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  • Rolf Blaga
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    Rolf Blaga

    Wie Schuppenflechte und Selbstmorde zusammenhängen

    Bei einigen Psoriasis-Medikamenten wird befürchtet, sie könnten Tendenzen, sich selbst zu töten („Suizidalität“) verstärken. Aber es kann nicht nachgewiesen werden, dass sie tatsächlich die Ursache dafür sind. Völlig ausschließen will das jedoch auch niemand.

    Bewiesen ist, dass Menschen mit Schuppenflechte mehr an Selbsttötung denken als der Durchschnitt der Bevölkerung. Sie versuchen sich öfters das Leben zu nehmen und sterben etwas häufiger von eigener Hand. Das gilt für alle Psoriatiker – unabhängig von der jeweiligen Therapie. Deshalb sollten nicht nur die Patienten verstärkt auf suizidale Symptome achten, die mit einem der unter Verdacht geratenen Medikamente behandelt werden. Aber: Selbsttötungen kommen unter Psoriatikern extrem selten vor – wenn auch jeder Fall einer zu viel ist. Als Lichtblick gilt, dass sich Depressionen und Ängste bei vielen Patienten durch eine wirkungsvolle Behandlung der Psoriasis verbessern lassen.

    Ab September 2017 darf das Biologikum Brodalumab (Kyntheum) in der EU verschrieben werden. Während der Studienphase gab es sechs Selbsttötungs-Fälle, davon vier bei Schuppenflechte-Patienten. Deshalb hatte der ursprüngliche Auftraggeber, die US-Firma Amgen, die Studien unterbrochen. Für die dann doch noch beantragte Zulassungsprüfung von Brodalumab in den USA hat die FDA Zahlen veröffentlicht, wie viel versuchte und vollendet Selbsttötungen es in klinischen Psoriasis-Studien bisher gab:

    Selbsttötung

    pro 100 Patienten in einem Behandlungsjahr

      versucht und vollendet vollendet
    Adalimumab (Humira) 0,03 0,03
    Apremilast (Otezla) 0,20 0,07
    Brodalumab (Siliq, Kyntheum) 0,21 0,04
    Infliximab (Remicade) 0,24 0
    Ixekizumab (Taltz) 0,14 0
    Secukinumab (Cosentyx) 0,03 0
    Ustekinumab (Stelara) 0,02 0,02

    Bei den Ixekizumab-Studien wurden neuro-psychische Vorerkrankungen ausdrücklich ausgeschlossen. Obwohl Apremilast (Otezla®) schon in den Studien eine höhere Selbsttötungs-Rate aufwies, gab es eine entsprechende Warnmitteilung (Rote-Hand-Brief) erst im November 2016 nach der Zulassung.

    Professor Craig L. Leonardi hält die Zahl der Fälle, z.B. bei Brodalumab, für zu gering. Sie seien statistisch nicht aussagekräftig (signifikant) genug, um zu behaupten, die Medikamente würden Selbsttötungs-Ideen verursachen. Trotzdem, so Leonhardi, würde natürlich jeder wegen des ernsten Ereignisses innehalten.

    Brodalumab in den USA und Europa

    Zwei Zulassungsgremien haben sich ausführlich mit den Fällen und ihren psycho-sozialen Hintergründen bei Brodalumab beschäftigt. In den USA erklärte ein Beratungsausschuss der FDA, dass aus den verfügbaren Daten nicht eindeutig gefolgert werden könne, ob Selbsttötung durch das Medikament verursacht wird oder nicht. Deshalb darf Brodalumab in den USA nur dann verschrieben werden, wenn der Patient in ein umfangreiches Risiko-Programm (REMS) eingebunden wird. Und es darf nur von solchen Ärzte verschrieben werden, die im Umgang mit diesem Programm geschult wurden.

    Für die Europäische Union erklärte ein Komittee der EMA, nach derzeitigem Wissen gäbe es keine „biologisch plausible Erklärung“ dafür, dass Brodalumab suizidale Tendenzen bewirkt. Allerdings könne es auch nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden. Man wisse derzeit noch zu wenig über die Wirkungen von IL-17 im Zentralen Nervensystem. Deshalb müssen Patienten, Pflegepersonal und Familien darauf hingewiesen werden, bei ersten Anzeichen von typischen Symptomen umgehend medizinisches Fachpersonal zu informieren. Die Herstellerfirma muss im Rahmen eines Risiko-Management-Plans (RMP) Strategien festlegen, wie ein mögliches Suiziditäts-Risiko vermindert werden könne.

    In den Diskussionen wurde hervorgehoben, dass Patienten mit Psoriasis generell stärker gefährdet sind, an psychischen Störungen zu erkranken als die allgemeine Bevölkerung, aber auch als andere Hautkranke. Zahlreiche Studien belegen, dass vor allem Depressionen, Angstzustände und Selbsttötungs-Tendenzen bei Menschen mit Schuppenflechte häufiger vorkommen.

