Cosentyx ist zur Behandlung der Schuppenflechte und der Psoriasis arthritis zugelassen. Seit Juni 2015 ist es auf dem Markt.
Wie alle neuen Medikamente musste auch Cosentyx vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) bewertet werden – vor allem, ob es einen so genannten Zusatznutzen hat, denn dann darf es mehr kosten als vergleichbare Arzneimittel. Die Vorarbeit dazu leistete das IQWIG – das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Es hatte eine Bewertung vorgelegt.
Am 27. November 2015 beschloss der G-BA in einer öffentlichen Sitzung, was er zu Cosentyx meint. Wir waren dabei.
Das Ergebnis:
- Wer schon einmal mit einem Biologic behandelt wurde, aber nur mäßigen Erfolg hatte oder es nicht vertrug, kann mit Cosentyx effektiver behandelt werden.
- Wer schon mit einem innerlichen Medikament behandelt wird, kann seinen Therapieerfolg mit Cosentyx nur geringfügig verbessern.
- Es gab keinen Nachweis dafür, dass Cosentyx bei denen, die noch nie mit einem innerlichen Medikament behandelt wurde, besser wirkt als andere innerliche Medikamente.
Drei Gruppen für Cosentyx-Bewertung
Für die Bewertung des Zusatznutzens hat der G-BA die Patienten in drei Gruppen eingeteilt:
Gruppe A: Betroffene, die grundsätzlich für eine innerliche Therapie und / oder eine Phototherapie in Frage kommen, bisher mit einer solchen jedoch noch nicht behandelt wurden
Gruppe B: Betroffene, die auf innerliche Medikamente (Ciclosporin, MTX) oder PUVA nicht angesprochen haben oder diese aus irgendeinem Grund nicht nehmen können. Diese Gruppe wurde wiederum in zwei Untergruppen aufgeteilt:
Gruppe B 1: Betroffene, die bereits ein Biologic bekommen haben
Gruppe B2: Betroffene, die zwar innerlich behandelt wurden, aber nicht mit einem Biologic
Cosentyx im Vergleich
In Gruppe A musste Cosentyx gegen Fumarsäureester, Ciclosporin, Methotrexat und eine Phototherapie antreten. (Mit Phototherapie war übrigens sowohl Balneophototherapie als auch eine PUVA- oder eine UV-B-Therapie gemeint.)
Der G-BA legte sich in seinem Beschluss konkret auf den Vergleich mit MTX fest. So heißt es:
Ausmaß und Wahrscheinlichkeit des Zusatznutzens gegenüber Methotrexat
Ein Zusatznutzen ist nicht belegt.
In Gruppe B wurde die Wirkung von Cosentyx mit der von Adalimumab oder Infliximab oder Ustekinumab verglichen. Doch nicht umsonst hatte der G-BA diese Gruppe noch einmal unterteilt. Sein Fazit lautet nämlich auch innerhalb dieser Gruppe unterschiedlich:
Ausmaß und Wahrscheinlichkeit des Zusatznutzens gegenüber Ustekinumab
B 1) Patienten mit einer Biologika-Vorbehandlung: Hinweis auf einen beträchtlichen Zusatznutzen.
B 2) Patienten ohne eine Biologika-Vorbehandlung: Hinweis auf einen geringen Zusatznutzen
Im direkten Vergleich zu Ustekinumab hat sich nach 52 Wochen ergeben, dass Secukinumab in einigen Punkten besser wirkt.
- Bei denjenigen, die vorher erfolglos mit anderen Biologika behandelt wurden, verbessern sich Schmerz, Juckreiz und Schuppung.
- Bei mehr Patienten gehen die Symptome für eine gewisse Zeit völlig zurück (PASI 100), treten bei einem Großteil aber wieder auf. Wie lange diese „Remission“ anhält, so dass IQWiG, sei nicht untersucht worden.
- Die Anzahl derjenigen, bei denen sich die Haut deutlich verbessert hat (PASI 75, PASI 90), ist höher. Auch die Lebensqualität in Bezug auf Schwere und Verlauf der Krankheit, hat sich bei mehr Secukinimab-Patienten verbessert als unter Ustekinumab.
- In anderen Bereichen, vor allem bei den Nebenwirkungen, ergaben sich keine Unterschiede zwischen diesen Biologika. Grundsätzlich wird empfohlen, den Wirkstoff nach 16 Wochen erfolgloser Therapie abzusetzen.
Und jetzt?
Novartis – der Hersteller von Cosentyx – begrüßte die Entscheidung vom G-BA. Das Unternehmen wolle dann das Wissen der Ärzte über Cosentyx „vertiefen“, heißt es in einer Stellungnahme. Derzeit würden "rund 1.500 Patienten in Deutschland mit Cosentyx behandelt".
Auf jeden Fall traten Hersteller und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen dann in Verhandlungen – denn am Ende geht es bei alledem um den Preis.
Psoriasis – ein Marktüberblick
Der Beschluss enthält gegen Ende eine Art Marktüberblick. Wie viele Psoriatiker kommen eigentlich für eine innerliche Therapie in Frage?
Demnach haben 19.800 bis 137.300 Menschen in Deutschland eine mittelschwere bis schwere Psoriasis – eine ordentliche Spannweite, nebenbei bemerkt.
32.400 bis 97.100 Psoriasis-Patienten haben zwar ein innerliches Medikament oder PUVA bekommen, auf die Therapie aber nicht ausreichend angesprochen oder sie nicht vertragen.
