Kyntheum ist ein Medikament zur Behandlung der Schuppenflechte. Der Wirkstoff darin heißt Brodalumab. Es kommt als Injektion mit 210mg einer Lösung. Es wird alle zwei Wochen angewendet.
Das Medikament gehört zu den Biologika. Das sind Antikörper, die auf bestimmte Stoffe im Immunsystem angesetzt werden. Brodalumab zielt auf die Zytokinfamilie Interleukin-17, die aus fünf verschiedenen Botenstoffen (IL-17A bis IL-17F) besteht. Die veranlassen, dass verstärkt Hautzellen (Keratinozyten) gebildet und Entzündungen ausgelöst werden. Das Signal dazu wird aber nur weitergeleitet, wenn der Botenstoff an einen Rezeptor andockt. IL-17 passen nur in IL-17-Rezeptoren, wie ein Schlüssel in ein Schloss. Während Secukinumab und Ixekizumab verhindern, dass sich überhaupt IL 17A bilden, blockiert Brodalumab die IL-17-Rezeptoren. IL-17A und weitere aus der IL-17-Familie finden keine freien Rezeptoren und können dadurch ihre Signale nicht loswerden. Deshalb gehört der Wirkstoff zu den IL-17-R-Antagonisten.
Die Endung „umab“ verweist darauf, dass der Brodalumab vollständig aus menschlichen Proteinen (Eiweißen) hergestellt wird. Es sind also keine tierischen Eiweiß-Anteile enthalten.
Kyntheum wird nur als Fertigspritze angeboten, die man sich selbst setzt. Ein Pen ist nicht geplant. Enthalten sind 210 Milligramm.
Wer kann Kyntheum bekommen?
Kyntheum ist zugelassen für die Behandlung einer mittelschweren bis schweren Schuppenflechte bei Erwachsenen. Es kommt für alle infrage, bei denen eine äußerliche Therapie nicht ausreicht. Das Medikament ist für die „first-line-therapy“ zugelassen, d.h. es darf verschrieben werden, ohne dass erst andere Medikamente ausprobiert werden müssen.
Studien zur Anwendung bei Psoriasis arthritis laufen in Europa nicht (mehr).
Wer sollte Kyntheum nicht nehmen?
Menschen mit aktivem Morbus Crohn sollen das Medikament nicht nehmen bzw. absetzen. Außerhalb der Schübe ist die Behandlung von Morbus-Crohn-Erkrankten mit Kyntheum möglich, muss aber überwacht werden.
Patienten, die vor Beginn der Therapie Depressionen oder Selbstmordgedanken hatten, sollten mit dem Arzt besprechen, ob Kyntheum für sie das richtige Präparat ist. Deuten sich entsprechende Symptome während der Therapie neu an oder verstärken sie sich, ist Kyntheum abzusetzen.
Hintergrund ist, dass es sechs Selbstmorde unter Kyntheum-Studienteilnehmern gab. Die Zulassungsbehörden der USA und der EU haben diese Fälle sehr genau untersucht. Sie haben nichts gefunden, was wissenschaftlich einen Zusammenhang zum Medikament erklären könnte. Trotzdem sei ein Risiko nicht völlig auszuschließen, weil über die Wirkung des IL-17 im Zentralen Nervensystem bisher zu wenig bekannt sei.
In den USA darf Kyntheum deshalb nur dann abgegeben werden, wenn Ärzte systematisch das Risiko bewerten und Strategien vorlegen, wie es abzuschwächen ist. In der deutschen Fachinformation werden Patient, Pflegepersonal und Familienmitglieder aufgerufen achtsam zu sein: Schon bei den geringsten Anzeichen von selbstmörderischen Gedanken oder Verhalten sollten Arzt, Apotheker oder medizinisches Fachpersonal informiert werden. Der Anbieter LEO Pharma untersucht in einer Studie, wie sich Nutzen und Risiko bei Kyntheum in Europa verhalten. Diese Studie ist Teil eines Risiko-Management-Plans, den die europäische Arzneimittelbehörde EMA für neue Arzneimittel erstellt.
Alle Experten weisen ausdrücklich darauf hin, dass Menschen mit Schuppenflechte generell ein höheres Risiko haben, eine Depression oder selbstmörderisches Verhalten zu entwickeln. Das sei krankheitsbedingt und unabhängig vom jeweiligen Medikament. Das wäre bisher nur nicht so genau beobachtet worden.
In der deutschsprahigen Fachinformation heißt es unter anderem:
Patienten, Pflegepersonal und Familien sind darauf hinzuweisen, auf ein Auftreten oder eine Verschlechterung von Depressionen, Suizidgedanken, Angst oder anderen Stimmungsschwankungen zu achten und ihren Arzt, Apotheker oder das medizinische Fachpersonal zu kontaktieren, falls dies eintritt.
Wie gut wirkt Kyntheum?
Für die Zulassung waren Ergebnisse aus mehreren Studien maßgeblich. Die wichtigsten Studien hießen Amagine-2 und Amagine-3. Darin wurde unter anderem gemessen, wie gut der Wirkstoff Brodalumab nach 12 Wochen gewirkt hatte. Bedeutend sind die Ergebnisse mit der Dosis 210 mg, da nur die in Europa zugelassen ist.
In den beiden Amagine-Studien
- erreichten 86 Prozent der Patienten eine Verbesserung ihrer Psoriasis um 75 Prozent.
- erreichten 69 Prozent der Patienten eine Verbesserung ihrer Psoriasis um 90 Prozent.
- erreichten 37 Prozent der Patienten eine Verbesserung ihrer Psoriasis um 100 Prozent – sprich: Von der Schuppenflechte war nichts mehr zu sehen.
Mehr Details stehen der besseren Übersichtlichkeit wegen am Ende des Artikels.
