Blutdrucksenkende Medikamente, insbesondere Betablocker, stehen im Verdacht, eine Psoriasis auslösen zu können. Auch wird ihnen nachgesagt, sich möglicherweise negativ auf eine bereits bestehende Psoriasis auszuwirken. Inzwischen bringt eine Metaanalyse solch lang gehegten Annahmen stark ins Wanken.
Die Forscher trugen Ergebnisse von Studien aus dem Zeitraum zwischen 1994 und 2005 zusammen. Dabei wurden Krankheitsverläufe und Begleitmedikationen von 36.702 Patienten analysiert, die erstmalig an Schuppenflechte erkrankt waren, und mit der gleichen Anzahl an Menschen gleichen Alters und Geschlechtes – aber ohne Hauterscheinungen - verglichen.
Die große Überraschung: Die Wissenschaftler entdeckten keinen Zusammenhang zwischen dem Auftreten einer Psoriasis und der Einnahme von Betablockern. Auch die Einnahme von anderen blutdrucksenkenden Medikamenten hatte keinerlei Einfluss auf die Entstehung der Hautkrankheit. Das heißt: Die Patienten, die Betablocker einnahmen, entwickelten genauso häufig eine Psoriasis wie die Menschen der Kontrollgruppe. Ob die Blutdrucksenker eine bereits bestehende Psoriasis verschlechtern würden, konnte aus den Daten jedoch nicht entnommen werden.
Etwa jeder dritte Patient beziehungsweise jede dritte Patientin zwischen 40 und 64 Jahren erkrankt in Deutschland an Bluthochdruck, ab dem 65. Lebensjahr ist es sogar die Hälfte aller Patienten. Medikamente der ersten Wahl sind nach wie vor Betablocker, die den Blutdruck senken und somit die Gefahr mindern sollen, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden.
Doch kein Medikament ohne Risiken und Nebenwirkungen. Bei Betablockern beziehen sich die Warnhinweise unter anderem auf Psoriasis. So sollte der gängige Betablocker Concor (Bisoprolol) beispielsweise bei „akuter oder früherer Psoriasis bzw. Psoriasis in der Familie“ nur „wenn unbedingt notwendig, eingenommen werden“.
Allerdings weiß scheinbar niemand genau, weshalb Betablocker die Haut negativ beeinflussen könnten. Diskutiert werden Auswirkungen auf den Zellstoffwechsel der T-Zellen des Immunsystems, die an den entzündlichen Prozessen beteiligt sind.
Andere vermuten einen Einfluss der Medikamente auf die Nebennierenrinde, wo normalerweise Glukokortikoidhormone gegen Entzündungsprozesse im Körper gebildet werden.
Eine dritte Hypothese beruht auf einer Hemmung eines Botenstoffes namens zyklisches Adenosinmonophosphat (cAMP), der im Körper zahlreiche Prozesse steuert. Wissenschaftliche Beweise gibt es bisher jedoch zu keiner dieser Theorien.
Derartige Warnhinweise beruhen mehr oder weniger auf Fallberichten, schreibt Professor Sebastian Harder vom Institut für klinische Pharmakologie der Universität Frankfurt in einer Stellungnahme, abgedruckt in der "Medical Tribune" vom Oktober 2004. Im Bezug auf die Anzahl der mit Betablockern behandelten Patienten trete ein Zusammenhang zwischen Betablocker Gabe und dem Auftreten beziehungsweise der Verschlechterung psoriatischer Hauterscheinungen nur selten auf. Dennoch hielt er noch vor acht Jahren die Zusammenhangswahrscheinlichkeit als ausreichend gesichert.
„Nach der Meta-Analyse kann die Sache wohl etwas entspannter gesehen werden“, erklärt er heutzutage, obwohl es dennoch immer wieder aktuelle Fallberichte und Warnmeldungen gibt. „Ich denke, ein präventives Absetzen ist nicht angemessen, auch ist die Psoriasis keine Anwendungsbeschränkung für Betablocker“, so Harder. Wenn Betalocker ausschließlich zur Blutdrucksenkung verordnet würden und andere therapeutische Maßnahmen zur Verfügung stünden, könne man versuchen, einen beginnenden Schub durch Ausschleichen der Medikamente einzudämmen.
Unverzichtbar sind Betablocker jedoch nach einem Infarkt, bei Vorhofflimmern oder Gefäßerweiterungen am Herzen. In diesen Fällen empfiehlt Harder, zunächst einen Wirkstoffwechsel auszuprobieren.
Ähnlich sieht es Professor Kristian Reich, Gründungsmitglied des SCIderm (Scientific Research, Clinical Studies and Innovative Consulting) in Hamburg. „Bei den meisten Patienten sehe ich kein Problem“, sagt er. Sicher gäbe es manche Patienten, bei denen sich die Psoriasis unter Betablockern verschlechtert oder eine Psoriasis ausbricht. Ob dies aber tatsächlich an den Betablockern liege, sei nicht nachvollziehbar.
Die Ergebnisse der Meta-Analyse aus dem Jahr 2008 bestätigen Reichs Ansicht. Allerdings haben sich diese neuen Erkenntnisse in der Praxis bis heute nicht ausgewirkt, sagt Reich. Seiner Meinung nach ist es das Wichtigste, die Psoriasis optimal zu behandeln – ob mit oder ohne Betablocker.
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