    Psychische Symptome

    So oft häufiger als ohne Psoriasis wurden die Symptome in Studien bemerkt

      Angstzustände Depressionen Selbsttötungs-

    Gedanken

    Selbsttötungs-

    Versuche

    Selbsttötungs-

    Abschlüsse

    Analyse von 18 Studien

    mit 330.207 Psoriatikern

    September 2017

      (bei 9,8%-12,5%) 2x 1,32 x 1,2 x
    Daten des

    Gesundheitsministeriums GB

    mit 149.998 Psoriatikern

    August 2010

    1,39 x 1,31 x 1,44 x    
    Europäische Studie mit 3.635 Psoriatikern 2,18 x 2,4 x 1,94 x    
    Anzahl der Fälle pro 100 Patienten, die 1 Jahr behandelt werden     0,11 0,04 0,03

    Noch stärker gefährdet als der durchschnittliche Psoriatiker sind schwer Betroffene und Jüngere. Wer eine schwere Schuppenflechte hat, wird meist erheblich in seiner Lebensqualität eingeschränkt sein. Er leidet unter sozialer Ausgrenzung, Abwertung durch andere, negativem Körperbild und geringem Selbstwertgefühl. Das fördert Depressionen, die typischerweise Selbsttötungen auslösen können. Jüngere Psoriatiker sind oft noch nicht so gut in der Lage, mit ihrer Krankheit umzugehen und neigen zu impulsiven Handeln. Das fördert ebenfalls suizidale Tendenzen.

    Entzündungen auch im Kopf

    Aber es ist nicht nur die persönliche Situation, die Suizidalität fördert. In verschiedenen Untersuchungen wurde festgestellt, dass entzündungs-auslösende Botenstoffe (Zytokine) den Serotinin-Stoffwechsel beeinflussen. Der ist zuständig für die Grundstimmung („Glückshormon“).

    Patienten mit Depressionen, die sonst medizinisch gesund und ohne entzündliche Hauterkrankungen waren, hatten typische Entzündungs-Biomarker im Gehirngewebe. In einer Studie wurden bei Menschen, die versucht hatten, sich selbst umzubringen, höhere Interleukin-6-Werte gegenüber gesunden Patienten gefunden. Chronisch entzündliche Krankheiten sind demnach ein eigenständiges Risiko für psychische Erkrankungen.

    Medikamente mit Suizid-Risiko

    Erhöhte Vorsicht ist geboten, denn es sind Wirkstoffe bekannt, die Selbsttötungs-Ideen bei Patienten auslösen, die nie zuvor daran gedacht hatten. Diese Suizidität kommt plötzlich, meist ohne Vorzeichen und die Betroffenen können sich dem kaum entziehen. Über die tatsächlich nachgewiesenen Fälle hinaus stehen weitere Medikamente im Verdacht, dazu zu gehören.

    Sensibles und komplexes Thema

    In Deutschland nehmen sich ziemlich konstant über die Jahre hinweg um die 10.000 Menschen das Leben. Das sind 0,012 Prozent der Bevölkerung (2015). Bei geschätzt 2 Mio. Psoriatikern mit einem 1,2 x höherem Suizid-Risiko müsste es unter ihnen 288 Selbstmorde pro Jahr geben – als Begleiterscheinung der Psoriasis und unabhängig davon, mit welcher Therapie sie behandelt wurden. Professor Mathias Augustin betonte, dass dem deutschen Register PsoBest bisher keine Suizid-Fälle im Zusammenhang mit innerlichen Psoriasis-Medikamenten gemeldet wurden.

    Wer sich mit dem Thema näher beschäftigt, erfährt, wie umfangreich und vielschichtig es ist. Schon der Begriff „Selbstmord“ wird abgelehnt, weil er die Opfer zum Täter erklärt. Ein „Mord“ ist strafrechtlich ein Verbrechen, eine Selbsttötung dagegen meist eine Verzweiflungs-Tat.

    Für Außenstehende ist es meist schwer zu erkennen, ob und wie stark jemand gefährdet ist. Meist bitten Suizid-Gefährdete nicht direkt um Hilfe, sondern senden indirekte Signale aus. Davon gibt es derart viele, dass hier nur einige genannt werden können:

    • Aussagen über die Sinnlosigkeit des Lebens,
    • Tiefe verzweifelte Hoffnungslosigkeit („seelischer Schmerz“),
    • Anhaltende Gefühle von Vereinsamung, Verlassen-Sein o. ä.,
    • Ansprechen des Themas (Selbsttötung) oder zweifelsfreie Absichtserklärung,
    • Hoher Leidensdruck wegen ständig wiederkehrender Erkrankung und Hoffnungslosigkeit in Bezug auf Therapierbarkeit,
    • Anhaltende quälende innere und äußere Unruhe, Nervosität, Fahrigkeit, Getriebenheit,
    • Gegen sich selbst gerichtete Schuldvorwürfe („Alles wäre besser, wenn ich nicht mehr leben würde“),
    • Fehlende Impuls-Kontrolle mit Neigungen zur Selbstverletzung.

    Links zu ausführlichen Hinweisen findest du am Ende des Artikels.

    Was also tun?

