Zum Inhalt
  • Rolf Blaga
    zuletzt aktualisiert:
    Rolf Blaga

    Nachgefragt: Interleukin-23-Blocker und Osteoporose

    Bei unserem monatlichen Psoriasis-Stammtisch kam die Frage auf, ob Biologika wie Skyrizi, Tremfya oder Ilumetri Osteoporose verursachen oder verschlimmern können. Anlass war eine Studie, bei der die Knochen von Mäusen schlechter wuchsen, wenn sie keinen IL-23-Rezeptor hatten.

    Das Wichtigste in Kürze

    • Weder bei Langzeiterhebungen noch im Psoriasis-Register "PsoBest" sind bisher Knochenerkrankungen als unerwünschte Arzneimittelwirkungen der IL-23-Blocker festgestellt worden.
    • Experimentelle Auswirkungen auf Mäuse sind nicht 1:1 auf Menschen übertragbar. Nebenwirkungen bei Tierversuchen müssen nicht zwangsläufig bei Menschen auftreten.
    • Chronische Entzündungen – wie bei der Psoriasis – fördern den Knochenabbau und können eine Osteoporose entwickeln: Deshalb sollte die Entzündungslast durch Medikamente gesenkt werden.
    • Im Widerspruch zu der Mäusestudie wird aktuell eine Tablette getestet, die gezielt den IL-23-Rezeptor blockiert.
      Damit soll die Psoriasis behandelt werden.  

    Die Einzelheiten

    Eine irritierende Studie

    Überwiegend niederländische Forschende haben im Mai 2021 das Ergebnis eines Experiments veröffentlicht: „Der Mangel an IL-23-Rezeptoren führt zu einer geringeren Knochenmasse durch indirekte Regulierung der Knochenbildung“. Sie hatten Mäuse gezüchtet, die von Geburt an keinen Interleukin-23-Rezeptor hatten. Die Mäuse entwickelten eine geringere Knochenmasse, kürzere Oberschenkelknochen und brüchigere Knochen als „normale“ Vergleichs-Mäuse. Fazit der Forschenden: Ein IL-23R-Mangel verringere langfristig das Knochenwachstum.

    Daraus könnte man schlussfolgern: Wenn das IL-23 blockiert wird, erhält sein Rezeptor IL-23R kein Signal mehr. Damit könnte er funktionslos und wirkungslos werden – als ob es ihn nicht gäbe, wie bei den manipulierten Mäusen.

    Was zur Studie zu sagen ist

    Grundsätzlich gilt: Ergebnisse aus Experimenten im Reagenzglas („in vitro“) wie auch mit Tieren („in vivo“) können, müssen aber nicht auf den Menschen übertragbar sein. Risiken dabei verweisen auf mögliche Gefahren. Der Mensch ist aber deutlich komplizierter aufgebaut als die Zelle oder die Maus. Wie ein Arzneimittel bei ihm wirkt, zeigen letztendlich klinische Studien und die Alltagspraxis.

    Im konkreten Fall muss geprüft werden, ob sich die Blockade des Interleukin 23 beim Menschen im Immunsystem genauso auswirkt, wie bei Mäusen, die von Geburt aus keinen IL-23 Rezeptor haben. Die bisherigen Erfahrungen widersprechen aber dieser Annahme!

    Zum Beispiel, weil es gerade die Entzündungs-Botenstoffe sind, die einen Abbau der Knochendichte (Osteoporose) fördern. „Chronische Entzündungen, wie sie bei rheumatoider Arthritis, Psoriasis oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen vorkommen, aktivieren auch im Knochen Entzündungs-Signalwege. Und zwar auch dann, wenn diese Entzündungen nur leicht vor sich hindümpeln." (Biotechnologin Martina Rauner). Dasselbe gilt für Entzündungs-Botenstoffe, die das innere Bauchfett freisetzt. Mit den neuen Psoriasis-Medikamenten wird auf unterschiedliche Weise verhindert, dass genau diese Entzündungssignale ausgelöst werden. Nach heutiger Kenntnis wird also dem Knochenabbau entgegengewirkt, wenn die Entzündungslast im Körper gesenkt wird.

    Erfahrungen von Menschen mit Schuppenflechte oder Psoriasis arthritis: Schau Dich in unserem Forum um.

    Das müsste auch für die Blockade des IL-23 durch Skyrizi, Tremfya oder Ilumetri gelten. Dafür spricht eine aktuell weltweit geplante Zulassungsstudie. Psoriasis-Betroffene sollen mit einer Tablette behandelt werden, die genau diesen IL-23-Rezeptor blockiert. Es ist davon auszugehen, dass bei deren Vorbereitung die Mäuse-Studie vom Mai 2021 bekannt war, weil sehr viele Mediziner daran beteiligt sind.

