Wer mit größtmöglicher Sicherheit wissen wollte, ob er Schuppenflechte hat, musste lange unters Messer: Dann wurde bei einer sogenannten Biopsie ein kleines Hautstück entnommen. Es gibt eine Alternative, mit der der unangenehme Eingriff unnötig ist. Dr. Julia Weizel hat ein Gerät entwickelt, mit dem unter die Haut geguckt wird.
An der Hautklinik der Uni Lübeck wird das Gerät zum Beispiel eingesetzt – und in Arztpraxen in ganz Deutschland. Innerhalb von Sekunden sehen die Mitarbeiter der Klinik oder beim Arzt gestochen scharf, was unter der Haut des Patienten los ist. Das Verfahren heißt korrekt "Optische Kohärenz Tomographie" (OCT).
Dabei kann nicht nur gesehen werden, ob es sich um eine Schuppenflechte handelt. Auch der Verlauf einer Therapie ist so kontrollierbar. So ist schnell zu sehen, wenn ein Medikament nicht anschlägt: Dann verändert sich unter der Haut auch nichts. Die Lübecker Dermatologen haben ihr Gerät auch entwickelt, um frühzeitig einen Hautkrebs zu erkennen.
OCT ist die Bezeichnung für ein physikalisches Messverfahren, bei dem infrarotes Vergleichs-Strahl abgeglichen wird, erstellt ein Computer ein zweidimensionales Bild der analysierten Region.
"In der Medizintechnik wird OCT bisher vor allem bei Augenuntersuchungen angewandt, weil das Auge sehr lichtdurchlässig ist", so Dr. Welzel. Den Lübeckern ist es gelungen, ein leistungsstarkes Gerät zu entwickeln, mit dem auch die "blickdichte" Haut untersucht werden kann. Die Strahlung selbst ist für den Menschen unbedenklich; die Untersuchung kann unbegrenzt wiederholt werden.
Das Verfahren ähnelt dem eines Ultraschallgeräts. Beim Ultraschall werden jedoch keine optischen, sondern akustische Reflexionen - eben die Schallwellen - bildlich dargestellt. Auch die Art der Anwendung ist mit einem Ultraschallgerät vergleichbar: Mit einem "Handstück" fährt der Arzt über die Stelle. In Echtzeit entstehen bildschirmfüllend bis zu einem Zentimeter breite und maximal 1,7 Millimeter tiefe Aufnahmen der Haut. Hornhaut, Oberhaut (Epidermis) und Lederhaut (Dermis) grenzen sich voneinander ab, selbst winzige Blutgefäße und Schweißdrüsen sind gut sichtbar.
Dr. Welzel: "Die Hautaufnahmen sind erheblich besser als die von Ultraschallgeräten. Deren Auflösung ist wesentlich geringer und die Bilder sind entsprechend schlechter." Außerdem ist bei dem OCT-Verfahren das Auftragen von kaltem und glibberigem Gel unnötig, das vielen Menschen eine Ultraschalluntersuchung so unangenehm macht und das Bilder verfälschen kann.
Vorteile der optischen Mess-Methode
Und: Eine Gewebeentnahme kann immer nur einmal durchgeführt werden. Die verdächtige Hautveränderung wird damit aus dem Körper geschnitten. Bei der optischen Diagnose ist dagegen kein Eingriff nötig. Die entsprechende Hautstelle lässt sich jederzeit neu untersuchen.
Das Ausmaß einer Hautveränderung kann exakt beurteilt werden: Die Ärzte können sehr gut feststellen, wie stark eine Entzündung ist, welche Auswirkungen eine Verletzung hat oder ob eine länger andauernde Cortison-Behandlung die Haut über Gebühr ausdünnt.
Der Erfolg einer Therapie ist frühzeitig sichtbar: Beginnt ein Schuppenflechte-Patient eine neue Behandlung, kann der Verlauf mit regelmäßigen Untersuchungen kontrolliert werden. Schlägt die Therapie nicht an, lässt sich das nach kurzer Zeit erkennen und beeinflussen. Dies war bisher nur mit einer mikroskopischen Untersuchung von entnommenem Gewebe möglich.
Die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Pflegeprodukten und Kosmetika kann geprüft werden: Welchen Einfluss bestimmte Salben oder Seifen auf die Haut haben, lässt sich mit OCT exakt bestimmen. So haben die Lübecker Dermatologen Probanden 20 Minuten ihre Hände in Wasser bzw. Lauge baden lassen. Danach stellten sie fest, dass seifenfreie Waschstücke – sogenannte Syndets – einen geringeren Quelleffekt auf die Haut haben als Wasser oder Seife und auch nicht mehr so austrocknend wirken wie Seife. Bei Patienten mit berufsbedingten Hauterkrankungen konnte auf diese Weise ermittelt werden, dass sich längeres Tragen von Schutzhandschuhen negativ auf die Haut auswirkt und deshalb mit speziellen Cremes kombiniert werden sollte.
Frühzeitige Diagnose von Hauttumoren ist das Ziel: Schon jetzt kann den Patienten eine Gewebeentnahme erspart werden, wenn es um die Frage "Tumor oder Entzündung?" geht. Auch lässt sich die Ausbreitung eines Hauttumors mit dem OCT-Verfahren bereits bestimmen. Frühzeitiges Erkennen von bösartigem Gewebe ist jedoch erst dann möglich, wenn die Bildauflösung weiter verbessert wird und in den mikroskopischen Bereich vordringt. Erste Versuche mit verfeinerter Technik laufen bereits.
In den ersten Jahren wurde der Prototyp eines OCT-Geräts in der Hautklinik genutzt und seitdem permanent von Physikern und Ingenieuren des Laserzentrums und der damit kooperierenden Lübecker Firma "4optics" modernisiert. Benötigte der Computer anfangs für einen nur vier Millimeter großen Hautscan noch 20 Minuten, so wurde das Verfahren schrittweise für den Einsatz am Patienten tauglich gemacht. Inzwischen, so Dr. Welzel, wird es für systematische Untersuchungen in großem Stil verwandt: "Jährlich analysieren wir mehr als 1000 Hautveränderungen."
Uni Lübeck / Uwe Groenewold
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