    Für Laien ist es meist nur schwer möglich, jemanden akut zu helfen. Wichtig ist, den Betroffenen in seiner Not ernst zu nehmen. Völlig falsch wäre es, seine Verzweiflung herunter zu spielen oder schön zu reden. Man sollte ihn ermuntern, sich von Experten oder Beratungsstellen helfen zu lassen. Tag und Nacht steht für schnelle Hilfe die Telefon-Seelsorge bereit. Auf jeden Fall sollten nahe Angehörige oder enge Freunde informiert werden. Wer mit einem suizid-gefährdeten Menschen zusammen lebt, sollte sich ausführlich informieren – auch um sich selbst zu schützen.

    Psychische Störungen können als typische Begleiterkrankung bei allen Psoriatikern auftreten. Das sind in erster Linie Depressionen, aber auch Suizid-Gedanken. Tatsächlich vollendete Selbsttötungen kommen extrem selten vor! Gefährdet sind Risikogruppen: schwer von der Psoriasis Betroffene, ältere hochbetagte Männer, junge Frauen zwischen 15 und 25 Jahren, Alkohol-, Drogen- und Medikamenten-Abhängige und diejenigen, die schon zu Therapiebeginn an Depressionen oder Persönlichkeits-Störungen gelitten haben. Arzt und Patient müssen gemeinsam abwägen, welche Therapie geeignet scheint, wie psychische Risiken verringert und wie sie beobachtet werden könnten. Sicherlich eine große Herausforderung für alle Beteiligten.

    Aber es gibt Hoffnung: Mit ziemlicher Sicherheit wirkt sich eine erfolgreiche Therapie der Psoriasis auch positiv auf Begleiterkrankungen aus. Wer dadurch seine Lebensqualität verbessern kann, wird auch deutlich weniger unter seiner Krankheit leiden. Wenn im Körper die Entzündungslast dauerhaft gesenkt wird, wird es weniger entzündungsauslösende Signale geben. Damit können biologische Auslöser für Depressionen verhindert werden. Keine Hautkrankheit ist heutzutage so gut zu behandeln, wie die Psoriasis. Das sollte allen Mut machen!

    Tipps zum Weiterlesen

    Ein wichtiger Hinweis

    Wer Suizidgedanken hat, sollte sich an vertraute Menschen wenden. Oft hilft bereits das Sprechen dabei, die Gedanken zumindest vorübergehend auszuräumen. Wer für weitere Hilfsangebote offen ist oder sich um nahestehende Personen sorgt, kann sich an die Telefonseelsorge wenden: Sie bietet schnelle Hilfe an und vermittelt Ärzte, Beratungsstellen oder Kliniken unter der Nummer 0800/111 01 11  oder 111 0 222 oder  116 123 oder live im Chat.


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    Fast jeder Suizid wäre verhinderbar. Nicht die Frage nach dem warum, sondern was würde einem davon abhalten ist sinnvoll. Genau hier ist aber das Problem. Ich bin Suizid gefährdet. Einiges würde mich sicher davon abhalten. Doch man redet immer nur von verhindern, nur passiert da reichlich wenig.Beispiel: Ich will meine letzten Jahre in Ruhe, Frieden, Sonne guter Versorgung verbringen. Ein medizinischer Checkup um bestehende Probleme zu behandeln ist ein unendlicher Hürdenlauf. Ist das alles so ein Problem ? Natürlich nicht, aber eine aktive Hilfe um dieses Ziel zu erreichen gibt es nicht. Als Kranker mit Suizid Wunsch kann ich mich nicht um die Bürokratie und den ganzen Käse kümmern. Aber es findet sich keiner der das für mich mal konsequent tut. Das Ende von Lied ich liege irgendwie, irgendwo tot auf dem Boden. Suizid Prävention ist zuhören und endlich mal handeln.

    Wenn ich keinen Platz an der Sonne "verdiene" wozu soll ich als alter, kranker Mensch weiter leben wollen ?!? Kein Geld da ? Na dann holt unser Geld von den Teichen zurück. Die brauchen keine Milliarden. Ich fühle mich zurecht im Stich gelassen und dann ist man noch zu feige, mir den Gnadenschuss zu gönnen. Wenn ihr das nicht ändert, wird die Suizidrate ganz schnell steigen, denn es gibt immer mehr Alte und Kranke. Ein letztes Wort zu meinem Arzt und Betreuer: "Danke für nichts ..."

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    Hallo Freddy, eine aktive Hilfe, eine Art Lotse, wäre toll. Man muss sich wirklich vieles erst erkämpfen. Aber wenn du Suizidgedanken hast, dann solltest du dich umgehend vom Hausarzt beraten und zu Fachleuten überweisen lassen. Oder Kontakt zu deiner Krankenkasse aufnehmen, die dir einen Termin beim Facharzt vermitteln kann.

    Was du aber auf gar keinen Fall glauben solltest, ist, dass du keinen Platz an der Sonne "verdienst". Damit redest du dich doch selbst schon klein. Wenn du magst, kannst du auch bei uns anrufen – die Telefonnummer steht unten am Ende jeder Seite.

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