Bei unserem monatlichen Psoriasis-Stammtisch kam die Frage auf, ob Biologika wie Skyrizi, Tremfya oder Ilumetri Osteoporose verursachen oder verschlimmern können. Anlass war eine Studie, bei der die Knochen von Mäusen schlechter wuchsen, wenn sie keinen IL-23-Rezeptor hatten.
Das Wichtigste in Kürze
- Weder bei Langzeiterhebungen noch im Psoriasis-Register "PsoBest" sind bisher Knochenerkrankungen als unerwünschte Arzneimittelwirkungen der IL-23-Blocker festgestellt worden.
- Experimentelle Auswirkungen auf Mäuse sind nicht 1:1 auf Menschen übertragbar. Nebenwirkungen bei Tierversuchen müssen nicht zwangsläufig bei Menschen auftreten.
- Chronische Entzündungen – wie bei der Psoriasis – fördern den Knochenabbau und können eine Osteoporose entwickeln: Deshalb sollte die Entzündungslast durch Medikamente gesenkt werden.
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Im Widerspruch zu der Mäusestudie wird aktuell eine Tablette getestet, die gezielt den IL-23-Rezeptor blockiert.
Damit soll die Psoriasis behandelt werden.
Die Einzelheiten
Eine irritierende Studie
Überwiegend niederländische Forschende haben im Mai 2021 das Ergebnis eines Experiments veröffentlicht: „Der Mangel an IL-23-Rezeptoren führt zu einer geringeren Knochenmasse durch indirekte Regulierung der Knochenbildung“. Sie hatten Mäuse gezüchtet, die von Geburt an keinen Interleukin-23-Rezeptor hatten. Die Mäuse entwickelten eine geringere Knochenmasse, kürzere Oberschenkelknochen und brüchigere Knochen als „normale“ Vergleichs-Mäuse. Fazit der Forschenden: Ein IL-23R-Mangel verringere langfristig das Knochenwachstum.
Daraus könnte man schlussfolgern: Wenn das IL-23 blockiert wird, erhält sein Rezeptor IL-23R kein Signal mehr. Damit könnte er funktionslos und wirkungslos werden – als ob es ihn nicht gäbe, wie bei den manipulierten Mäusen.
Was zur Studie zu sagen ist
Grundsätzlich gilt: Ergebnisse aus Experimenten im Reagenzglas („in vitro“) wie auch mit Tieren („in vivo“) können, müssen aber nicht auf den Menschen übertragbar sein. Risiken dabei verweisen auf mögliche Gefahren. Der Mensch ist aber deutlich komplizierter aufgebaut als die Zelle oder die Maus. Wie ein Arzneimittel bei ihm wirkt, zeigen letztendlich klinische Studien und die Alltagspraxis.
Im konkreten Fall muss geprüft werden, ob sich die Blockade des Interleukin 23 beim Menschen im Immunsystem genauso auswirkt, wie bei Mäusen, die von Geburt aus keinen IL-23 Rezeptor haben. Die bisherigen Erfahrungen widersprechen aber dieser Annahme!
Zum Beispiel, weil es gerade die Entzündungs-Botenstoffe sind, die einen Abbau der Knochendichte (Osteoporose) fördern. „Chronische Entzündungen, wie sie bei rheumatoider Arthritis, Psoriasis oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen vorkommen, aktivieren auch im Knochen Entzündungs-Signalwege. Und zwar auch dann, wenn diese Entzündungen nur leicht vor sich hindümpeln." (Biotechnologin Martina Rauner). Dasselbe gilt für Entzündungs-Botenstoffe, die das innere Bauchfett freisetzt. Mit den neuen Psoriasis-Medikamenten wird auf unterschiedliche Weise verhindert, dass genau diese Entzündungssignale ausgelöst werden. Nach heutiger Kenntnis wird also dem Knochenabbau entgegengewirkt, wenn die Entzündungslast im Körper gesenkt wird.
Erfahrungen von Menschen mit Schuppenflechte oder Psoriasis arthritis: Schau Dich in unserem Forum um.
Das müsste auch für die Blockade des IL-23 durch Skyrizi, Tremfya oder Ilumetri gelten. Dafür spricht eine aktuell weltweit geplante Zulassungsstudie. Psoriasis-Betroffene sollen mit einer Tablette behandelt werden, die genau diesen IL-23-Rezeptor blockiert. Es ist davon auszugehen, dass bei deren Vorbereitung die Mäuse-Studie vom Mai 2021 bekannt war, weil sehr viele Mediziner daran beteiligt sind.
Die aktuelle Datenlage
Auch die vorliegenden Daten widersprechen der Annahme, IL-23-Hemmer würden bei Menschen Osteoporose fördern. Langzeitdaten liegen zu Skyrizi (Risankizumab) und Tremfya (Guselkumab) vor: So wurden Daten gesammelt von 3072 Patienten, die zwischen fünf und neun Jahre lang mit Skyrizi behandelt wurden (7927 Patientenjahre). Bei den unerwünschten Arzneimittelwirkungen kamen Knochenerkrankungen nicht vor. Auch nicht bei einer anderen Untersuchung: 2170 Skyrizi-Patienten wurden über fünf Jahre beobachtet (10.072 Patientenjahre). Bei Tremfya wurden 4399 Patienten (10787 Patientenjahre) über fünf Jahre auf Nebenwirkungen hin beobachtet. Selbst bei den seltenen unerwünschten Ereignissen gab es keinen Fall von Knochenerkrankungen. Gleiches Ergebnis bei einer dreijährigen Beobachtung von 333 Tremfya-Patienten.
Darüber hinaus sind auch dem Psoriasis-Register "PsoBest" keine Knochenerkrankungen im Zusammenhang mit IL-23-Hemmern gemeldet worden. Das Register erhält von Hautarzt-Praxen aus ganz Deutschland die Daten von 24.000 Patienten.
Fazit
Es gibt keine Hinweise darauf, dass Medikamente, die das Interleukin-23 blockieren, Osteoporose fördern oder hervorrufen. Nicht alles, was im Labor festgestellt wird, ist auf den Menschen übertragbar.
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