Get Merry Christmas Mr. Promelkow
Draußen war es schon dunkel. Promelkow legte die Mitte seiner Finger erneut flach auf den Bleistift, dann zog er seine Hand langsam nach hinten. Tack tack tack tack tack. Dieser Tätigkeit widmete sich Promelkow nun schon seit geraumer Zeit. Er sah interessiert zu, wie sich der Bleistift unter seinen Fingern drehte. Tack tack tack tack tack.
Ein lautes Räuspern brachte ihn aus dem Konzept. Promelkow schaute auf und erschrak. Eine große, dicke Frau stand direkt vor seinem Schreibtisch und betrachtete missbilligend sein Tun. Alles an ihr schien irgendwie mürrisch zu sein. Besonders der Ausdruck ihres Gesichts zeigte wenig Freundlichkeit. Promelkow war sofort eingeschüchtert.
"Sie hätten anklopfen sollen", protestierte er halbherzig. "An der Türe steht: Bitte anklopfen! Aber setzten sie sich doch erst einmal." Er deutete mit der linken Hand auf einen abgewetzten Stuhl.
Die Frau schien nicht gewillt sich zu setzten. Sie betrachtete argwöhnisch das leere Büro: Der Stuhl, ein billiges Regal an der Wand und ein einzelner Schreibtisch, hinter dem ein kleiner Mann saß, der zudem mit einem Bleistift spielte, erschien ihr wenig vertrauenerweckend.
"Sie sind eine Agentur für Weihnachtsmänner?" fragte die Frau harsch.
"Nun, genauer gesagt vertrete ich eine Künstleragentur - aber ja, um diese Jahreszeit vermitteln wir hauptsächlich Weihnachtsmänner. Das ist schon richtig." Promelkow zog einen Block zu sich heran. "Mal sehen, sie suchen also einen Weihnachtsmann. Es ist gut, dass sie zu mir gekommen sind. Ich habe tatsächlich noch ein gewisses Kontingent frei." Promelkow lächelte. "Wissen sie, der frühe Wintereinbruch dieses Jahr belebt das Geschäft. Wenn es schneit, vermitteln wir sehr viele Weihnachtsmänner. Für wann soll es denn sein?"
Auf einmal wirkte die Frau eher unsicher. Sie errötete sogar leicht: "Nun, für immer. - Hoffe ich!"
"Hm", machte Promelkow. "Was ich meinte war: Wann soll denn der Weihnachtsmann zu ihnen kommen? Welcher Tag und welche Uhrzeit."
Die Frau senkte leicht den Kopf und steckte sich einen Finger in den Mund. Dabei scharrte sie mit dem rechten Fuß über den verschmutzten Teppichboden. Promelkow fand dieses Verhalten weitaus bedrohlicher als ihr rigides Benehmen zuvor.
"Ach wissen sie", nuschelte die Frau. "Wenn sie einen netten gleich da hätten, würde ich ihn sofort mitnehmen."
Promelkow warf einen kurzen, hilfesuchenden Blick aufs Telefon. Irgendetwas lief hier falsch. "Für wen ist denn dieser Weihnachtsmann?" fragte er vorsichtig. "Für ihre Kinder?"
"Ich habe keine Kinder", sagte die Frau unwirsch. "Glauben sie ich würde einen Weihnachtsmann brauchen, wenn ich Kinder hätte? Außerdem möchte ich keine Kinder! Ich habe genug mit den Kindern anderer Leute zu tun. Können sie mir jetzt einen Weihnachtsmann besorgen, oder nicht?"
Promelkow zuckte mit der Schulter. "Aber wozu brauchen sie denn einen Weihnachtsmann?" fragte er. Dann erhellte sich sein Blick. "Ach, für ihre Enkel..."
"Natürlich nicht! Woher soll ich Enkel haben wenn ich noch nicht einmal Kinder habe? - Sagen sie, sind sie überhaupt qualifiziert?" Die Frau war jetzt zu ihrer ursprünglichen Gereiztheit zurückgekehrt. "Ich will den Weihnachtsmann natürlich für mich selbst. Er soll mir bei der Arbeit helfen." Abermals senkte sich ihr Blick. "Außerdem bin ich ein wenig einsam", fügte sie zwar leise aber dennoch trotzig hinzu.
Promelkow stand langsam hinter seinem Schreibtisch auf. "Hm", machte er und breitete seine Arme aus. "Ich fürchte..."
"Das dachte ich mir", sagte die Frau und ging zum Fenster. Sie öffnete einen Flügel, der offenbar nur angelehnt gewesen war. Promelkow sah mit wachsendem Entsetztem wie die Frau Anstalten machte die Fensterbank zu erklimmen.
"Um Himmels willen", rief er. "Wir sind hier im sechsten Stock. Ich bin sicher, es wird sich schon eine Lösung finden." Promelkow eilte hinter dem Tisch hervor und hielt die Frau am Ärmel fest. Dabei fiel sein Blick nach draußen. Völlig verdattert ließ er den Ärmel wieder los und torkelte einen Schritt nach hinten. "Aber..." stammelte er. “Das - das ist unmöglich!"
Die Frau sprang geschickt in den Schlitten, der draußen in der Luft geparkt war. Sie nahm eine Peitsche aus dem Halter und knallte damit einmal in die Luft. Dann flogen die Rentiere los.
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