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Hallo


NaN

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Geschrieben

Ich bin fast 30 Jahre mit Pso unterwegs. Mein Leben, mein Beruf und mein Psyche sind davon geprägt.

Ich habe Phasen, in denen ich es ignoriere, es gibt Phasen, da bin ich am Verzweifeln, Momente, die mir Angst machen und Situationen, die mir einen Hirnf*** verpassen. Ersteres versuche ich zu tun; letzteres hatte ich heute kurz vor 20 Uhr beim Einkaufen: Ich hab das Wechselgeld liegen lassen. Ich wollte es nehmen, sah meine Hand, mir schoss durch den Kopf, was die Leute wohl denken und bin aus dem Laden ins Dunkle gerannt. Ich bin auf dem Heimweg und denk mir "Okay, das war's". Pso gewann.

1999 hatte ich einen Zustand, den mir meine Hautärztin nicht erklären konnte: Ich war im ersten lehrjahr zum Zerpanungsmechaniker. Wir drehten Grauguss-Teile. Am nächsten Tag, war mein ganzes Gesicht, also wirklich von Stirn, über Augenlider, Nase Mund bis Hals zu. Richtig zu. Danach folgten dauerhafte Krankschreibungen und 2000 ein Aufhebungsvertrag. Aus der Zeit ist auch das erste Gutachten vom Amtsarzt, da das Arbeitsamt prüfen musste, ob ich für drei Monate eine Sperre bekommen soll. Pso gewann.

Mit 2003 hatte ich für mich beschlossen, dass die Sache mit den Hautarztbesuchen Zeitverschwendung ist. Ich hatte die Nase voll, von den ständigen Salben und Fläschchen, die gar zauberhaftes bewirken sollten – mir aber nur Zeit und Nerven raubten. Oder die Tabetten: Fumaderm hat nur bedingt geholfen. Die Haut war dann ständig rot, ich fühlte mich noch unwohler und krankgeschrieben war ich wegen der Nebenwirkungen zum Schluss dauerhaft. Nach einem Jahr brach ich die Therapie ab – einhergehend mit dem "Ärzte sind doof".

Ab 2004 bestand ich darauf, dass sich Menschen, die mich sehen wollten, am besten drei Tage vorher ankündigen. Wer es nicht tat, blieb vor verschlossener Tür stehen. Ich fand für mich heraus, wie ich in 48 Stunden aussehen kann, wie ein normaler Mensch – zumindest im Gesicht und das auch noch für verhältnismäßig viel Geld, denn nach spätestens 12h war der Zauber vorbei. In der falschen Umgebung (trockene Luft etc.) noch eher. Bis 2009 hatte ich das so alles im Griff. Quasi. Die Haut der Hände hingegen tickt vollkommen anders und wurde im Verlauf der letzten 2 Jahre immer schlimmer. Es spielt keine Rolle, was ich tat oder unterlies. Ende 2009 kam dann eine Lungenentzündung und darauf hin entglitt mir alles. Mein ganzes System war hinfällig. Pso gewann.

Kurz darauf fingen auch die Gelenke an sich zu melden. Mein Rücken ist seit meiner ersten Ausbildung hinüber. Deshalb dachte ich mir nichts dabei, als sich auch ab und an mal die Knie oder Füße meldeten (liegt eben an der ungesunden Schreibtischarbeit, oder so). Also: Urlaub. Letzten Sommer 4 Wochen in einem Dorf mit 300 Einwohnern, fernab von Alltag, Telefon, Internet. Statt besser wurde es nur noch schlimmer. Nach den 4 Wochen lief mit blutverschmierten Händen rum, weil immer und immer wieder alles Aufriss. Mit Ratlosigkeit bin ich jetzt einem Dermatologen. Pso gewann.

"Ey, kennst du das? Du gehst zum Arzt, der konnte dir überhaupt nicht helfen und Dir geht's trotzdem erst mal besser?" – Ja, kenn ich. Nur diesmal nicht. Ich kam mit zwei Diagnosen, fünf Überweisungen und acht Rezepten, einer Empfehlung für die Dermatologie in der Uniklink und nen Psychologen wieder raus und dachte, ich werde keine 30 mehr. (Dafür kriegt Pso von mir 2 Punkte)

Vor zwei Wochen Termin beim Amtsarzt. Diesen hatte ich schon letzten Herbst beantragt, weil ich das elf Jahre alte Gutachten updaten wollte. Die Amtsärztin (aus der Chirurgie), stufte mich als "zeitweise voll arbeitsfähig" ein – was auch immer das heißt – und der psychiatrische Gutachter als "gegenwärtig nicht vermittelbar". Was im Gutachten stehen wird, weiß ich noch nicht.

