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    Rolf Blaga

    Psoriasis arthritis: Neues und Bewährtes 2024

    Mitte September fand in Düsseldorf der „Deutsche Rheumatologiekongress 2024“ statt. Vieles von dem, was wir vom Kongress 2022 berichtet hatten, wurde erneut bekräftigt. Allgemein gilt noch immer, dass eine Psoriasis-Arthritis meist viel zu spät diagnostiziert wird, die Erkrankung bisher nur unzureichend gut behandelt werden kann und Betroffene im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung früher sterben.

    Das Wichtigste in Kürze:

    • Je früher eine Psoriasis Arthritis (PsA) festgestellt und behandelt wird, desto geringer ist das Risiko für Gelenkdeformationen und lebensgefährliche Herz-/Kreislaufvorfälle.
    • Obwohl es viele neu entwickelte Wirkstoffe gibt, erreicht nur ein Drittel der PsA-Patienten das aktuell geltende Ziel einer „minimalen Krankheitsaktivität“ (MDA).
    • PsA-Patienten, die mit einem Biologikum behandelt werden, wird häufig zusätzlich Methotrexat (MTX) gegeben. Es sich als Irrtum herausgestellt, dass dadurch die Wirkung verstärkt wird.
    • Es gibt keine wissenschaftliche Belege dafür, dass Pflanzen und pflanzliche Präparate bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen wirken.
    • Eine (kleine) Studie hat festgestellt, dass zusätzlich eingenommene mittelkettigen Fettsäuren bei Rheumatischer Arthritis (und ggf. PsA) die Krankheitsaktivität verringern. Die sollen als Pulver Ende 2024 online angeboten werden. 

    Diagnose und Behandlung nicht verschleppen

    Wie schon die Dermatologen werden jetzt auch die Rheumatologen aufgefordert, möglichst früh mit der Behandlung einer PsA zu beginnen. Dafür setzte sich vor allem Prof. Dr. Frank Behrens ein. Er gilt als der deutsche Experte und wird deshalb im Kollegenkreis als „Mr. PsA“ bezeichnet.

    Nach wie vor vergehe zu viel Zeit, bis eine PsA festgestellt und als solche behandelt wird, so Behrens. Vor allem Entzündungen an Sehnen und Sehnenscheiden werden meist erst nach über drei Jahren als PsA erkannt. Das betrifft vor allem die Achillessehne (Enthesitis). Aber auch Rückenschmerzen werden sehr lange nicht als Wirbelsäulenbeteiligung (axiale Spondylo Arthritis) diagnostiziert, weil es dafür sehr viele andere Ursachen gebe.

    Behrens betonte eindringlich, was eigentlich längst bekannt sein müsste: Nach den ersten Anzeichen gebe es nur ein kurzes Zeitfenster, um eine PsA erfolgreich zu behandeln („window of opportunity“). Ideal wäre es, nach 3-6 Monaten damit zu beginnen. Nur so könne man langfristig zerstörerische Gelenkveränderungen und lebensgefährliche Herz-/Kreislauferkrankungen verhindern. Eine aktuelle niederländische Studie hat gezeigt, dass sich langfristig die PsA weniger aggressiv entwickelt, wenn innerhalb eines Jahres mit der Behandlung begonnen wird.

    Sein Appell sollte vor allem von uns Betroffenen erst genommen werden. Wer eine Schuppenflechte hat, vor allem an den Nägeln, kann auch eine PsA entwickeln. Wir dürfen nicht warten, bis die ersten Gelenke geschwollen sind oder wir vor Schmerzen kaum noch laufen können! Wir müssen schon bei den ersten Anzeichen abklären lassen, ob es sich um eine PsA handelt. Anzeichen sind immer wiederkommende Schmerzen, z.B. an einzelnen Finger- oder Fußgelenken bzw., den Sehnen. Aber auch Beschwerden an Muskeln und Skelett, Fatigue und Steifheitsgefühle. (Mehr unter "So wird Psoriasis arthritis erkannt – und von anderen Erkrankungen unterschieden"). Dass Betroffene von selbst aktiv werden ist deshalb so wichtig, weil Rheumatologen meist erst dann reagieren, wenn Gelenke geschwollen sind oder sich Entzündungen nachweisen lassen. Dann habe sich die PsA aber schon ausgebildet, so Behrens.

