Amevive sollte das erste Biologic gegen Schuppenflechte in Deutschland werden. Im September 2001 beantragte die Firma Biogen die Zulassung für den Wirkstoff Alefacept bei der FDA in den USA und der EMEA für Europa. Damals wurde mit einer Zulassung im 1. Quartal 2003 die Zulassung in Europa gerechnet.
Schon vorher schürte Alefacept hohe Erwartungen:
ZitatGroße Hoffnung setzt das Unternehmen (Biogen; die Red.) auf ein neu entwickeltes Medikament gegen die Schuppenflechte - "Amevive" - für das mit einer Marktzulassung in den USA und Europa im Jahr 2002 gerechnet wird. "Wir glauben, dass ,Amevive' ein Produkt ist, das wirklich hilft und das unser nächster Blockbuster werden könnte", betonte der deutsche Marketingchef Frank Alkenbrecher am Montag in Berlin. (...) Falls "Amevive" Erfolg haben wird, würde Biogen die Mitarbeiterzahl in der deutschen Zentrale in Ismaning bei München von derzeit 40 verdoppeln.
(Zitat aus der Berliner Morgenpost vom 11. Juni 2000)
Bereits im Jahr zuvor berichtete der "Stern" über den Wirkstoff:
ZitatDrei Monate lang wurde den Probanden das Arzneimittel einmal wöchentlich in die Venen gespritzt. Spezifische Nebenwirkungen wurden nicht festgestellt. Genaue Zahlen hält die Firma Biogen zwar noch zurück, doch die eingeweihte Fachwelt beschreibt die Studienergebnisse als sehr er mutigend: Etwa die Hälfte der Probanden habe ab der zweiten Woche »wesentliche Verbesserungen gespürt«,bei einigen seien die entzündlichen Hautplaques abgeheilt. (...) Der Deutsche Psoriasis Bund (DPB) in Hamburg warnt indes vor verfrühter Euphorie. "Noch in den sechziger Jahren wurden Psoriatiker mit Arsen behandelt", sagt DPB-Geschäftsführer Hans-Detlev Kunz, "das half, aber danach sind einige Patienten an Krebs gestorben."
(Zitat aus dem "Stern" 27/1999)
In den Phase II-Studien wurde Alefacept 1-mal pro Woche für 12 Wochen intravenös oder intramuskulär bei Patienten mit Psoriasis vulgaris verabreicht. Die bei diesen Patienten beobachtete Besserung hielt etwa sieben bis neun Monate an.
Auch spätere Phase-III-Studien waren erfolgreich. Bei den Testpersonen ergab sich ein Rückgang des PASI um 75 Prozent oder mehr – sowohl bei denen, die den Wirkstoff intramuskulär gespritzt bekamen als auch bei der Gruppe mit einer intravenösen Gabe. In den USA wurde Amevive dann später auch in zwei Dosierungen verkauft - eine für intramuskuläre und eine für intravenöse Spritzen.
Sie wurden 12 Wochen mit dem Mittel behandelt. Über 1.100 Patienten nahmen an der Placebo-kontrollierten Studie teil. Mindestens 10 Prozent ihres Körpers war mit Schuppenflechten bedeckt. Die Nebenwirkungen waren ähnlich denen der Placebo-Gruppe. Auch die Lebensqualität verbesserte sich.
Weitere Studien sollten die Wirksamkeit von Alefacept bei der Psoriasis arthritis klären.
Zu den Ergebnissen der Phase III-Studie befand sich eine Publikation in Arbeit, deren Veröffentlichung im Laufe des Jahres 2002 zu erwarten war.
Für Kinder und Jugendliche sollte Alefacept zunächst nicht zugelassen werden.
Das Beratergremium der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA hatte am 23. Mai 2002 die Zulassung von Amevive empfohlen. Am 31. Januar 2003 war es dann soweit – die FDA ließ Amevive für den US-Markt zu.
Gail M. Zimmermann, damals Präsidentin der US-amerikanischen Selbsthilfeorganisation "National Psoriasis Foundation", ließ sich damals so zitieren: "Amevive könnte der größte Fortschritt der letzten 20 Jahre in der Psoriasis-Therapie sein."
Nach eigenen Angaben hatte Biogen damals 15 Jahre Forschung in Amevive gesteckt.
Durch den selektiven Wirkmechanismus werden laut Hersteller nur diejenigen Immunzellen ("aktivierte T-Zellen") eliminiert, die die Psoriasis auslösen. In den Studien wurde keine erhöhte Infektionsgefahr gesehen. Weiterhin wurden in der Phase II-Studie keine Leberschädigungen, keine Nierenschädigungen und keine Durchfälle erfasst. Es gab auch keinen Rebound-Effekt nach Absetzen.
Wirkliche Langzeitdaten konnte es bei einem gerade entwickelten Präparat logischerweise noch nicht geben. Um mehr Daten zu sammeln, sollten Langzeitstudien an verschiedenen Kliniken auch in Deutschland laufen.
Spätestens bei den Informationen zur Zulassung in den USA wurde dann auch über mögliche Nebenwirkungen gesprochen: Bei zwei Prozent der Studienteilnehmer wurden Nebenwirkungen deutlich. Das waren
- Entzündungen im Rachen
- Benommenheit
- Husten
- Übelkeit
- Juckreiz
- Muskelschmerzen
- Schüttelfrost und
- Schmerzen an der Einstichstelle der Spritze
- Was, wieviel, wie teuer?
Doch während das Präparat mit dem Namen Amevive in den USA zugelassen wurde, kam es dazu in Deutschland und Europa nie: Der Hersteller Biogen-Idec verschob die Zulassung "um mehrere Jahre". Hintergrund: Die europäische Arzneimittelbehörde forderte von der Firma zusätzliche Informationen, vor allem klinische. Biogen meinte daraufhin, dass die neuerlich geforderten Studien "mehrere Jahre" in Anspruch nehmen könnnten.
Der Preis - der für die meisten deutschen Patienten interessanteste Aspekt - ließ freilich schon vorher viele Hoffnung schwinden. Pro "Behandlungsdurchgang" – also für eine Behandlungsserie von zwölf Wochen – wurde für die USA bei der Zulassung ein Preis von 7.000 bis 10.000 Dollar, abhängig von der Dosis, angekündigt.
Im Jahr 2003 fusionierten die Biotech-Firmen Biogen und Idec zu Biogen-Idec.
Links zum Thema Amevive (Alefacept)
Erfahrungsbericht eines Teilnehmers an einer Studie mit Alefacept
Mark Haertel war von Kopf bis Fuß voller Psoriasis. Nach fünf Wochen Klinik hörte er von einer Studie mit Amevive. Danach sagte er: "Ich kann wieder leben".
Japanischer Pilz bremst Überreaktionen des Immunsystems
Artikel in der Tageszeitung "Die Welt" vom 16. Oktober 2001 über den Wirkstoff Alefacept und seine Wirkweise
Neue Immuntherapien bei Psoriasis
Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften anlässlich des 10. Kongresses der Europäischen Akademie für Dermatologie und Venerologie in München mit Erläuterung der Wirkweise von Alefacept
Psoriasis: Hilfe durch Targeting von T-Lymphozyten?
Deutsches Ärzteblatt, 99/2002
Pressemitteilung des Herstellers Biogen-Idec
zur Zulassung in den USA
Amevive kommt vielleicht als Diabetes-Medikament zurück (engl.)
Amevive könnte in der Behandlung der Diabetes zum Einsatz kommen.
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