Bericht vom Dermatologen-Kongress in München (Juli 2010)
Seit 1951 findet in Bayerns Hauptstadt die wohl wichtigste Fortbildungsveranstaltung für deutschsprachige Hautärzte statt. Es sind vor allem die Praktiker, die sich hier inzwischen alle zwei Jahre treffen. Die Psoriasis war auch in diesem Jahr das Thema vieler Referate, wenn auch überwiegend bei den Präsentationen der Industrie.
Wirklich grundlegende Neuigkeiten oder Probleme wurden nicht vermeldet. Noch niemand sprach von der Neuentwicklung eines Biologikums, das nicht gespritzt sondern („oral“) geschluckt wird. Das jüngste Biologikum gegen Psoriasis arthritis, Golimumab („Simponi ), ist schon im Herbst 2009 in Berlin vorgestellt worden. Im Juni 2010 wurde ein Gel aus Vitamin D3 ähnlichem Wirkstoff + Kortison (Daivobet Gel) eingeführt. Es unterscheidet sich in seiner Zusammensetzung aber überhaupt nicht von dem bisher angebotenen Kopf-Gel („Xamiol“). Neu daran ist nur, dass es für den gesamten Körper zugelassen ist.
Andere Neuerungen wurden lediglich in Firmen-Präsentationen wissenschaftlich gewürdigt: Zum Beispiel ein Nagellack auf Harnstoffbasis (Onypso) oder die Mavena Vitamin B12-Salbe, um die es Ende 2009 so viel Wirbel gab. Die im Herbst 2009 neu vorgestellte Creme Belixos (Wirkstoff Mahonia aquifolium) war überhaupt nicht vertreten.
Trotzdem hat es viele, vor allem praktische Informationen gegeben, die für Hautärzte wichtig sind, wenn sie Menschen mit Psoriasis behandeln. Einiges davon ist auch für uns als Patienten interessant. Professor Thomas Dirschka (Wuppertal) behauptete angesichts der vielfältigen Therapiemöglichkeiten, Psoriasis sei keine unheilbare Krankheit mehr. In vielen Vorträgen wurde darauf hingewiesen, dass man vor allem eine schwere Psoriasis so früh wie möglich behandeln müsse. Nur so könne man schwere Begleiterkrankungen möglichst verhindern und das Risiko eines tödlichen Infarkts verringern.
Zahlen und Daten
Prof. M. Augustin (Hamburg) hat aus Krankenkassen-Daten und Patientenbefragungen umfangreiche Zahlen ermitteln können: 2,5% der Bevölkerung in Deutschland seien durchschnittlich an Psoriasis erkrankt. Bei den Berufstätigen wären es 2,1%, bei Menschen über 50 Jahre dagegen 4% und bei Kindern und Jugendlichen lediglich 0,7%. Psoriasis breche also überwiegend erst im Erwachsenenalter aus, vor allem aber bei älteren Menschen.
Psoriasis Arthritis (PsA) sei bisher bei 20,6 Prozent der Haut-Psoriatiker nachgewiesen worden. Einiges spreche aber dafür, dass viele Psoriasis-Patienten überhaupt noch nicht nach PsA untersucht worden seien. Psoriatiker, so Augustin, seien bereit, eine (zu) hohe Schmerzlast zu ertragen. Patienten wie Ärzte müssten mehr auf erste Anzeichen achten. Der Anteil der unentdeckten Morbis Crohn-Fälle sei vermutlich sehr ebenfalls hoch, so Dr. M. Reusch (Hamburg).
Psoriasis sei eine teure Krankheit: Eine äußerliche („topische“) Therapie koste im Jahr rund 4.000 Euro, eine innere („systemische“) schon 7.000 Euro und für komplizierte Fälle müsse sogar über 8.8000 Euro ausgegeben werden. Im kommenden Jahr wird „Psoriasis“ in die Liste derjenigen Krankheiten aufgenommen, für die die Krankenkassen mehr Geld aus dem Gesundheitsfond bekommen („Morbi-Risiko-Strukturausgleich“).
Am häufigsten würden Ärzte bei Psoriasis Kortisonpräparate (Glucocorticoide) zum Einnehmen verschreiben - doppelt so viel, wie zum Beispiel den Spitzenreiter „Fumaderm“. Das widerspricht eindeutig den Leitlinien für Dermatologen. Augstin vermutet, dass viele Psoriatiker sich beim Allgemein Mediziner oder Internisten behandeln ließen.
