Längst bekannte Werte, die aber lange Zeit nur Empfehlungen darstellten, wurden nach 2015 offiziell in die Fachinformation aufgenommen. Damit wurden sie für Ärzte verbindlich.
In der Oktober-Ausgabe des arznei-telegramms im Jahr 2015 wurde auf eine aktualisierte Fumaderm-Fachinformation vom Juli 2015 hingewiesen. Die nennt einen Grenzwert von 700 Lymphozyten pro Mikroliter (<700/μl). Sinkt die absolute Lymphozytenzahl unter diesen Wert, muss die Dosis halbiert werden. Wenn der Wert nach 2 bis 4 Wochen nicht ansteigt, soll das Medikament unbedingt abgesetzt werden. Ebenfalls schreibt Biogen deutlich in der Fachinformation vor, dass die Therapie sofort abgebrochen werden muss, wenn im Blut weniger als 500 Lymphozyten pro Mikroliter (<500/μl) enthalten sind.
Ärzte, die sich an der Psoriasis-Leitlinie orientiert haben, kannten diese Werte schon seit Jahren. Leitlinien haben aber lediglich einen empfehlenden Charakter, spiegeln jedoch die Erfahrung der Fachärzte wider. Bis in 2013 die ersten PML-Fälle gemeldet wurden, spielten diese Grenzwerte in der öffentlichen Diskussion keine wesentliche Rolle. Seitdem wurde PML, als gefährliche Nebenwirkung von Dimethylfumarat, damit erklärt, dass weiterbehandelt worden sei, obgleich eine "schweren Lymphopenie" vorgelegen habe. Das arznei-telegramm weist darauf hin, dass der international übliche Wert für eine schwere Lymphopenie 500/µl ist. So sind möglicherweise die meisten weiteren PML-Fälle durch Dimethylfumarat zu erklären.
Erst jetzt wurden die Grenzwerte aus den Leitlinien in die Fachinformation für Fumaderm übernommen. Dadurch müssen sie verbindlich berücksichtigt werden. Das arznei-telegramm kritisiert – nicht zum ersten Mal – dass das Bundesinstitut für Arzneimittelsicherheit (BfArm) viel zu lange gebraucht habe, bis die Produktinformation durch den Hersteller geändert wurde.
Drei Monate nach Veröffentlichung dieser aktualisierten Fachinformation, also im Oktober 2015, hat ein Ausschuss der Europäischen Arzneimittel Behörde (EMA) diesen Grenzwert übernommen. Unter dem Titel "Aktualisierte Empfehlungen, um das Risiko der seltene Gehirninfektion PML unter Tecfidera zu minimieren. Ähnliche Empfehlungen gelten für andere Fumarat Medikamente" heißt es für Fumaderm und Psorinovo außerdem: „Während der Behandlung sollten alle 4 Wochen die Blutzellen gezählt werden". Diese Empfehlung geht an die Europäische Kommission, damit sie in der gesamten EU rechtsverbindlich wird.
Interessant ist in diesem Papier des EMA-Ausschusses folgender Satz: Die Überwachung der weißen Blutkörperchen habe „auf der Grundlage der Beweise in den Fallberichten über PML bei Fumaderm“ zu erfolgen. Das müsste eigentlich bedeuten, dass die Forderung der Kieler Neurologen nach erweiterten Blutbild-Kontrollen umgesetzt wird. Sie gehen davon aus, dass Dimethylfumarat vor allem die Lymphozyten-Untergruppen CD4+ und die CD8+ verringert. Die aber sind besonders darauf spezialisiert, das PML-verursachende JC-Virus zu bekämpfen.
Die Blutbildkontrolle auf diese Untergruppen auszuweiten wird aber in der Empfehlung der EMA nicht gefordert. Wie ist dann aber diese Aussage zu verstehen?
Tipps zum Weiterlesen
- Blutbild bei Fumaraten muss erweitert werden vom 18.09.15
- Fumaderm: Wann besteht ein Risiko? vom 14.04.15
- Fehlende Sicherheit bei Fumaderm? vom 14.04.15
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