    Die aktuelle Datenlage

    Auch die vorliegenden Daten widersprechen der Annahme, IL-23-Hemmer würden bei Menschen Osteoporose fördern. Langzeitdaten liegen zu Skyrizi (Risankizumab) und Tremfya (Guselkumab) vor: So wurden Daten gesammelt von 3072 Patienten, die zwischen fünf und neun Jahre lang mit Skyrizi behandelt wurden (7927 Patientenjahre). Bei den unerwünschten Arzneimittelwirkungen kamen Knochenerkrankungen nicht vor. Auch nicht bei einer anderen Untersuchung: 2170 Skyrizi-Patienten wurden über fünf Jahre beobachtet (10.072 Patientenjahre). Bei Tremfya wurden 4399 Patienten (10787 Patientenjahre) über fünf Jahre auf Nebenwirkungen hin beobachtet. Selbst bei den seltenen unerwünschten Ereignissen gab es keinen Fall von Knochenerkrankungen. Gleiches Ergebnis bei einer dreijährigen Beobachtung von 333 Tremfya-Patienten.

    Darüber hinaus sind auch dem Psoriasis-Register "PsoBest" keine Knochenerkrankungen im Zusammenhang mit IL-23-Hemmern gemeldet worden. Das Register erhält von Hautarzt-Praxen aus ganz Deutschland die Daten von 24.000 Patienten.

    Fazit

    Es gibt keine Hinweise darauf, dass Medikamente, die das Interleukin-23 blockieren, Osteoporose fördern oder hervorrufen. Nicht alles, was im Labor festgestellt wird, ist auf den Menschen übertragbar.


    Über den Autoren

    Rolf Blaga hat sich mehr als 28 Jahre lang in der Patienten-Selbsthilfe für Menschen mit Schuppenflechte engagiert. Als Autor fürs Psoriasis-Netz besucht er regelmäßig medizinische Veranstaltungen. Er ist Vorsitzender der AG Medizin und Gesundheit bei Transparency Deutschland.

    Mehr über und von Rolf Blaga


    Wissen und Tipps für Dein Leben mit Schuppenflechte oder Psoriasis arthritis

    Meld dich für unseren Newsletter an.

    Bildquellen

    Getty Images / Unsplash+

    Erstmals erschienen:

    Kommentare

    Empfohlene Kommentare

    Lieber Rolf,

    vielen Dank dass du dich dem Thema angenommen und weiter recherchiert hast.

    Diese Studie ist wahrlich irritierend. Besonders der letzte Satz darin macht hellhörig: Unsere Studie weist auf mögliche Auswirkungen auf Patienten mit Langzeitbehandlungen mit Anti-IL-23-Biopharmazeutika hin,

    die aufgrund einer längeren Abnahme des IL-23-Spiegels an Knochenmasseverlusten leiden können.

    Das

    wirft die Frage auf warum eine solche Studie überhaupt aufgelegt wurde.

    Ich

    habe das Thema auch mit meinem Hautarzt besprochen. Er meinte ihm sei hierzu aus dem PsoBest-Register nichts bekannt. Meine Überlegung dazu war jedoch dass die meisten Patient/innen mit einem IL23-Hemmer starten wenn sie jung oder im „mittleren“ Alter sind, also in einem Alter, in dem man üblicherweise nicht an eine Osteoporose denkt und deshalb natürlich auch keine DXA Knochendichtemessung durchgeführt wird. Das wiederum bedeutet dass eine evtl. durch den IL23 Hemmer verursachte Osteoporose zu diesem Zeitpunkt gar nicht auffällt und somit auch nicht als schwere unerwünschte NW erfasst werden kann.

    Erst wenn einer solchen Patientin dann z.B. in der Menopause/Postmenopause von ihrem Arzt nahegelegt wird eine Knochendichtemessung durchführen zu lassen und sich dabei tatsächlich eine Osteoporose zeigt, wird man diese dann natürlich auf die Abnahme des Östrogenspiegels nach den Wechseljahren zurückführen. Ein kausaler Zusammenhang zwischen Ursache (IL23-Hemmer) und Wirkung (Osteoporose) könnte dann nicht (mehr) festgestellt werden.

    Es

    müsste also explizit geprüft werden ob sich die Blockade des IL 23 beim Menschen negativ auf die Knochengesundheit auswirkt. Man darf also gespannt sein was/ob diesbezüglich bei der geplanten Zulassungsstudie zu dem ersten IL23-Hemmer in Tablettenform etwas herauskommt und das Beste hoffen.  

