Eine der kritischsten Stimmen im deutschen Gesundheitswesen, das "arznei-telegramm", hat sich jetzt erneut mit dem Medikament Fumaderm und dem Wirkstoff Dimethylfumarat beschäftigt: In Ausgabe 04/2013 antwortet die Redaktion auf die Frage eines Facharztes aus Vreden. Er wollte von seinen Kollegen wissen, was von der Behandlung mit Fumarsäureestern zu halten ist.
Hingewiesen wird auf die Informationen in der deutschen Leitlinie zur Behandlung der Psoriasis - eine Art Leitfaden für Ärzte, wie die Schuppenflechte für gewöhnlich therapiert wird. Demnach würden es 50 bis 70 Prozent der Patienten mit Fumaderm schaffen, ihre Schuppenflechte um 75 Prozent und mehr zurückzudrängen. Für die europäische Leitlinie indes konnten sich die Experten offenbar über Fumarsäureester nicht einigen - "die einzige Therapieoption, für die kein Konsens erzielt wird", schreibt das arznei-telegramm.
Berichtet wird weiter, dass Daten zum Nutzen von Fumaderm "nach wie vor spärlich" vorhanden seien - zum einen aus einer kleinen Untersuchung mit 24 Teilnehmern und zum anderen aus der einzigen Studie, in der Patienten auch zum Vergleich ein Placebo-Medikament bekamen. "Allerdings brechen unter Fumarsäureestern 39 Prozent und unter Placebo sogar 58 Prozent die Einnahme vorzeitig ab", so das arznei-telegramm. Die Mediziner kritisieren, dass in der Veröffentlichung zur Studie weder steht, wie groß der Befall zu Beginn der Therapie war, noch, welche Therapien zuvor schon angewendet wurden. Das Fazit des arznei-telegramms: "Im Grunde sind die Ergebnisse daher nicht verwertbar".
Auch die Sicherheit von Fumaderm findet das arznei-telegramm "unzureichend dokumentiert". Magen-Darm-Beschwerden und Flushs würden oft zum Absetzen der Behandlung führen. Häufige träten auch eine Eosinophilie, eine Leukopenie oder eine Lymphopenie auftreten. Einzelne Berichte über eine tödlich verlaufene Panzytopenie, ein Kaposi-Sarkom, Niereninsuffizienz oder mehrere Fälle von Nierenversagen listen die Mediziner in ihrem Beitrag auf.
Sie wissen aber auch: "Die vorhandenen Therapiemöglichkeiten der schweren Psoriasis sind unbefriedigend, und die zur Verfügung stehenden Mittel bergen erhebliche Risiken".
Im Fazit fassen die Redakteure zusammen, dass ihnen aussagekräftige Studien zu Nutzen und Risiken fehlen. "Nicht einmal die wirksamen Bestandteile und die optimale Dosierung sind hinreichend geklärt."
Salomonisch urteilen die Schreiber schließlich aber: "Angesichts der erheblichen Risiken anderer systemischer Antipsoriatika wie Methotrexat, Ciclosporin oder Biologika hält ein Teil der Redaktion einen Therapieversuch dennoch für vertretbar, wenn die Patienten über den unzureichenden Kenntnisstand aufgeklärt werden und regelmäßige Blutbildkontrollen gewährleistet sind".
Gesetzt wird auf Studien mit dem Mono-Wirkstoff Dimethylfumarat allein, der nur einer von mehreren Bestandteilen in Fumaderm ist.
Immerhin stellt das Urteil "eines Teils der Redaktion" einen kleinen Fortschritt dar: Vor fünf Jahren etwa wurde Fumaderm im "Arzneimittelkursbuch 2007/2008" aus dem gleichen Hause noch kategorisch negativ beurteilt. Damals hieß es: "Wir halten die Einnahme der Fumarsäureester auf Grund der negativen Nutzen-Schaden-Bilanz für nicht vertretbar".
Update: In einer Sonderausgabe wies das arznei-telegramm einige Tage nach seiner oben beschriebenen Veröffentlichung auch auf die Nebenwirkung von Dimethylfumarat hin - die Entwicklung einer PML.
Lies dazu auch unseren Kommentar: Fumaderm fehlt es an Forschung
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