Anfang Mai 2013 lud die Deutsche Dermatologische Gesellschaft die Hautärzte wieder nach Dresden ein: zur DDG-Tagung. Keine andere Hautkrankheit wird zurzeit weltweit so intensiv erforscht wie die Psoriasis. Das liegt vor allem daran, dass entsprechende Projekte von einigen Pharmakonzernen mit sehr viel Geld gesponsert werden. Entsprechend viele Vorträge gab es auch diesmal. Am interessantesten war aus Patientensicht zum einen die Vorstellung einer neuen Biologika-Generation und zum anderen der Vorab-Bericht über eine Sicherheitsanalyse innerlicher Pso-Medikamente. Für Dermatologen wurden weiterentwickelte Methoden vorgestellt, um den Schweregrad einer Psoriasis oder einer Psoriasis Arthritis zu messen, Einschränkungen in der Lebensqualität zu bewerten und vorhandene Begleiterkrankungen frühzeitig zu erkennen.
Erstaunlicherweise wurde das Thema „Fumarsäureester und PML-Risiko“ fast gar nicht angesprochen und Biogen Idec nicht öffentlich kritisiert. Bei Nachfrage hieß es lediglich, die beteiligten Ärzte hätten die Fumaderm®-Therapie viel früher abbrechen müssen. Erschreckend ist, dass immer noch viele Haus- und Kinderärzte Psoriasis vorrangig mit kortisonhaltigen Präparaten therapieren. Hilfreich dagegen ist, dass Dermatologen sich (weltweit) über Therapie, Nebenwirkungen und Begleiterkrankungen der Psoriasis austauschen – wie in Deutschland durch das Register PsoBest.
Neue Biologika-Generation
Die nächste Generation der Biologika wird das Interleukin 17 blockieren. Damit setzt man noch genauer an der Quelle der Psoriasis an. Der Botenstoff IL 17-A wirkt direkt auf die an der Immunreaktion beteiligten Zellen in der Haut. Die ersten Biologika haben das TNF-alpha blockiert und damit noch sehr breit gewirkt. Ustekinumab (Stelara®) stoppt die Interleukine 12 und 23 und wirkte damit schon gezielter. Die Interleukin-17-Blocker wirken innerhalb von zwei Wochen, vor allem auf die Plaques. Entzündungen gehen langsamer zurück. Sie können die Psoriasis um mehr als 90 Prozent zurückdrängen (PASI 90). Bisher war der „Goldstandard“ ein PASI 75. Noch höher dosiert, heilen die Stellen völlig ab (PASI 100). Wie sie bei der Psoriasis arthritis wirken, ist noch völlig offen. Interleukin-17-Blocker werden vermutlich nicht vor 2015 zugelassen. Eine neue Hoffnung für all diejenigen, bei denen die bisherigen Biologika nicht (gut) gewirkt haben oder zu viele Antikörper gebildet wurden.
Sicherheitsanalyse innerlicher Psoriasis-Medikamente
Professor Kristian Reich gab erste Ergebnisse einer Sicherheitsanalyse bekannt: Aus dem deutschen Psoriasis-Register PsoBest soll ermittelt werden, wie sich die Medikamente in ihren Nebenwirkungen unterscheiden. Die Daten aller registrierten Patienten wurden verglichen. Das Ergebnis ist für Ärzte wie für Patienten sehr beruhigend: Es gibt keine auffälligen Unterschiede zwischen den konventionellen Medikamenten (Fumarsäureester, Methotrexat, Ciclosporin) und den Biologika. Alle schwerwiegenden Ereignisse lagen unter 1 Prozent. In den USA, aber auch in den Zulassungsstudien waren schwere Nebenwirkungen häufiger. Nur bei den Infekten lagen die Biologika etwas höher als die anderen Medikamente. Krebs als seltene Nebenwirkung war bei allen innerlichen Medikamenten möglich, bei den Biologika nur Hautkrebs.
Begleiterkrankungen – keine Pharma-Erfindung
Professor Diamant Thaci (noch Frankfurt, künftig Lübeck) geht davon aus, dass 70 Prozent der Psoriasis-Patienten eine der bekannten Begleit-Erkrankungen (Ko-Morbiditäten) haben. Es liegen mehr und mehr Daten dafür vor, dass sie vermieden oder abgemildert werden könnten, wenn sie frühzeitig erkannt sowie kontinuierlich und kontrolliert behandelt werden. Damit die Hautärzte Anzeichen für Begleiterkrankungen erkennen, sind entsprechende Fragebögen entwickelt worden (z.B. PsoMorbi, PsoCom). Erfahrungsgemäß geben Patienten ihren tatsächlichen Alkoholgenuss häufig falsch an. Depressionen würden als Begleiterkrankung der Psoriasis oft unterschätzt. Viele seien auch dann noch depressiv, wenn ihre Haut längst abgeheilt ist.
Professor Thaci verwies darauf, dass es die Entzündungen sind, die entscheidend zu Ko-Morbiditäten der Psoriasis führen. Er trat dem Verdacht entgegen, dass es dabei um „eine Erfindung der Pharmaindustrie“ handelt. Einige sind schon vor 50 Jahren bekannt gewesen. Trotzdem läge es natürlich im finanziellen Interesse von Anbietern, dass Psoriatiker möglichst lebenslang Medikamente einnehmen.
Nagel-Psoriasis
Professor Ulrich Mrowietz (Kiel) verwies darauf, dass eine Nagel-Psoriasis gut im Rheumascan (Xiralite®) zu erkennen ist.
