Selbstanzeige: Ich bin ein Schurke
Auweia, bin ich schlimm. Meine "Straftat": Ich kaufe unsere Hautpflegeprodukte in einer Versandapotheke.
Neulich war ich in einer Weiterbildung, vorn ein Vertreter der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Nach dem Seminar war mir klar: Ich bin böse.
In unserem Haushalt leben zwei Psoriatiker. Etwa alle sechs Wochen ist unsere Großpackung Hautpflegemittel verbraucht. Also bestelle ich neuen Vorrat - und das, pfui!, in einer Versandapotheke.
Gehe ich dafür mal in eine Apotheke "um die Ecke", weil ich die Bestellung verschwitzt habe, geht das Gespräch ungefähr so:
Okay. Dann kann ich es doch auch gleich selbst online bestellen. Das Mittel wird mir dahin geliefert, wo ich es eh brauche - nach Hause. Wenn ich nicht da bin, nimmt mein Nachbar das Paket ab. Jetzt nicht hyperventilieren: Es ist ein harmloses Hautpflegemittel darin. Daran stirbt der Nachbar nicht, wenn er denn mein Paket öffnet und das Zeug anwendet. Wir kennen unsere Nachbarn - denen ist egal, was im Päckchen ist.
Ja, es ist preiswerter.
Nun habe ich im oben genannten Seminar heute gelernt, dass ich damit die Apotheke "um die Ecke" zugrunde richte. Weil: Eine durchschnittliche Apotheke macht ihren Umsatz zu 80 Prozent mit rezeptpflichtigen Medikamenten und 20 Prozent mit rezeptfreien Produkten. Und ich klaue dem Apotheker "um die Ecke" von den 20 Prozent nun auch noch was und füttere damit den Versandapotheker fett und fetter.
Nun darf in Deutschland ja nur jemand eine Versandapotheke betreiben, der auch eine Apotheke "um die Ecke" hat. Warum macht dann der Apotheker um meine Ecke nicht auch eine Versandapotheke auf, wenn er der ihren Umsatz neidet?
In besagtem Seminar war ein Apotheker von "um die Ecke" vertreten. Er sagte auch offen (und das ist gut so) "Ja, uns geht es um Besitzstandwahrung". Aber meinen Besitzstand wahrt doch auch keiner. Ich musste und muss mich auch ständig darum kümmern, dass ich in meinem Beruf auf der Höhe der Zeit bleibe. Ich verdiene auch nicht mehr als noch vor - sagen wir mal - fünf Jahren, von den üblichen kleinen Erhöhungen mal abgesehen, die Tarifvereinbarungen gebracht haben.
Aber weiter.
Mein Rezept für das sehr, sehr, sehr teure rezeptpflichtige Medikament trage ich natürlich in die Apotheke "um die Ecke" - und immer in die gleiche, damit deren Computer im besten Falle irgendwann mal ausspuckt "Das verträgt sich jetzt aber nicht", wenn ich mit einem Rezept für - sagen wir mal - Antibiotika komme.
Der Apotheker bekommt - das habe ich in besagtem Seminar auch gelernt -
- eine Beratungsgebühr von 8,10 Euro pro Packung. Davon ziehen wir aber gleich mal 2,30 Euro ab, die die Apotheker mehr oder weniger als "Zwangsrabatt" abgeben müssen. Bleiben 5,80 Euro pro Packung. Ich werde in der Apotheke zwar seltenst beraten, aber das liegt an mir. Würde ich fragen, würde ich beraten - da bin ich sicher. Damit der Apotheker also den nächsten Kunden gut beraten kann, bekommt er meine 5,80 Euro auch diskussionslos "geschenkt", und das meine ich ernst.
- 3 Prozent des Apothekeneinkaufspreises des Medikamentes. Bei meinem Medikament macht das etwa - ganz etwa - 50 Euro.
Mein Medikament ist wie gesagt sehr, sehr, sehr teuer und der Apotheker muss bei seinem Großhandel dafür in Vorleistung gehen. Und: Es muss gekühlt werden. Immer, in der ganzen Lieferkette. Ich verstehe also einen gewissen Preisaufschlag.
Aber so ein Verbandsgetrommel wie bei den Apothekern - das ist wirklich in kaum einer anderen Branche zu finden.
Ich weiß, dass hier Apotheker mitlesen. In einem Blog sind Beiträge für gewöhnlich absichtlich persönlicher und etwas überzeichnet - und sie sind ganz ausdrücklich für eine offene Diskussion gedacht. Also los!
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