wurden. Die Patienten in dieser Studie wurden insgesamt 24 Wochen lang beobachtet.
Das Fazit von Kim Papp und ihren Kollegen: Voclosporin ist bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Psoriasis sicher und effektiv. Je höher die Dosierung, desto größer sei der Erfolg. Das bedeutete auch: Die Dosierung kann gut angepasst werden – je nachdem, wie schwer die Psoriasis gerade ist und wie stark Nebenwirkungen sichtbar werden.
Das klang erst einmal alles sehr euphorisch. In einem begleitenden Kommentar in der Fachzeitschrift "The Lancet" schrieb Dr. Luigi Naldi von der Hautklinik Ospedali Riuniti di Bergamo in Italien: "Bei der Erforschung von neuen Medikamenten ist das Bedürfnis der Patienten nach Langzeit-Studien groß", so Naldi.
Nebenwirkungen
82 Prozent der Studienteilnehmer berichteten von Nebenwirkungen: Die häufigsten:
- Entzündungen der Nase
- Kopfschmerzen
- Entzündung der oberen Atemwege
- Bluthochdruck
- Gelenkschmerzen (Athralgien)
Die meisten beschrieben ihre Nebenwirkungen als leicht bis mittelschwer. 30 Patienten brachen die Studie wegen der Nebenwirkungen ab.
Unser Kommentar
Es gibt zurzeit zwei verschiedene Wirkstoffe, die man als Calcineurininhibitoren bezeichnet: Pimecrolimus und Tacrolimus. „Calcineurin“ ist ein Enzym, das im Zellkern von Immunzellen (T-Lymphozyten, Basophilen) dafür sorgt, dass Entzündungen entstehen. Ein „Inhibitor“ ist ein Stoff, der chemische Prozesse verlangsamt. In diesem Fall wird die Wirkung des „Calcineurin“ gehemmt. Das führt zu einer verminderten (Entzündungs-) Reaktion des Immunsystems.
„Calcineurin-Inhibitoren“ sind bekannt unter den Markennamen Elidel und Protopic. Beide Wirkstoffe sind zurzeit nur zur Behandlung der Neurodermitis zugelassen und werden äußerlich als Cremes aufgetragen. Es gibt Ärzte, die sie „Off-Label“ auch gegen Psoriasis an empfindlichen Stellen verschreiben. Voclosporin dagegen wird nicht auf die Haut aufgetragen, sondern geschluckt, d.h. oral verabreicht.
Es handelt sich also um einen bekannten Wirkstoff, der aber neu für Psoriatiker gewesen wäre.
Leider sind die „Calcineurin-Inhibitoren“ umstritten. In 2005 gab es eine heftige Expertendiskussion, inwieweit Tacrolimus (Protopic) verstärkt Hautkrebs verursacht. Die US-Aufsichtsbehörde FDA hatte vor dem Wirkstoff gewarnt. Die entsprechende EU-Behörde EMEA dagegen schloss sich dieser Warnung nicht an. Die FDA hätte ihr Wissen aus Studien mit Tieren, denen das Tacrolimus oral (als Tablette oder Kapsel) und in höheren Dosen gegeben worden wäre, als es je beim Menschen der Fall wäre. Tacrolimus würde jedoch nur in Salben oder Cremes eingesetzt. Vereinzelt wären nach Salben oder Creme Lymphome aufgetreten, doch auch hier hätten Experten einen Zusammenhang als unwahrscheinlich oder unzureichend bewiesen eingestuft.
Dagegen berichtete die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, dass mehrere Ärzte gemeldet hätten, nach der Anwendung von Tacrolimus-Salbe könne sich der Blutspiegel bei Patienten genauso verändern, als wäre das Medikament eingenommen worden. Ihre Empfehlung: Wer Tacrolimus für lange Zeit anwenden möchte oder muss, soll regelmäßig seine Laborwerte überprüfen lassen. Das gilt dann erst recht für alle, die den Wirkstoff einnehmen, wie es bei „ISA247“ vorgesehen ist!
Der wissenschaftliche Streit ist nicht entschieden. Vorsicht ist geboten, wenn Nebenwirkungen nicht eindeutig bestimmt sind.
Quellen:
- Presse-Erklärung der Firma Isotechnika vom 05.12.2006
- Presse-Erklärung der Firma Isotechnika vom 15.01.06
- Erläuterung von Isotechnika
- "The Lancet", April 2008, sowie die Pressemitteilung dazu
- Ärzte Zeitung, 21.04.2008
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