Begleiterkrankungen („Komorbidiäten“)
Erst seit einigen Jahren wird deutlich, dass vor allem eine schwere Psoriasis weitere, gefährliche Erkrankungen nach sich ziehen kann. Dazu gehören vor allem Fettleibigkeit, Bluthochdruck und Psoriasis Arthritis, aber auch Diabetes, Morbus Crohn, Depression und andere Herz-/Kreislauf- und Gefäß-Erkrankungen. Genau diese Krankheiten können aber auch eine Psoriasis auslösen. So seien, wie Dr. M. Reusch erklärte, zum Beispiel große Fettansammlungen ein Sammelbecken für krankmachende Zytokine. Die beeinflussen negativ das Wachstum und die Differenzierung der Zellen. Prof. W.-H. Boehncke (Frankfurt) wies darauf hin, dass Entzündungen zur Insulin-Resistenz führen können. Diese Unverträglichkeit ginge zurück, wenn die Psoriasis behandelt werden würde. Prof. M. Augustin vermutete, dass die Gefahr eines Herzinfarkts oder einer Depression als Begleiterkrankung der Psoriasis oft unterschätzt werde.
Prof. T. Dirschka (Wuppertal) bezeichnet das als „frühentzündliches Grundrauschen, das zu Komorbiditäten führt“. Begleiterkrankungen sind in jedem Alter möglich, also auch bei jungen Psoriasis-Patienten. Man dürfe es nicht dazu kommen lassen, so Dr. M. Reusch (Hamburg), dass ein heute Fünfjähriger mit 45 Jahren an einem Herzinfarkt sterbe.
Biologika („Biologics“)
Biologika sind schwere Medikamente für eine schwere Psoriasis die in Einzelfällen auch schwere Nebenwirkungen haben können. Aber keine andere Medikamentengruppe wird von den Dermatologen weltweit so genau dokumentiert und beobachtet, wie die Biologika.
Wenn ein Patient mit einem der Biologika behandelt werden soll, muss vorher ausgeschlossen werden, dass eine Tuberkulose vorliegt. Vor allem, wenn Patienten gegen TBC geimpft wurden, kann ein reiner Hauttest positiv sein. Auch eine Röntgenaufnahme ist nicht immer eindeutig. In Zweifelsfällen muss deshalb ein Bluttest gemacht werden, der aber aufwendig ist und als Privatleistung (80 Euro) gilt. Die Kasse zahlt nur, wenn der Arzt auf der Überweisung „Verdacht auf Tbc“ vermerkt.
Prof. Prinz wies darauf hin, dass die Behandlung mit TNF Alpha Blockern nicht unterbrochen werden sollte. Die Wirkung könnte nachlassen, wenn der Patient später erneut damit behandelt werden soll. Besser sei es, die Zeitabstände zu verlängern, als völlig auszusetzen.
Die Ärzte im Süden oder Westen Deutschlands würden deutlich weniger (teure) Biologika verschreiben, als im Norden oder Osten, so Dr. K. Strömer (Mönchengladbach). Das läge vor allem an den „aggressiven Prüfungsausschüssen der Kassenärztlichen Vereinigungen“. Bisher sei aber noch kein Arzt wegen Biologika in Regress genommen worden, obgleich es schon einigen angedroht worden sei.
Methotrexat (MTX)
MTX erfordert Geduld. Es ist als Langzeit-Therapie zu verstehen und nicht, um kurzfristig und schnell eine sichtbare Wirkung zu erzielen. Es hemmt den Stoffwechsel der Folsäure („Folsäure Antagonist“). Um diese Wirkung abzumildern, wird Patienten anfangs zusätzlich Folsäure gegeben. MTX kann mit äußerlichen Therapien (z.B. Kortison, Bestrahlung) oder innerlichen (TNF Alpha Blocker/Biologika) kombiniert werden. Mit Ciclosporin sollte es nur in Ausnahmefällen kombiniert werden.
Der typischste Patienten-Fehler ist, dass MTX zu oft eingenommen wird: Einmal wöchentlich ist genug.
Prof. J. C. Prinz hält MTX für „besser als sein Ruf“. Der Wirkstoff sei seit 1953 bekannt und seit 1971 in den USA für die Psoriasis zugelassen. Wenn alle Regeln beachtet werden, hält er MTX für „ein sicheres Medikament“. Leider gebe es Risiken, wie bei jedem anderen innerlichen Wirkstoff auch. Gegenanzeigen und Nebenwirkungen seien aber beherrschbar. Prinz verwies darauf, dass die MTX-Spritze erheblich besser wirke, als die Tabletten.
