Kurz vor Weihnachten 2015 stellten Forscher große Forschungsprojekte in Sachen Psoriasis vor. Nachdem zunächst ein Schalter präsentiert wurde, war es kurz danach ein Implantat.
Martin Fussenegger nennt es "molekulare Prothese". Der Professor von der ETH Zürich hat Zellen entwickelt, die Schaltkreise enthalten. Diese Zellen lassen sich seiner Darstellung nach in einen Organismus implantieren. Dort übernehmen sie Stoffwechselfunktionen, die der Organismus selbst nicht leisten kann.
"Bisher realisierte Gen-Schaltkreise kontrollierten meist nur, ob in ihrer Umgebung ein Stoffwechselmolekül A vorhanden ist", setzt Fussenegger zu einer Erklärung an. "Wenn ja, stellten sie als Antwort darauf ein Stoffwechselmolekül X her. Der neue, komplexere Schaltkreis kann gleichzeitig zwei Moleküle A und B aufspüren. Und nur wenn beide vorhanden sind, stellt er die Moleküle X und Y her."
Schaltkreis mit Implantat in Mäuse gebracht
Einen Schaltkreis dieser Art haben die Forscher nun in Mäuse implantiert. Er konnte die Schübe der Schuppenflechte unterdrücken.
Bei einem Psoriasis-Schub sind die verschiedenen Zellen des Immunsystems gleich in zweierlei Hinsicht involviert: Einerseits ist es ihre "Schuld", dass es zu einer Entzündungsreaktion kommt, denn sie erhöhen die Produktion verschiedener Botenstoffe – zum Beispiel solche mit den Bezeichnungen TNF und IL-22. Andererseits produzieren sie später eine Reihe von Botenstoffen, die die Entzündung wieder abklingen lassen. Hier heißen die Botenstoffe IL-4 und IL-10. Der nun vorgestellte Schaltkreis kann TNF und IL-22 erkennen. Sind diese Botenstoffe beide vorhanden, produziert er die entzündungshemmenden Moleküle IL-4 und IL-10. "Unsere molekulare Prothese hilft dem Immunsystem, die Entzündungsreaktion zu unterdrücken", erklärt Fussenegger.
Kleine Kapseln in den Bauchraum geschickt
Die Wissenschaftler schlossen je 200 Zellen einer menschlichen Zelllinie mit diesem Schaltkreis in einer Kapsel ein. Je 6000 dieser kleinen Kapseln spritzten die Wissenschaftler in den Bauchraum von Mäusen. Dort bildeten sich natürlicherweise neue Blutgefässe, die die Kapseln an den Blutkreislauf anschlossen.
Mit einem Medikament lösten die Wissenschaftler bei den Mäusen eine Entzündungsreaktion der Haut aus, die der Psoriasis ähnelt. Dann verglichen sie Tiere, denen sie zuvor "Designer-Zell-Kapseln" implantierten, mit solchen ohne Kapsel. Nur bei Letzteren traten die Entzündungssymptome auf.
Heute – beim echten Menschen – beginnen Therapien, wenn ein Psoriasis-Schub aufflammt. "Daher hinkt man mit den existierenden Therapien den Symptomen praktisch immer hinterher", sagt Fussenegger. Seine Implantate würden sich dagegen gut zur Vorbeugung eignen. "Der Schaltkreis beginnt mit der Produktion der entzündungshemmenden Botenstoffe schon dann, wenn sich ein Schub abzeichnet und nicht erst, wenn Hautausschläge sichtbar werden."
Implantat ist Zukunftsmusik
Die erfolgreichen Experimenten in Mäusen seien Machbarkeitsstudien, sagt Fussenegger. Ob und wann solche Designer-Zellen im Menschen eingesetzt werden können, sei ungewiss. Grundsätzlich sei jedoch denkbar, dass solche Designer-Zellen später einmal auch Psoriasis-Patienten implantiert werden. Aber: Weil wachsendes Bindegewebe das Implantat mit der Zeit vom Blutkreislauf abschotten könnte, müsste es ein Arzt wohl alle paar Monate ersetzen.
Auch für andere Krankheiten könnten sich solche biologischen Schaltkreise mit Und-Gatter eignen. Fussenegger: "Chronische Entzündungskrankheiten sind ein gutes Beispiel für Krankheiten, die sich nicht mit der Messung eines einzigen Moleküls diagnostizieren lassen." Mit einer Designer-Zelle, die das Profil mehrerer Botenstoffe im Blut messe, würden sich solche Krankheiten jedoch in der Regel diagnostizieren lassen. Wenn diese Designer-Zelle gleich noch therapeutische Moleküle produziere, täten sich künftig vielsprechende Behandlungsmöglichkeiten für eine ganze Reihe von Krankheiten auf.
Quellen:
- "Implantable synthetic cytokine converter cells with AND-gate logic treat experimental psoriasis", Martin Fussenegger et al in Science Translational Medicine 318 (7/2015)
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