Der brave Soldat S. oder: Der Panzerschreck
Hin und wieder wird beim Bund für die Obrigkeit etwas Schau gemacht. Meist sind dann irgendwelche hohen Offiziere anderer Länder oder Truppengattungen zu Gast.
Um denen dann bisschen zu zeigen was man drauf hat.
Für uns hieß das: „Scharfer Schuss mit Panzerabwehr-LFK MILAN“.
Ziel war ein orange angepinselter Schadpanzer.
Der Einsatz der Waffe funktioniert so:
Mit der Zielmarke 1, das ist der Pfeil auf der Visierlinie, wird das Ziel anvisiert.
Die Waffe wird ausgelöst. Dabei wird der Raketenmotor des LFK ( Lenkflugkörpers ) gezündet. Der schießt nach vorne aus dem Startrohr, das Startrohr selbst fliegt nach hinten weg.
Anschließend kann sofort nachgeladen werden.
Nach dem Abschuss senkt sich die Optik automatisch auf den Zielmarke 2, das Fadenkreuz in der Mitte des Sichtfeldes. Jetzt muss der Schütze nur noch den Leuchtpunkt des Feuerstrahl des LFK in diesem Fadenkreuz halten, und das Fadenkreuz natürlich auf dem Ziel. Die Sicherheitsstrecke war 75 Meter, das heißt, erst nach 75 Meter Flugbahn wird der Gefechtskopf scharf. Maximale Reichweite beträgt 2000 m. Die Lenksignale werden über einen Lenkdraht an die Steuerung des LFK gesandt, der sich nach dem Abschuss abrollt. Ganz einfach also!
Einsetzbar ist die Waffe gegen alle gepanzerten Fahrzeugen, auch gegen Panzer mit Aktiv-Panzerung und sogar gegen tief fliegende Hubschrauber!
Der brave Soldat S. wurde auserkoren den 15.000-Mark-Schuss abzugeben.
So richtig wusste er nicht, ob das jetzt eine Auszeichnung war, oder eine Strafe.
Die drei Tage vor der Vorführung waren geprägt von Trockenübungen. Der OG S. hätte ja gerne wenigstens einen scharfen Schuss im Vorfeld abgegeben, allerdings wurde der nicht genehmigt. Zu teuer.
Allerdings wurde ihm am Morgen der Vorführung bereits deutlich gemacht, dass wenn er den Panzer heute nicht treffen sollte „die Eier weg sind“!
Es geht nichts über ein paar motivierende Worte.
Ein Panzerabwehrtrupp MILAN besteht aus zwei Mann. Dem, der das Gerät bedient, und einem zweiten Mann, der das Rohr mit dem Flugkörper auf die Startvorrichtung setzt und gegebenenfalls nachlädt. Zweiter Mann war der Gefreite Ingo, und damit die beiden auch nicht kopflos waren, wurde ihnen der Fähnrich W., nur bekannt als „die Gießkann“ zugeteilt.
Ingo und S. waren darüber am meisten begeistert. Denn der Fähnrich S. war ein „Dummschwätzer unn Ahnung hott er aach kään“!
Der Tag der Wahrheit kam und eine dreiviertel Stunde vor Eintreffen der Besuchergruppe mit den Lamettaträgern wurden S. und die beiden anderen, nebst MILAN in die Nähe ihrer Abschussstellung gebracht. Die letzten 150 m mussten sie zu Fuß zurücklegen. Der Gefreite Ingo trug den Flugkörper in seinem Abschussrohr, der OG S. das gut 30 kg schwere Startgerät, die „Gießkann“ beschränkte sich auf das Tragen der Verantwortung und des Handfunkgeräts, über das der Feuerbefehl kommen sollte.
In der Stellung angekommen begann S. direkt mit dem Aufbau des Startgeräts, während. Ein Blick durch die Optik: kein Panzer zu sehen.
„Ich sehe kein Ziel!“ sagte der OG. S.
„Da oben auf der Erhebung steht er!“ sagte die „Gießkann“.
„Do is nix!“ wiederholte S. seine Feststellung.
„Sind sie blind? Sie werden doch einen orangen Panzer auf einer grünen Wiese ausmachen können!“ blaffte die Gießkanne.
Y-Zeit minus 20 min.
„Sie könne jo mol durch die Optik gugge! Do is nix! Nur Bääm!“ der OG S. war genervt, schließlich waren seine Eier in Gefahr.
„Der muss hinter den Bäumen sein!“ meinte der Gefreite Ingo.
Der Zielpanzer schien von Bäumen verdeckt. Aber durch die Bäume konnte man nicht schießen. Traf der Flugkörper einen Ast, oder berührten die Lenkdrähte einen Ast, detonierte er sofort.
„Oh Gott, oh Gott. Was machen wir jetzt? In fünfzehn Minuten kommen die!“
Die Gießkann geriet in Panik. Irritiert sahen der Gefreite Ingo und der OG S. der Gießkann zu, wie sie vollkommen die Nerven verlierend hin und her rannte.
Dabei war es ja S., der Grund für eine Panik hatte.
Y-Zeit minus 12 min.
Der OG S. sah sich um. Etwa 200 Meter weiter rechts sah es vielleicht besser aus, und sie könnten von dieser Position freies Schussfeld auf den Panzer haben.
“Stellungswechsel!“ plärrte S. und sprang auf, und lud sich das Abschussgerät auf den Rücken.
„Zu spät! Wir haben keine Zeit!“ Die Gießkann schien den Tränen nahe.
„Jammer net! LAAF! Unn saa üwwer Funk Bescheid, dass wir Stellungswechsel machen müssen.
S. und Ingo sprinteten los.
Vollkommen platt kamen sie in der neuen Stellung an.
Y-Zeit minus 8 min.
Gerät aufstellen, ein Blick durch die Optik.
„Scheiße! Noch ein Stück!“
S. sprang auf, Gerät auf den Rücken.
De Gießkann rief die Heiligen an.
Nach etwa weitern achtzig Metern stoppten sie.
Gerät aufstellen, durch die Optik schauen.
„Ich hanne!“
Y-Zeit minus drei Minuten.
S. rann der Schweiß in die Augen, während er die Waffe einrichtete und Ingo das Abschussrohr auf die Waffe aufsetzte.
„Wespe hat Feuerstellung erreicht!“ meldete die Gießkann.
Keine Minute später kam der Feuerbefehl:
„Hornisse an Wespe: Feuern, wenn bereit!“
Noch dreimal tief Luftholen.
„Weg aus dem Rückstrahlbereich!“
Zischend schoss der LFK aus dem Rohr.
Mit einer leicht zitternden Flugbahn schoss er auf den Panzer zu.
Nach gut zehn Sekunden war am Ziel eine Rauchwolke zu sehen, ein paar Sekunden später hörte man einen trockenen Knall.
“Sauwa in die Kapp geschiss!“ grinste S. „Mei Karriere als Eunuch wird noch e bißje waade misse!“
Der Blick des OG S. fiel auf den Fähnrich, der allmählich wieder Farbe ins Gesicht bekam:
“De nächschde Kriech, den verliere mir widda!“ sagte er zu Ingo, der nachdenklich nickte.
Und so sieht ein MIlan-Schuss aus, durchgeführt von Gebrigsjägern:
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