Inzwischen, so Dr. A. Ogilvie (Erlangen), gebe es keinen offiziellen Grenzwert mehr, wie viel Methotrexat ein Patient in seinem Leben insgesamt aufnehmen dürfe („Kumulative Gesamtdosis“). Trotzdem könne man aus Sicherheitsgründen in seltenen Fällen eine Leber-Biopsie durchführen lassen, wenn ein Patient schon 3,5 bis 4 g MTX erhalten habe.
MTX kann eine Gelenkzerstörung nur verlangsamen, während TNF Alpha-Blocker den Prozess stoppen.
MTX-Patienten sollten keine Kinder zeugen bzw. nicht schwanger werden. Aktuell wird empfohlen, drei Monate nach Absetzung des Mittels zu verhüten (früher sechs Monate). Prof. J.C. Simon (Leipzig) berichtete von neuen Studien über männliche Patienten, die trotz MTX-Therapie Kinder gezeugt hätten. Es seien keine erhöhten Fehlgeburten oder Mutationen aufgetreten. Man müsse, so Simon, keinen Schwangerschaftsabbruch vornehmen. Stattdessen solle man intensive, vorgeburtliche („pränatale“) Untersuchungen vornehmen lassen.
Fumarsäure-Ester („Fumaderm“)
Die Behandlung mit „Fumaderm“ sei eigentlich eine langsame Therapie, so Prof. G. Wozel (Dresden). Erst nach zwei bis drei Monaten seien Erfolge zu sehen. Man könne die Wirkung aber beschleunigen, wenn man in der Anfangsphase zusätzlich mit UVB bestrahle. Davon könnten auch diejenigen profitieren, die keine hohe Dosierung vertragen. Andererseits sei, so Prof. Prinz, sei Bestrahlung immer eine zusätzliche Belastung, die abgewogen werden sollte. „Fumaderm“ wirkt auch dann schneller, wenn man äußerlich zusätzlich mit Calcipatriol („Psorcutan“, „Daivonex“) behandelt.
Prof. M. Röcken (Tübingen) berichtete, dass die große Kunst bei der Therapie mit Fumarsäure-Ester sei, für jeden Patienten die persönlich richtige Dosierung herauszufinden. Weniger sei meistens mehr! Viele Patienten brechen die Therapie wegen der Nebenwirkungen ab. Das könne man verhindern, indem man die tägliche Dosis noch langsamer steigere. Paradoxerweise seien diejenigen, bei denen Fumarsäure-Ester die heftigsten Magen-/Darmprobleme hervorrufen, auch diejenigen, die am besten auf den Wirkstoff ansprechen würden. Röcken rät, „auszuhalten“ und die Therapie nicht zu früh abzubrechen. Wenn dann der Patient erscheinungsfrei geworden ist, solle man möglichst nicht aufhören, sondern auf niedrigsten Niveau weitermachen. Patienten, die trotzdem aussetzen wollen, sollten das eher zum Frühjahr als zum Winter machen.
Auch Fumarsäure-Ester schwäche das Immunsystem. Es sei langfristig noch ungeklärt, wie es auf die Nieren wirke. Deshalb seien regelmäßige Blutkontrollen wichtig. Röcken vermutet, dass unter „Fumaderm“ die Lymphozyten-Zahl nicht tatsächlich abnehme, sondern nur umverteilt werde. Welche Folgen das für die Therapie haben könnte, blieb dagegen offen.
Fumarsäure-Ester äußerlich lehnt Röcken völlig ab. Wenn es zu großflächig aufgetragen werde, riskiere man Todesfälle.
Nägel
Prof. U. Amon (Hersbruck) verwies darauf, dass es für den Arzt nicht immer leicht zu diagnostizieren sei, ob eine Deformation des Nagels eine Psoriasis sei. Es gäbe viele, ähnlich aussehende Nagelkrankheiten. Außer der Psoriasis oder der Psoriasis arthritis würden auch andere Erkrankungen zu vergleichbaren Nagelveränderungen führen (z.B. Morbus Reiter).
Generell müssten die Nägel kurz gehalten und 2x wöchentlich sanft gefeilt werden. Es müsse verhindert werden, dass sich das Nagelende abhebt. Die Nagelhaut dürfe nicht abgezogen werden. Die krümeligen Ansammlungen unter dem Nagel dürfe man nicht aggressiv entfernen. Natürlich dürfe der erkrankte Nagel nicht als Werkzeug benutzt werden. Baumwollgefütterte Gummihandschuhe könnten vor Nässe schützen. Täglich müsse man Pflegemittel einmassieren, besonders vor dem Kontakt mit Wasser.
Für die äußere Behandlung, so Prof. Amon, gäbe es noch keine überzeugende Therapie. Bei Kortisonpräparaten (Klasse III) sei eine Wirkung zu erwarten. Ebenso bei Vitamin D3 Analogika („Daivonex“, „Curatoderm“, „Silkes“). Dithranol („Cignolin-Lack“) sei bei der Nagel-Pso unwirksam.