    Nebenbei: im Text hat sich ein kleiner Fehlerteufel eingeschlichen: Du meinst ja IL23-Hemmer wie Skyrizi, Ilumetri und Tremfya (nicht den IL17-Hemmer Bimzelx). 

    Nochmal ganz herzlichen Dank für deine Mühe, Recherche und  den ausführlichen Bericht 

    🤗

    LG Grüße, Hosta 🍀

     

    Link zu diesem Kommentar
    Auf anderen Seiten teilen

    Hallo Hosta!

    Meinen Fehler habe ich inzwischen selbst entdeckt und korrigiert: Es geht um die aktuellen Interleukin-23-Inhibitoren Skyrizi, Tremfya oder Ilumetri.

    Du vermutest, man hätte bei Patienten, die mit diesen Medikamenten behandelt werden, nicht an Osteoporose gedacht und deshalb keine DXA Knochendichtemessung durchgeführt. Das, so Dein Verdacht, weil sie noch relativ jung oder "mittleren" Alters seien. Möglicherweise haben die niederländischen Forschenden doch recht mit ihrer Aussage, dass bei "Langzeitbehandlungen mit Anti-IL-23-Biopharmazeutika [...] Knochenmasseverluste" auftreten können. Bisher habe nur noch niemand danach gesucht. Oder aber sie kennen die immunologischen Zusammenhänge beim Menschen doch nicht so genau!?

    Das Alter der Probanden von den zitierten Langzeituntersuchungen kann ich auf den ersten Blick nicht herausfinden. Ich selbst bin Jahrgang 1946 und werde seit fünf Jahren mit Skyrizi behandelt. Für mich persönlich trifft Dein Verdacht nicht zu.

    Ich habe mich nicht mit dem Krankheitsbild der Osteoporose befasst. Vermutlich aber bleibt sie langfristig nicht unbemerkt, so dass zumindest bei den Langzeitstudien, die über fünf Jahre gingen, Neuerkrankungen hätten auffallen sein müssen. Das gilt noch mehr für das Psoriasis-Register, dass alle Altersgruppen umfasst.

    Theoretisch ist es möglich, dass die Mäusestudie der Niederländer unbekannt oder unberücksichtigt geblieben ist. Schwer vorstellbar, dass eine Tablette klinisch getestet wird, die den IL-23 Rezeptor blockiert, wenn andere Forschende Knochenschwund dafür ermittelt wurde – bei Mäusen, nicht bei Menschen.

    Es wäre interessant, genau das bei den Beteiligten zu erfragen.

     

    Link zu diesem Kommentar
    Auf anderen Seiten teilen



    Dein Kommentar

    Du kannst jetzt schreiben und dich später registrieren. Wenn du schon einen Account bei uns hast, logg dich ein, um deinen Beitrag mit deinem Account zu verfassen.
    Hinweis: Dein Beitrag wird von einem Moderator freigeschaltet, bevor er erscheint.

    Gast
    Einen Kommentar hinzufügen

    ×   Du hast formatierten Text eingefügt.   Formatierung jetzt entfernen

      Only 75 emoji are allowed.

    ×   Dein Link wurde automatisch eingebettet.   Einbetten rückgängig machen und als Link darstellen

    ×   Du hattest schon mal angefangen, etwas zu schreiben. Das wurde wiederhergestellt..   Egal, weg damit.

    ×   You cannot paste images directly. Upload or insert images from URL.


  • Jetzt Teil der Psoriasis-Community werden

    Hier findest Du Menschen, die von der Hautkrankheit Psoriasis, der Gelenkerkrankung Psoriasis arthritis oder von beidem betroffen sind.

    Als Community-Mitglied kannst Du:

    fragen und antworten
    Themen folgen
    in der Bildergalerie stöbern
    chatten
    Kontakt mit anderen Nutzern aufnehmen

     

  • Auch interessant

    Immunzellen des Körpers senden lösliche Botenstoffe (Interleukine) aus, um die Kommunikation unter einander aufzunehm...
    Moinsen zusammen! Mein Psoriasis ist z Zt mal wieder auf Hochkonjunktur. Habe sie seit 1991 und überlege erstmali...
    Interleukin-23-Hemmer
    Schuppenflechte an den Nägeln
    Hallo,  hat jemand eventuell Erfahrungen mit diesem relativ neuen Biological Skyrizi bei Nagelpsoriasis gemacht? ...
    TNF-alpha-Blocker sind eine Art von Medikamenten, die im Körper die Reaktion auf den Tumor-Nekrose-Faktor alpha (TNF-...
×
×
  • Neu erstellen...

Wichtig:

Diese Seite verwendet einige wenige Cookies, die zur Verwendung und zum Betrieb notwendig sind. Auf Werbetracker verzichten wir bewusst.