Meine Psyche ist wegen Pso und anderer Dinge schon seit meiner Kindheit im Eimer. Mich wollen vier Ärzte und meine Arbeitsvermittlerin in eine Psychotherapie stecken. Ich kauf meine Ibus jetzt im europäischen Ausland. Drei Ärzte stufen mich mit Verdacht auf Pso a. ein. Ich habe Angst davor, dass die Recht haben könnten – weshalb die Überweisungen immer noch herumliegen. Ich kann manchmal nicht mehr die Tastatur oder Maustasten drücken, ohne dass was weh tut. An manchen Tagen nichts greifen, ohne dass was aufreißt. Ich laufe lieber 10km als drei Stationen mit der Ubahn zu fahren. Mich nerven Blutflecken auf Klamotten. Ich träume von Blut, dass aus meiner Haut kommt. Ich habe die Paranoia entwickelt, mich irgendwo mit irgendetwas anzustecken. Mich kotzt die Gesellschaft mit ihrer Oberflächlichkeit an und damit einhergehend mein Beruf, den ich seit dem Grauguss-Disaster ausübe, weil "Werbung" genau dieses Schei***denken den Leuten beibringt. Ich hab Angst davor, dass es irgendwann mal Alltag wird, dass ich nicht mal einen Bleistift zum Zeichnen halten kann. Ich weiß, wie man introvertiert und gleichzeitig der Lauteste sein kann. Ich rauche 4 Zigaretten am Tag. Ich trinke Kaffee statt Tee. Ich kann nicht hellsehen, weiß aber trotzdem manches vorher. Ich finde Menschen ohne eigene Meinung anstrengend. Ich schreib jetzt hier alles rein, was mich als Mensch sonst noch so ausmacht, obwohl ich Fließtextlisten hasse. Denn mir ist das zu doof, nur über Pso zu schreiben. Das macht depressiv. Ich sortiere mich auch nicht mehr im Kopf und geb mir nur noch gelgentlich Mühe, die Shifft-Taste zu treffen, denn ich werd müde und bin als langjähriger IRCler nur Kleinschreibung gewohnt. Ich mag Shisha-Rauchen im Tiergarten, die Schönhauser Allee, die Frauenkirche, die Maximilianstraße und das Rheinufer. Wenn ich frustriert bin, gibts Frustkekse. Diese haben eine bestimmte Konstistenz, damit mich der Krawall, der beim Abbeißen entsteht, nicht von meinen Gedanken abbringt und ich weiter ungestört meiner Phase nachgehen kann. Ich habe einen Stoff-Tux mit Panzertape ans Fenster gefesselt – von außen. An manchen Tagen denke ich an den Satz "ein Gesicht, dass nur die eigene Mutter lieben kann" – und das ist nur eine Phase. In anderen Phasen bin ich schweigsam, unterhaltsam, schreibfaul, laut, still, bunt, schwarz, kreativ, abstrakt. Die Phase, die ich oft habe: mäklig sein. Ich überlege mir, ob ich das alles wirklich posten will, weil ich mir fest vorgenommen hatte, mich kurz zu fassen...

Wenn man von Pso und den letzten Absatz absieht, bin ich recht erträgich :)

Beste Grüße, NaN

Erfahrungen austauschen über das Leben mit Schuppenflechte und Psoriasis arthritis

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Geschrieben

Es kommt wahrlich nicht oft vor, dass ich so lange Texte lese. Deinen hab ich ganz gelesen und wow, es hat sich gelohnt.

Trotzdem denke ich, dass du auch mit Pso (och sind wir mal nicht so - und auch mit dem letzten Absatz ;) ) ein ganz erträglicher Mensch bist.

Hoffe mehr von dir zu lesen .

Lg

Geschrieben

lächel...

in vielem werde wahrscheinlich nicht nur ich mich wieder finden ;)

bin ebenfalls gespannt wie es weiter geht !!

Geschrieben

Hallo NaN,

ich musste gelegentlich wirklich bei deinem Text schlucken (wie bei einigen anderen hier auch). Ich habe seit 40 Jahren PSO aber nur an Armen und Beinen und lange nicht so schlimm. Ich war trotzdem oft verzweifelt und am Boden aber wenn ich solche Texte lese, wie den von dir, dann weiß ich, das ich unglaubliches Glück habe.

Ich Danke dir

Sigrid

Geschrieben

Hallöle

Willkommen auch wenn ich sagen muss ich bin auch "neu".

Hut ab vor deinem text und ich hoffe du kannst dich immer wieder an Dingen die dir wichtig sind erfreuen und immer wieder dich motivieren morgends aufzustehen.

*wink*

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