Rot und juckend – wenn es der Haut nicht gut geht, dann teilt sie das sehr deutlich mit. Worüber sie sich aber oft ausschweigt, ist die Ursache: Ist es beispielsweise ein Ekzem oder doch ein Psoriasis-Schub?
Psoriasis und Ekzem sind beides chronische Hautkrankheiten mit einem oftmals ähnlichen Erscheinungsbild. Beide benötigen jedoch unterschiedliche Behandlungen. Bisher war eine genaue Diagnose mitunter schwierig, denn der entscheidende Unterschied zwischen beiden ist mit bloßem Auge nicht sofort erkennbar. Auf molekularer Ebene – also ganz tief drin – hingegen sieht das ganz anders aus. Im Jahre 2016 veröffentlichte eine intereuropäische Forschungsgruppe ein Manuskript, in dem sie das Training eines neuen molekularen Klassifikators beschrieb. Dieser war in den späteren Studiengruppen in der Lage, die unterschiedlichen Genexpressionen NOS2 und CCL27 zu unterscheiden. Und: In 95 Prozent der Fälle lag der Klassifikator richtig.
Im November 2020 begann ein Forscherteam des Universitätsklinikums Heidelberg zu untersuchen, ob die molekulare Diagnostik die ärztliche Diagnostik unterstützen könnte. Innerhalb eines Jahres fand das Projekt 154 Teilnehmende. Bei knapp der Hälfte wurde die Hautkrankheit als mittelschwer eingestuft, bei rund 30 Prozent als schwer. Mit 76 Prozent waren die Hände am häufigsten von einem Ekzem oder einer Psoriasis betroffen, danach folgten die Füße (48,1 Prozent ), Beine (27,8 Prozent ) und zu guter Letzt die Arme (18,8 Prozent ). Für die Studie wurden kleine Hautproben entnommen und im Labor untersucht. Das Ergebnis wurde mit den Diagnosen verglichen, die Ärzte aus ihrer Erfahrung heraus gestellt hatten – wenn sie denn zu einer genauen Diagnose gekommen waren.
Erfahrungen von Menschen mit Schuppenflechte oder Psoriasis arthritis: Schau Dich in unserem Forum um.
Mehr als die Hälfte der Studienteilnehmer war bereits einmal in ärztlicher Behandlung gewesen. Der hohe Anteil an Patienten mit einer Therapie lag daran, dass viele von ihnen in Berufen arbeiteten, bei denen schwere körperliche Arbeit zum Alltag gehörte.
Nach einem Studienjahr zeigte sich, dass die Chancen auf eine verbesserte Therapie sehr gut standen: Bei 31,2 Prozent der Teilnehmer hatten Ärzte zuerst keine genaue Diagnose stellen können. Nutzten sie den genetischen Klassifikator, konnten nahezu alle Fälle geklärt werden.
Bei zwei Drittel war die Schuppenflechte ein Ekzem
Eine größere Überraschung erlebten die Patienten mit Psoriasis. Insgesamt wurden 23,6 Prozent mit Schuppenflechte diagnostiziert, laut Klassifikator hatten zwei Drittel von ihnen jedoch in Wirklichkeit ein Ekzem. Andersherum wirkte der Klassifikator ebenso effektiv. Dermatologen erkannten bei 45,1 Prozent der Betroffenen ein Ekzem, der Klassifikator bestätigt das in 78,5 Prozent der Fälle.
Letztlich stimmte das Urteil von Ärzten und Klassifikator nur in 42,4 Prozent der Fälle überein – was stets an der Fehldiagnose der Ärzte lag!
Passendere Therapie dank genauerer Diagnose
Die Folgen der präziseren Diagnostik zeigten sich bereits nach sechs Monaten: Am Studienanfang nahmen 92,5 Prozent der Patienten Kortison-Medikamente ein. Nach einem halben Jahr war der Anteil auf 59,7 Prozent gesunken. Der Einsatz von topischen Immunmodulatoren hatte sich sogar fast halbiert (von 41,8 auf 22,4 Prozent ). Kein Wunder ist, dass Therapien mit dem Arzneistoff Alitretinoin von 11,9 auf 23,9 Prozent anstiegen. Dies wird nämlich nur bei schweren chronischen Handekzemen verschrieben, nicht aber bei Psoriasis.
Die hohe Erfolgsquote, die mithilfe des molekularen Klassifikators erzielt werden konnte, zeigt, wie wichtig diese neuen Erkenntnisse für die (richtige) Behandlung von Psoriasis und Ekzemen sind. Der Einsatz der molekularen Diagnostik wird es in naher Zukunft vielleicht ermöglichen, Therapiedauer sowie Behandlungskosten zu senken. Der größte Vorteil ist jedoch, dass die Lebensqualität der Menschen mit einer Hautkrankheit schneller gesteigert werden kann. Mario Gehoff
In Zusammenarbeit mit dem PsoNet Magazin.
Was ist ein molekularer Klassifikator?
Ein molekularer Klassifikator ist wie ein spezielles Werkzeug, das Wissenschaftler verwenden, um Dinge in verschiedene Gruppen einzuteilen. Man kann sich vorstellen, man hätte eine große Kiste mit verschiedenen Früchten wie Äpfeln, Bananen und Orangen. Ein Klassifikator wäre wie eine Maschine, die die Früchte untersucht und erkennt, zu welcher Art sie gehören. Der molekulare Klassifikator funktioniert ähnlich. Doch anstatt Früchte zu analysieren, betrachtet er winzige Teile, die Moleküle genannt werden. Jedes Molekül hat eine einzigartige Struktur und Zusammensetzung, die es von anderen Molekülen unterscheidet – in diesem Fall eben besagte Genexpressionen NOS2 und CCL27. Genexpression wiederum ist der Prozess, bei dem die Informationen in unseren Genen in bestimmten Zellen unseres Körpers verwendet werden, um Proteine herzustellen.
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