- 5400 bis 16.300 davon haben auch schon ein Biologic "probiert".
- 27.000 bis 80.800 haben noch kein Biologic gehabt.
Welche Therapie wird in ihrer Erhaltungsphase wie oft angewendet?
- Secukinumab: 1-mal pro Monat
- Fumarsäureester: 1- bis 3-mal pro Tag
- Ciclosporin: 2-mal pro Tag
- Methotrexat: 1-mal pro Woche
- Adalimumab: alle 2 Wochen
- Infliximab: alle 8 Wochen
- Ustekinumab: alle 12 Wochen
- PUVA: 3-bis 4-mal pro Woche
Was kostet das am Ende pro Jahr?
- Secukinumab: 21.439,32 Euro
- Fumarsäureester oder Ciclosporin oder Methotrexat: 51,78 bis 5984,39 Euro
-
Adalimumab oder Infliximab oder Ustekinumab: 17.345,07 bis 21.381,10 Euro
- plus 69,40 – 164,40 € für vorherige Screening-Leistungen. Für Infliximab werden zusätzlich maximal 526,50 Euro pro Jahr für das Herstellen der Infusionslösung gerechnet.
Eine Sitzung beim G-BA
Die Sitzungen des Gesamt-G-BA sind öffentlich. Jeder kann sich anmelden. Oft muss man schnell sein, weil die Plätze in den vier Stuhlreihen für Besucher begehrt sind. Dazu bestellt man am besten den Newsletter, in dem die Tagesordnung der nächsten Sitzung verkündet wird. Ist ein Punkt davon interessant, sollte man sich fix anmelden.
Die Bestätigungsmail klingt übrigens nicht gerade einladend: In die Sitzung darf man demnach "keine Mäntel, Schirme, Koffer und Taschen sowie Geräte zur Aufzeichnung, Übermittlung, Übertragung oder Wiedergabe von Bild und Ton, Ferngläser und ähnliche Gegenstände" mitnehmen. "Mobiltelefone und ähnliche Geräte dürfen nur ausgeschaltet mitgeführt werden" – und überhaupt darf man nicht lautstark protestieren oder Beifall bekunden oder anderweitig "Ordnung und Anstand" verletzen. In der Realität läuft es dann doch formloser (wobei in "unserer" Sitzung ohnehin niemand protestierte oder klatschte).
Der brave Bürger findet sich also am Sitzungstag zu gegebener Stunde im Gebäude des G-BA nahe des Berliner S-Bahnhofes Tiergarten ein und lauscht den Ausführungen des G-BA-Vorsitzenden. Die sind sehr formell, voller Kürzel und Verfahrens-Deutsch. Wer sich im deutschen Gesundheitswesen auskennt, könnte aber Chancen haben, mitzukommen. Zwischendrin gibt es immer Bemerkungen von Leistungserbringern oder von den Patientenvertretern.
Ein Ausflug zu Verfahrensfragen
Kommt ein Arzneimittel auf den Markt, kann der Hersteller mehr oder minder willkürlich einen Preis festsetzen. Allerdings tritt auch sofort der G-BA auf den Plan: Er will wissen, ob das neue Medikament gegenüber bisherigen Medikamenten einen zusätzlichen Nutzen hat. Von dem Urteil hängt ab, wie und wann die Preisverhandlungen zwischen dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen und dem Hersteller verlaufen. So lange der G-BA noch nicht über den Zusatznutzen befunden hat, kann der Hersteller maximal 12 Monate lang seinen Preis "einfach so" verlangen.
Nach der Markteinführung des Medikamentes beauftragt der G-BA also das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG): Die dortigen Experten sichten Unterlagen und Studien und sagen, ob sie einen Zusatznutzen sehen. Dabei muss das Arzneimittel immer gegen eines antreten, das schon länger auf dem Markt ist und für die Behandlung der gleichen Erkrankung bei ähnlichem Schweregrad gedacht ist.
Dieses Urteil wird öffentlich gemacht. Dann kann der Hersteller seine Sicht der Dinge in einer Stellungnahme einreichen. Es kommt außerdem zu einer mündlichen Anhörung. Sechs Monate nach der Markteinführung ist dann der Showdown: Der G-BA entscheidet, ob er sich dem Urteil des IQWIG anschließt oder die Fakten anders interpretiert.
Nachtrag
Einige Tage nach dem Beschluss veröffentlichte das IQWIG eine neue Einschätzung zu Cosentyx. Dafür waren Daten geprüft worden, die der Hersteller im Stellungnahmeverfahren nachgereicht hatte. Für alle, bei denen andere innerliche Therapien erfolglos waren sieht das IQWIG "einen Hinweis auf einen Zusatznutzen" – der aber je nach Vortherapie unterschiedlich ausfällt: Wurden zuvor Biologics eingesetzt, ist der Zusatznutzen demnach nicht in Zahlen zu fassen. Ohne Biologika-Vortherapie ist der Zusatznutzen gering. "Für Patienten, für die andere systemische Therapien infrage kommen, fehlen weiterhin geeignete Daten", bemängelt das Institut.
Quellen:
- Beschluss des G-BA vom 27.11.2015
- Tragende Gründe zum Beschluss
- Wortprotokoll der Anhörung zum IQWIG-Urteil; im Rede-Duell: Vertreter vom G-BA, von verschiedenen Pharma-Firmen, vom Deutschen Psoriasis-Bund, von Forschern und vom Berufsverband der Deutschen Dermatologen
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