    PsA-Medikamente können gezielt eingesetzt werden

    Dr. Fabian Proft stellte aus einem Übersichtsartikel eine aktuelle Tabelle vor. Sie bewertet, welche Biologika, PDE-4- und JAK-Hemmer wie gut bei den unterschiedlichen Ausprägungen der Psoriasis-Arthritis wirken. Noch nicht berücksichtigt ist dabei Bimekizumab (Bimzelx), das für die Psoriasis, Psoriasis Arthritis und axiale Spondylo Arthritis zugelassen ist und ebenfalls auf die Enthesitis wirkt. Je nachdem, ob nur die Gelenke oder auch zusätzlich die Haut, die Achillessehne oder die Augen (Uveitis) mitbetroffen sind, kann so der entsprechende Wirkstoff ausgewählt werden.

    Therapieziele – was erreicht werden soll

    • ACR-Responser-Wert gibt an, um wie viel Prozent sich die Gelenke im Vergleich zum Ausgangswert verbessert haben. Gezählt werden die noch verbliebene schmerzhaften und / oder geschwollenen Gelenke. Gemessen wird die Entzündung (CRP). Beurteilt wird der Schmerz, die Funktionseinschränkung und die gesamte Krankheitsaktivität.
      Ziel ist ein ACR 50, also eine Verbesserung um 50 Prozent.
    • DAPSA zählt, wie viel druckschmerzhafte und wie viel geschwollene Gelenke man hat. Die Patienten beurteilen, wie aktiv ihre PsA noch ist und wie schmerzhaft. Außerdem wird der Laborwert für die Entzündung eingetragen. Ab DAPSA 28 ist die Krankheitsaktivität hoch.
      Ziel ist, den DAPSA zu senken auf 4.
    • MDA steht für „minimale Krankheitsaktivität“ als Ergebnis einer Therapie: Es soll jeweils nicht mehr als ein weicher Enthesitis-Punkt, ein druckschmerzendes und/oder ein geschwollenes Gelenk übrig bleiben. Die Haut soll maximal einen absoluten PASI von 1 bzw. einen BSA von 3 aufweisen. Auf Skalen bewertet die Patientin ihren Schmerz (VAS ≤15), der Arzt die Krankheitsaktivität (VAS ≤20) und die Funktion der Gelenke (HAQ ≤0,5).
      Ziel ist, dass 5 dieser 7 Vorgaben erfüllt sind.

    Therapieziel ist die „Remission“, d.h. dass ein möglichst hoher Anteil der Krankheitssymptome vorübergehend oder dauerhaft verschwindet. Die PsA ist damit nicht geheilt. Eine minimale Krankheitsaktivität (MDA) wird, so Prof. Behrens, weltweit nur bei einem Drittel der Patienten erreicht. Am besten werde in Schweden behandelt, wo 40,1 % der Betroffenen nach 5 Jahren eine MDA erreichen.

    Was neue Medikamente schaffen

    Bei einzelnen Präparaten erreichen in den klinischen Studien um die 50 % der Patienten diese Therapieziele. So hat Prof. Behrens die Ergebnisse einer Studie vorgestellt, bei der die Probanden der Zulassungsstudie insgesamt zwei Jahre mit dem Wirkstoff behandelt wurden. Die Zahlen schwanken, je nachdem, ob die Patienten von Anfang an mit dem Wirkstoff oder anfangs mit einem Placebo behandelt wurden.

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    Solche verhältnismäßig „guten“ Ergebnisse werden aber im Praxisalltag bisher nicht bestätigt. So hat Prof. Dr. Rieke Alten vorläufige Ergebnisse vorgestellt. Diese Beobachtungsstudie wird noch ein Jahr weitergehen: 

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    Die Ergebnisse klinischer Studien sind immer besser, als die aus dem Praxisalltag. Denn die Probanden werden streng ausgewählt. So dürfen sie z.B. bestimmte (Vor-) Erkrankungen nicht haben. Denn damit würden die tatsächlichen Nebenwirkungen eines Medikaments nicht deutlich werden. In der realen Welt dagegen werden grundsätzlich alle Patienten mit dem Medikament behandelt. 