Amon hatte den Nagellack „Onypso“ mit 15% Harnstoff in der Psorisol-Klinik ausprobiert. Nach 12 bis 14 Wochen seien die Nägel gesund nachgewachsen. Innere Mittel würden nur in schweren Fällen gegeben, wenn die äußere Therapie nicht angeschlagen hätte. Kortison würde für die innere Nageltherapie kaum noch verschrieben. Nicht durchgesetzt hätte sich eine Therapie mit Radioaktivität. Am besten helfe, so Prof. Amon eine Kombination von äußerlicher und innerlicher Therapie.
Prof. E. Haneke (Freiburg) verwies darauf, dass eine Nagel-Psoriasis oft schwer von einem Nagelpilz zu unterscheiden sei. Es gäbe auch Fälle, bei denen Patienten von beiden Nagelerkrankungen zugleich betroffen seien. Eine Psoriasis müsse möglichst früh behandelt werden, den je schwerer sie sich entwickelt, desto stärker würden auch die Nägel zerstört werden.
R. Baran (Nail Disease Centre, Cannes) zeigte auf, dass Harnstoff (Urea) bei der Nagelbehandlung wirksam sein kann. Er verwies auf eine Studie, bei der „Onypso“ sechs Monate jeden Abend aufgetragen wurde. Bei 94 Prozent der Patienten wäre der Nagel um 43 Prozent dünner geworden. In einer anderen Untersuchung wurden die Nägel 24 Stunden unter Plastikfolie mit einer 40%-igen harnstoffhaltigen Salbe („Onyster“) behandelt. Nach drei Wochen konnten die kaputten Nägel entfernt und die Stellen behandelt werden.
Vitamin B12
Zum Vitamin B12 wird es im Psoriasis-Netz einen eigenen Artikel geben. Auf der Tagung in München gab es dazu zwei sehr wissenschaftliche Vorträge.
Prof. C. Allgaier (Leipzig) erklärte, dass Menschen mit entzündlicher Haut einen Mangel an Vitamin B12 und deshalb einen Überschuss an Stickstoff-Monoxid (NO) hätten. Zusätzliches Vitamin B12 fange das überschüssige NO weg. Diese Wirkung sei durch Studien belegt.
Prof. J. Wohlrab (Halle) führte akribisch alle klinischen Studien auf, die bisher mit der Vitamin B12-Salbe durchgeführt worden seien. Wenn es auch im Einzelnen wenig Patienten waren, sei wissenschaftlich und Placebo korrigiert belegt, dass die Salbe therapeutisch wirkt. Aufgrund des Medienrummels über „Regividerm“ seien die Erwartungen der Patienten vermutlich zu hoch gewesen. Die Vitamin B12-Salbe sei nicht für schwere Fälle, sondern für die leichten oder mittelschweren Formen.
Lichttherapie
Prof. T. Schwarz (Kiel) hat getestet, welche Bestrahlung besser wirkt. Bei Psoriasis-Patienten sei die PUVA-Therapie (Psoralen + UVA) eindeutig wirkungsvoller als als die UVB-Bestrahlung (311 nm): 84 % der PUVA-Patienten seien erscheinungsfrei gewesen, bei den UVB-Patienten nur 65%. Nach sechs Monaten seien noch 68 % der PUVA-Bestrahlten ohne Pso-Stellen, aber nur noch 35% der UVB‘ler. Dabei blieb unberücksichtigt, welche unterschiedlichen Gefahren von den beiden Bestrahlungsformen ausgehen.
Schwarz meint, es gäbe keine eindeutigen Erkenntnisse, ob man beim Bestrahlen weitermachen soll, wenn die Haut sich verbessert habe. Die meisten Patienten, so Schwarz, glaubten an diese „Erhaltungstherapie“. Es sei aber erwiesen, dass man damit keine längere Erscheinungsfreiheit („Remission“) bewirken könne.
Interessant waren die Ausführungen von Prof. Schwarz zum Lichtschutz-Faktor (LSF) in Sonnenschutzmittel. Der Lichtschutz ginge verloren, wenn man (schweißtreibend) körperlich aktiv ist oder mit Wasser in Berührung kommt - wenn auch geringer, als man vermutet hatte. Der größte Fehler beim Lichtschutz sei, dass man zu wenig Sonnenschutz-Mittel aufträgt. Wichtiger als ein hoher LSF sei die richtige Menge. Mehrmals auftragen nutze nichts, wenn zu wenig Sonnenschutzmittel genommen würde.
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