Kyntheum wirkt schnell: Die Psoriasis verbesserte sich bei 6 von 10 Probanden in einem Monat um 75 Prozent. Beim bisherigen „Sprinter“ Taltz sind es 5 von 10.
Die Therapieerfolge sind unabhängig davon, ob jemand schon vorher mit einem anderen Medikament behandelt wurde. Wer mit Kyntheum aussetzen muss, kann damit rechnen, dass es bei der Wiederaufnahme genauso gut wirkt wie vorher.
Anwendung von Kyntheum
- Die Spritze sollte 30 Minuten vor Anwendung aus der Packung und dem Kühlschrank entnommen werden. Sie soll sich an die Raumtemperatur anpassen.
- Die Spritze sollte weder in die Sonne gelegt noch geschüttelt werden.
Gespritzt wird entweder in den Bauch, die Oberschenkel oder die Außenseite des Oberarms. Es sollte nicht immer genau die gleiche Stelle sein, und wenn's der Bauch wird, sind 5 Zentimeter um den Bauchnabel herum tabu.
Vom ausgewählten Ort für die Spritze wird mit Daumen und Zeigefinger ein kleiner Wulst gebildet. In den wird die Spritze im Winkel von 45 bis 90 Grad gesetzt und rasch heruntergedrückt. Es sollte der gesamte Inhalt gespritzt werden.
Dosierung
Die ersten drei Male gibt es wöchentlich eine Spritze. Ab der vierten Spritze wird Kyntheum alle zwei Wochen angewendet. Dieser Abstand soll genau eingehalten werden, da die Wirkung nachlassen kann, wenn man die Zeitspanne verlängert.
Wenn Kyntheum nach drei bis vier Monaten nicht ausreichend wirkt, solltest du mit deinem Arzt sprechen, ob eine andere Therapie besser helfen kann. Manche haben aber auch noch eine Besserung erlebt, wenn sie länger als vier Monate Geduld hatten.
Mögliche Nebenwirkungen
In der Fachinformation wurden als häufigste Nebenwirkungen genannt:
- Reaktionen an der Injektionsstelle (Entzündung, Schmerzen, Juckreiz, blauer Fleck, Blutung)
- Infektionen, vor allem Grippe, bei 25,4 Prozent, ohne dass das Medikament abgesetzt werden musste; schwerwiegende Infektionen bei 0,5 Prozent, Pilzinfektionen bei 1,8 Prozent.
- Kopfschmerzen bei 4,3 Prozent
- Ermüdung bei 2,6 Prozent
- Durchfall (Diarrhoe) und Übelkeit bei 2,2 Prozent
- Schmerzen im Rachen (Oropharynx), 2,1 Prozent
Lagerung
Die Packung mit Kyntheum gehört in den Kühlschrank bei 2 bis 8 Grad (und nicht ins Tiefkühlfach!). Der Karton schützt die Spritze auch vor Licht und Beschädigungen.
Kyntheum kann bei Raumtemperatur bis zu 14 Tage lang gelagert werden. Das ist zum Beispiel für eine Reise wichtig zu wissen. Danach darf es nicht mehr verwendet werden.
Preis
Die Kosten für eine Packung mit zwei Spritzen Kyntheum belaufen sich auf 1419,48 Euro (Stand Juli 2021).
Aber Achtung: Das ist ein Listenpreis. Er kann durch Verträge zwischen Hersteller und Krankenkasse anders sein. So dient er nur als ungefährer Anhaltspunkt.
Tipps zum Weiterlesen
- In unserer Community können Erfahrungen mit Kyntheum bei Psoriasis ausgetauscht werden.
- Patienten können vom Arzt ein Starter-Kit bekommen. Das enthält ein Passwort, mit dem sich Anwender beim Patientenbetreuungsprogramm ctrl anmelden können.
- Über die Entwicklung des Wirkstoffs und seinen Weg bis zur Zulassung hatten wir bislang hier berichtet.
- Erklärung und Bewertung des Wirkstoffs vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) zur Anwendung bei Schuppenflechte (Psoriasis)
- Veröffentlichung der Europäischen Arzneimittelbehörde
- Weitere Einzelheiten stehen in der Fachinformation von Kyntheum
Kurz gemeldet
- April 2024: In der LIBERO-Studie wurde untersucht, wie mittelschwere bis schwere Psoriasis mit Brodalumab 210 mg in der täglichen Praxis nach 12 und 52 Wochen wirkte. Insgesamt wurden die Daten von 638 Patienten aus 148 Standorten in Deutschland ausgewertet. Nach etwa 12 Wochen Behandlung mit Brodalumab hatten ungefähr 74 Prozent der Patienten einen PASI nicht höher als 3 (der Höchstwert ist 72). Nach etwa einem Jahr, also 52 Wochen, sah es noch besser aus: Fast 86 Prozent der Patienten hatten eine Haut, die entweder komplett klar war oder fast keine Psoriasis mehr zeigte. [Quelle]
- Oktober 2018: In einer Studie wurden Patienten, bei denen Stelara nicht ausreichend gewirkt hatte, auf Kyntheum umgestellt. Bei ihnen fiel die Besserung ihrer Schuppenflechte besser aus als bei denen, die mit Stelara weitermachten. (Quelle: Studie im British Journal of Dermatology)
- In Japan und den USA heißt das Medikaments Lumicef bzw. Siliq. In Japan ist der Wirkstoff zusätzlich zur Therapie bei Psoriasis arthritis, Psoriasis pustulosa und einer Erythrodermie zugelassen.
Wirksamkeit im Überblick
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Quellen:
- "Brodalumab for the Treatment of Psoriasis: A Review of Phase III Trials" in: Dermatology and Therapy, Juni 2016
- Fachinformation
- Beipackzettel
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