    Es zeigt sich also, dass selbst neue Wirkstoffe für die große Mehrheit der PsA-Betroffenen die gesetzten Therapieziele noch nicht erreichen! Die gleichen Medikamente schaffen es dagegen, dass bei Dreiviertel der Betroffen die Psoriasis auf der Haut nahezu abheilt (PASI 90 bis PASI 100).

    Biologikum + Methotrexat ohne Zusatznutzen

    Prof. Behrens wiederholte seine Kritik daran, dass MTX zusätzlich zu einem Biologikum gegeben wird (Siehe Kongressbericht 2022), um die Wirkung zu erhöhen. Das sei in der Praxis sehr verbreitet, obwohl ein Vorteil nirgendwo belegt sei. Ganz im Gegenteil, so Dr. Michaela Köhm. Sie hatte festgestellt, dass die Monotherapie nur mit Ustekinumab (Stelara) genauso gut wirkt, als wenn zusätzlich MTX gegeben wird. Prof. Behrens geht davon aus, dass das auf alle Biologika übertragbar ist.

    Er wies auf einen Widerspruch in der aktuellen EULAR-Empfehlung zur Behandlung der PsA hin. Da werde diese Kombinationstherapie weiterhin aufgeführt. Gleichzeitig werde zugegeben, dass es dafür keine Datengrundlage gibt. Weil sie aber nun praktiziert werde, empfehle die EULAR, die Dosis herabzusetzen. Behrens rät grundsätzlich davon ab, solche konventionellen "krankheitsmodifizierenden Anti-Rheumatika“ (= DMARDs) mit den biologischen DMARDs zu kombinieren.

    Pflanzliche Wirkstoffe gegen PsA

    Die Kommission für komplementäre Heilverfahren und Ernährung der DGRh hat untersucht, ob Pflanzen oder pflanzliche Wirkstoffe für rheumatische Erkrankungen empfohlen werden können. Gesucht wurden Belege für die Wirkung von Borretsch-Öl, Brennnessel, Cannabis, Phytodolor®, Rosa Canina, Rosmarin, Safran oder Weidenrinde.

    Prof. Dr. Gernot Keyßer berichtete, dass in Deutschland pro Jahr für 1,4 Mrd. Euro pflanzliche Präparate verkauft werden. Für viele davon gebe es Erfahrungsberichte oder Laborergebnisse („in vitro“). Das seien aber keine seriösen wissenschaftlichen Belege. Erschwert werde die Beurteilung dadurch, dass diese Produkte nicht standardisiert seien, d.h. sie sind  sehr unterschiedlich zusammengesetzt. Außerdem sei es nie nur eine Substanz, die eine Erkrankung beeinflusst.

    Keine der untersuchten Pflanzen oder pflanzlichen Wirkstoffe könne für die Behandlung chronisch-entzündlicher Gelenkerkrankungen empfohlen werden! Das würden die vorliegenden Daten nicht hergeben. Stattdessen empfiehlt Keyßer, sich konsequent mit Mittelmeerkost zu ernähren. So könnten Betroffene ihre rheumatische Erkrankung um ein Drittel beeinflussen.

    Die Kommission hat früher bereits komplementärmedizinische Verfahren in der Rheumatologie bewertet.

    Bilanzierte Diät bei PsA

    Nach EU-Recht gibt es „Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke“, die sich von Nahrungsergänzungsmitteln unterscheiden. Sie sollen nur unter ärztlicher Aufsicht eingenommen werden. Ihr Zweck ist es, den wissenschaftlich festgestellten, spezifischen Nährstoffbedarf bei einzelnen Erkrankungen zu decken, nicht aber eine Behandlung zu ersetzen. Man spricht von einer „bilanzierten Diät“.

    Zu dieser Kategorie zählt eine italienische Firma ihr Pulver„mikara“. Das enthält „mittelkettige Fettsäuren“ (MCT). Die würden von Menschen mit Rheumatischer Arthritis (RA) „nicht durch den Verzehr normaler Lebensmittel gedeckt“ und müssen deshalb zusätzlich aufgenommen werden. Damit sei ihr Produkt nach EU-Recht ein "Lebensmittel für besondere Zwecke".

