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    Wirkstoffe fahren Taxi

    Von Matthias Manych

    Nanoteilchen sind nur wenige Milliardstel Meter groß. Würde man sie – aufgereiht zu einer Faser – um ein menschliches Haar wickeln, kämen sie einem Bindfaden gleich, der um einen Baum gebunden wurde. In der Königin-Luise-Straße in Berlin-Dahlem wird die Welt der chemischen Zwerge erforscht. Das neueste Projekt der Pharmakologen der Freien Universität Berlin: Moleküle mit völlig unterschiedlichen Eigenschaften werden wohldosiertem Hochdruck ausgesetzt, um stabile Nanopartikel mit exakt bestimmter Größe zu erhalten. Dadurch wollten die Wissenschaftler Winzlinge mit heilsamer Funktion entwickeln. Das Projekt "Nanoderm-TS" war Teil des Förderprogramms "Nano for Life" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

    Im Visier der Wissenschaftler standen dabei drei Hautkrankheiten, deren Behandlung noch immer aufwändig oder unzureichend ist: Schuppenflechte, Akne und aktinische Keratose, die Vorstufe des hellen Hautkrebs.

    Durch "Nanoderm-TS" sollten neuartige Medikamente entwickelt werden, die besser ihren Einsatzort erreichen. "Unser Projekt ist darauf spezialisiert, Arzneistoffe in Nanopartikel zu verpacken und gezielt in die Hautschichten zu bringen, wo sie wirken sollen", erklärte Burkhard Kleuser vom Institut für Pharmazie der Freien Universität Berlin damals.

    Grundlage des Projekts waren Erkenntnisse von Monika Schäfer-Korting, Leiterin der Abteilung Pharmakologie und Toxikologie des Instituts. Sie hatte herausgefunden, dass an Nanopartikel gebundene Wirkstoffe besser in die Haut eindringen. Diese Partikel bestehen aus drei Komponenten. Zwei Teile bilden eine Art "Nanotaxi", das dem Arzneistoff sicheren Halt gibt, ihn transportiert und am Ziel absetzt. Die nach innen gerichteten Molekül-Enden der Vehikelhülle (erste Komponente) binden gut an kleine Fettmoleküle (Lipide). Dieser Lipidkern, die zweite Komponente, dient als Verankerung für den dritten Teil, den Arzneistoff. Je nach Art des Wirkstoffs wird dieser entweder vollständig in den Lipidkern integriert oder er ragt etwas aus dem Nanogebilde heraus, um seine passgenauen Strukturen den Bindungsstellen der anvisierten Zielzellen zu präsentieren. Nach geglücktem Transport soll sich das Nanotaxi auflösen und die Arznei ihren Wirkung entfalten.

    Damit die Beförderung so reibungslos funktioniert, müssen sowohl das Arzneistoffmolekül als auch die Verbindungen des "Fahrzeugs" im selben Arbeitsgang, der so genannten Hochdruck-Homogenisation, zu einem stabilen Lipid-Nanopartikel verbunden werden.

    "Die Haut hat eine Lipidbarriere, deshalb hoffen wir mit den Lipid-Nanopartikeln ein optimales Wechselspiel zu erreichen", sagte Kleuser. Entscheidend ist auch, welchen Weg das Nanotaxi mit der Arzneifracht einschlägt. Dazu wurden drei Möglichkeiten untersucht:

    1. Erstens können die Nanopartikel gleich mit den Lipiden der obersten Hautschicht verschmelzen und ihren Wirkstoff freisetzen.
    2. Zweitens sind die Teilchen aufgrund ihrer stabilen Struktur auch dazu fähig, tiefer in die Haut einzudringen.
    3. Noch tiefer, nämlich bis zu den Haarbälgen, sollen sie bei der Aknebehandlung gelangen. Für diesen dritten Weg müssen die Lipid-Nanopartikel dann ein spezielles Design erhalten.

    Für die Anwendung bei Schuppenflechte und Akne wurde in der Arbeitsgruppe von Burkhard Kleuser Sphingosin-1-Phosphat in die Nanopartikel eingesetzt. Diese Substanz spielt eine wichtige Rolle bei der Signalwirkung von Vitamin D in der Haut, und seine Wirkmechanismen könnten besonders für die Psoriasis-Behandlung nützlich sein. Es hemmt sowohl die ständige Neubildung der Hautzellen, die an der Oberfläche sofort verhornen und die weißlichen Schüppchen bilden, als auch Immunzellen, die in die betroffenen Hautareale einwandern und den Entzündungsprozess verstärken. Zusätzlich wirkt Spingosin-1-Phosphat auch gegen kleinste Bakterien. Die aussichtsreiche Substanz ist eine Entwicklung der Pharmakologen der Freien Universität und bereits patentiert.

    Neue Therapiemöglichkeiten bei der aktinischen Keratose waren das Ziel der Forschergruppe um Monika Schäfer-Korting. Hier wurden Substanzen entwickelt, die die Polymerase hemmen. Das Enzym sorgt für die Vervielfältigung der Erbinformation und damit auch für die Zellteilung. Da der Aufbau der Polymerase bekannt ist, kann am Computer ein passender Gegenspieler modelliert werden. Weil einige der neu geschaffenen Polymerasehemmer jedoch mit ihrer ursprünglichen Struktur nicht durch die Lipidbarriere der Haut eindringen können und damit therapeutisch unwirksam wären, müssen die Pharmakologen einen chemischen Trick anwenden: Die Gegenspieler der Polymerase werden mit einem Molekülanhang maskiert und gelangen mit dieser Tarnung durch die Hautbarriere. Am Ziel wird die Maskierung von körpereigenen Enzymen wieder entfernt, und die Wirkung kann einsetzen.

    Im Jahr 2010 wollten die Forscher die neuartigen Medikamente in Form einer Creme oder Salbe mit lokal begrenzter Wirkung bereitstellen. Durch den effektiven Transport und die punktgenaue Freisetzung sollte so die therapeutisch nötige Wirkstoffmenge reduziert und unerwünschte Nebenwirkungen weitestgehend vermieden werden können.
    Für die Versuche zum Eindringen in die Hautschichten und die Verträglichkeitstests verwendeten die Wissenschaftler menschliche Haut, die aus Operationen stammt oder gezüchtete Kunsthaut. Tierversuche waren also vorerst nicht nötig.

    Quelle: idw, 30.10.2006

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