Eine kleine Anzahl von Patienten, die wenig Hautbefall, dafür aber starke Nagelveränderungen hatten, wurde mit Fumaderm® behandelt. Die Kassen zahlten – trotz niedrigem PASI - diese innere Therapie, weil der reine Nagelbefall einen sehr hohen Leidensdruck und erhebliche Arbeitsausfälle verursachte. Nach zwölf Monaten verbesserten sich die Nägel um 50 Prozent. Eine weitere Verbesserung war nur noch schwer zu erreichen. Nur Biologika wirken schneller und effektiver.
Kinder und Jugendliche mit Psoriasis oder Psoriasis Arthritis
Vor allem die jüngeren Psoriatiker müssen nach Meinung (nicht nur) von Professor Matthias Augustin (Hamburg) so frühzeitig wie möglich behandelt werden. Studien zeigen, dass sie – gegenüber Gesunden – doppelt so häufig eine der Begleiterkrankungen bekommen, darunter schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Bei Kindern mit Neurodermitis gibt es diese erhöhten Risiken fast überhaupt nicht. Nur Depressionen, Diabetes und Hypertonie kommen bei ihnen ebenfalls öfters vor. Trotzdem werden Psoriasis-Kinder fast nur mit äußerlichen Mitteln behandelt, d.h. auch in schweren Fällen werden die Therapiemöglichkeiten nicht ausgenutzt. Etanercept (Enbrel) ist für Kinder ab 6 Jahren zugelassen. Für Fumarsäureester (Fumaderm) wird in der Studie KiFuderm gerade geprüft, ob die Zulassung erweitert werden kann. Umstritten ist, in welchen Kliniken hautkranke Kinder therapiert werden sollten: In der Hautklinik sind die Experten für die Krankheit, in der Kinderklinik sind die Fachleute für kindgerechte Betreuung, Unterbringung und Ernährung.
Professor Thomas Schwarz rät, Kinder zurückhaltend zu bestrahlen, obgleich sich bei 90 bis 95 Prozent die Psoriasis verbessert. PUVA ist für Kinder ein absolutes „No-Go“. Er sprach deutlich aus, was auf solchen Kongressen nicht so oft zu hören ist: „UVB ist ein totales Karzinogen“, d.h. es ist krebserregend. Wie groß das Risiko ist, hängt von der im Leben angesammelten (kumulativen) Belastung ab. Eine aktuelle Studie hat gezeigt, dass junge Leute schon jetzt mehr Lichtschäden (aktinische Keratosen) hätten als frühere Generationen. Sie gehen mehr in die Sonne und ins Solarium. Wenn dann noch eine Fototherapie oder ein immunsuppressives Medikament hinzukommen, steigt das Krebs-Risiko deutlich an.
Impfung trotz Medikamenten?
Wer ein immunsuppressives Medikament nimmt, hat ein höheres Risiko, an einer schweren Grippe zu erkranken. Trotzdem empfehlen Hautärzte nur selten eine Grippe-Schutzimpfung. Es gibt von jedem Hersteller dieser Medikamente eine ausführliche Impfempfehlung - meist für alle Standardimpfungen. Die sollten sich Patienten beschaffen, wenn für sie eine Impfung empfohlen wird, z.B. vor Reisen in ferne Länder.
Psychologische Betreuung unerwünscht
Professor Wolfgang Harth (Berlin) ist einer der führenden Psychodermatologen in Deutschland. Er berichtete, dass an seiner Klinik die stationären Psoriasis-Patienten intensiv psychologisch betreut werden. Kaum aber seien sie entlassen, würden sie vorher fest vereinbarte Termine beim nachbetreuenden Psychologen nicht mehr wahrnehmen. Die Bereitschaft, sich psychologisch helfen zu lassen, um die Hautkrankheit zu bewältigen, sei erschreckend gering.
Lichtschäden und Hautkrebs im Vormarsch
50 Prozent der Menschen über 60 Jahre haben chronische Hautschäden durch UV-Einstrahlung (aktinische Keratose), berichtete Professor Thomas Dirschka. Bei 30 Prozent von ihnen entwickele sich daraus ein Hautkrebs – die weltweit häufigste Krebsart. Neuere Untersuchungen haben bei Jüngeren, vor allem bei jüngeren Frauen, schon deutliche Hautschäden festgestellt – vor allem, weil sie regelmäßig ins Solarium gehen. Die Haut könne im Leben nur eine bestimmte UV-Belastung verkraften. Danach steige das Risiko für Hautkrebs erheblich an. Sie passe sich nicht daran an, dass der Mensch immer älter wird bzw. durch Freizeitverhalten, Bräunungswahn oder Fototherapie vermehrt UV-Licht aufnehme. UVB dringe bis zu 50 Zentimeter ins Wasser ein, treffe einen also auch beim Schnorcheln. Am Rande wurde erwähnt, dass Hautschäden bis hin zum Hautkrebs auch durch Präparate entstehen können, das Immunsystem unterdrücken (Immunsuppressiva). Dazu gehören alle Medikamente, die Psoriatiker einnehmen. Das sei, so Professor Reich in dem oben genannten Sicherheitsbericht, aber sehr selten.
Sichtbares Licht (Dermodyne)
Erstmals wurde die Behandlung der Neurodermitis mit sichtbarem Licht als „mögliche Option“ genannt und nicht mehr kategorisch abgelehnt. „Es scheint etwas dran zu sein“, so der Vorsitzende der AG Photo-Dermatologie in der DDG, Professor Percy Lehmann. Mitglieder der Arbeitsgruppe wollen noch in diesem Jahr mit einer „multizentrische Studie“ Daten dazu ermitteln. Das Psoriasis-Netz hat immer wieder über das Verfahren berichtet.
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