    Das Pulver enthält MCTs (Medium-Chain Triglycerides) und Ballaststoffe. MTCs nimmt der Körper leichter auf, als die üblichen „langkettigen Fette“ (LCT). Sie werden unter anderem als Diät bei unterschiedlichen Erkrankungen eingesetzt. Die zusätzlich enthaltenen Ballaststoffen wirken entzündungshemmend. Der Anbieter belegt den krankheitsbedingten Nährstoffbedarf in einer firmengesponserten Studie.

    34 Probanden erhielten ein MTC-Präparat, 27 weitere eines mit den üblichen LCTs. Nach 8 Wochen bekamen beide Gruppen zusätzlich Ballaststoffe. Nach 16 Wochen zeigte sich, dass die Krankheitsaktivität der MTC-Gruppe erkennbar geringer geworden ist. Das wurde nach dem (Simple Disease Activity Index) ermittelt. Bei dem wird die Anzahl der geschwollenen und druckschmerzhaften Gelenke gezählt und der Entzündungsparameter im Blut (CRP) gemessen.

    Die Studie entspricht den EU-Vorschriften. Aber trifft das auch auf die Schlussfolgerung zu? Belegt die gute Wirkung von MTCs auf die Krankheitsaktivität, dass Menschen mit Rheumatoider Arthritis (und PsA) einen "erhöhten Bedarf" an mittelkettigen Fettsäuren haben? Ganz davon abgesehen, dass die Anzahl der Probanden im Vergleich zu klinischen Studien gering war. Obwohl MTC unter Sportlern und Übergewichtigen schon lange sehr beliebt ist, gibt es keine Studien wie MTC langfristig vertragen wird. Die Rolle der Ballaststoffe bleibt in diesem Fall offen, weil beide Gruppen sie bekommen haben. Bei den Autoren der Studie heißt es deshalb einschränkend: „Bevor diese Strategie mit Sicherheit empfohlen werden kann, sind weitere klinische Bestätigungen erforderlich.“ Bis dahin will der Anbieter von „mikara“ aber nicht warten. Ende 2024 soll das Präparat online erhältlich sein.

    Aufgeschnappt

    • Mit einer leichten Psoriasis (Pso) hat man ein nur geringeres Risiko, eine Psoriasis Arthritis (PsA) zu entwickeln, meinte Prof. Frank Behrens.
    • Das Risiko, eine PsA zu entwickeln, ist auch dann geringer, wenn man (früh genug) mit einem Biologikum behandelt wird, wurde Prof. Abdulla Watad zitiert.
    • Dagegen ist das Risiko für eine Leberkomplikation 3- bis 4-fach höher, wenn man als Psoriasis-Patient mit MTX behandelt wird, wurde Joel M Gelfand zitiert.
    • Es ist nicht möglich, mit regelmäßigerVitamin-D-Zufuhr einer Autoimmunkrankheit vorzubeugen. Das gilt auch für die Pso und die PsA. Das ergaben Auswertungen einschlägiger Studien. Andersherum gäbe es starke Hinweise, dass ein niedriger Vitamin-D-Spiegel eine Multiple Sklerose verursachen kann, berichtete Dr. Aleš Janda.
    • Die WHO empfiehlt ca. 20-40 Minuten moderate körperliche Aktivität täglich. Betroffene mit Pso oder PsA schaffen aber pro Tag selten mehr als 10 Minuten. Sie selbst überschätzen dagegen ihre Zeit, in der sie mäßig bis stark körperlich aktiv sind. Das hat Anna-Maria Liphardt herausgefunden (Poster SpA.18).
    • Systemischer Knochenverlust und Osteoporose spielen eine Rolle bei Pso und PsA. Das könnte durch innerliche Medikamente (DMARDs) unter Kontrolle gehalten werden. Das meint Dr. Edgar Wiebe (Poster OS.06).
    • Das Alkoholverbot während einer MTX-Behandlung stammt aus der Frühphase, als noch hohe Dosierungen üblich waren. Alkohol in Maßen scheint unbedenklich zu sein, so Professor Klaus Krüger. Er empfiehlt MTX-Patienten 6-8 Einheiten pro Woche; das sind eineinhalb Liter Bier.

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