Mit neuen Wirkstoffen soll die Psoriasis immer besser zu behandeln sein. Jeder Wirkstoff braucht im Körper ein Ziel, an dem er ansetzt. "Alte" Medikamente nahmen sich gleich das ganze Immunsystem als Angriffspunkt vor. Neue Medikamente sind da wählerischer: Sie wollen nur ein oder zwei Ziele im Körper treffen. Forscher haben ein neues solches Ziel näher untersucht: Interleukin 4, kurz: IL-4.
Bekannt war, dass der Signalstoff IL-4 Entzündungen hemmen kann. Unklar war, wie er das tut und wie wichtig er für das Immunsystem ist. Das haben die Wissenschaftler der TU München und der Universität Tübingen nun gezeigt. Sie nutzten dafür ein Tiermodell und eine Studie mit echten Patienten.
Eigentlich wehrt sich der Körper mit Entzündungen gegen Eindringlinge. Blut und Flüssigkeit fließen dort hin, wo Gewebe infiziert wurde – und es werden Botenstoffe ausgeschüttet, die Immunzellen zum Ort der Infektion lotsen sollen. So können Erreger effektiv bekämpft werden. Wie gesagt: eigentlich. Manchmal aber werden Immunreaktionen des Körpers falsch koordiniert oder fehlgeleitet. Das Ergebnis sind Entzündungen, für die es gar keine "Zündung" von außen gab. Das Gewebe wird dann trotzdem geschädigt. Das ist bei Psoriasis so, aber auch bei anderen Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose oder Arthritis.
Genaue Arbeit von IL-4 untersucht
Der Botenstoff IL-4 ist schon länger als Kandidat für eine Psoriasis-Behandlung im Gespräch. „Um an IL-4 mit einem Standard-Medikament ansetzen zu können, müssen wir aber den genauen Wirkmechanismus kennen", erklärt Professor Tilo Biedermann von der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie. "Das ist uns jetzt gelungen.“
Die Wissenschaftler nutzten zuerst Zellen von Menschen und Mäusen, um die molekulare Wirkung von IL-4 auf Entzündungen zu entschlüsseln. Hierbei entdeckten die Wissenschaftler, dass IL-4 spezielle Immunzellen auf natürliche Weise hemmt: Es hindert die Zellen daran, die beiden Signalstoffe IL-23 und IL-17 herzustellen und abzugeben.
„Die Entdeckung ist sehr interessant: IL-23 dient im Körper nämlich dazu, spezielle T-Zellen zu aktivieren und dadurch eine Entzündung auszulösen. IL-4 kann diesen Weg offensichtlich effektiv blockieren“, sagt Biedermann. In Experimenten mit Mäusen zeigte sich dann auch, dass die Gabe von IL-4 über genau diesen Mechanismus verhindert, dass in der Haut Entzündungen entstehen.
IL-4 rauf – IL-17 und IL-23 runter
Die Erkenntnisse aus dem Tiermodell wurden von den Wissenschaftlern auch in einer Patientenstudie überprüft. 22 Patienten, die an Schuppenflechte litten, bekamen über sechs Wochen IL-4 unter die Haut gespritzt. Tilo Biedermann und seine Kollegen untersuchten dann Proben aus den betroffenen Hautbereichen der Patienten vor und nach der Therapie.
Die Ergebnisse bestätigten die vorherigen Experimente: Vor der IL-4-Therapie hatten die Studienteilnehmer hohe Werte von IL-23 und IL-17 in ihrer entzündeten und juckenden Haut – nach der erfolgreichen Therapie waren die beiden Stoffe kaum mehr nachweisbar. Die Folge: Die Entzündungen und die schuppigen Hautveränderungen waren verschwunden.
„Unsere Studienergebnisse zeigen, dass IL-4 sehr selektiv und erfolgreich Entzündungen eindämmen kann. Dieser Therapieansatz könnte deshalb auch sehr interessant für andere Autoimmunerkrankungen sein“, erklärt Biedermann. „Außerdem verstehen wir jetzt besser wie IL-4 als wichtiger ‚Checkpoint‘ des Immunsystems funktioniert und können seine Bedeutung in Zukunft besser einordnen und nutzen“.
Wer sich als Betroffener schon länger mit der Schuppenflechte befasst und eines der jüngeren Medikamente anwendet, dem mögen Interleukine bekannt vorkommen. Mehrere neuere Arzneimittel setzen an Interleukinen an – Stelara beispielsweise an Interleukin 12 und 23 oder Cosentyx an Interleukin 17A.
Quellen:
- Pressemitteilung der TU München
- "IL-4 abrogates TH17 cell-mediated inflammation by selective silencing of IL-23 in antigen-presenting cells" in: PNAS, 17.02.2015 (Vol 112, Nr. 7)
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