Gipfeltag - 2. König der Welt
König der Welt
Nach dem Second Step folgt noch eine dritte Felsstufe, der Third Step.
Weniger spektakulär als der Second Step. Dahinter folgte der Schneehang, den man queren musste um die Gipfelpyramide zu erreichen. Vom Third Step aus war es noch eine Stunde bis zum Gipfel.
Diese Aussicht war wie ein Zug am Joint. Als hätte ich eine Extraportion Energie bekommen, so fühlte ich mich jetzt. Trotzdem gings im Schneckentempo weiter. Selbst bei dieser “Geschwindigkeit“ verbrannte mein Körper jetzt 1000 Kalorien, pro Stunde!
Am Third Step hatte es begonnen zu dämmern. Jetzt auf dem Schneehang trafen uns die ersten Sonnenstrahlen. Bei einer Verschnaufpause nutzte ich endlich mal die Gelegenheit und blickte mich um. Am Horizont war bereits die Krümmung der Erde zu erkennen. Eine Sache, die mich unglaublich faszinierte, hatte dies doch etwas „ausserirdisches“. Dorje drängte zum Weitergehen. Also weiter, Schritt für Schritt. Nach so vielen Stunden des Aufstiegs hatte es etwas mechanisches.
Dann sah ich sie, die bunte Punkte am Gipfel. Die Gebetsfahnen, von denen die meisten im Schnee lagen. Das puschte mich noch einmal zusätzlich.
Und dann war es soweit!
Um 0635 am 26. Mai 2008 stand ich auf dem höchsten Punkt der Erde. Als Erster an diesem Tag. Das Gefühl war unbeschreiblich. Ich schrie die Anspannung förmlich heraus. Dorje kam zu mir und gab mir die Hand. Ich konnte nicht anders als ihn herzlich zu umarmen. Ich bedankte mich überschwänglich bei ihm, denn ohne seine Hilfe, ohne die Hilfe der Sherpas, die wäre ich nicht hier oben, käme keiner von uns auf diesen Berg.
Dorje hatte unsere Ankunft am Gipfel bereits dem Expeditionsleiter ins vorgeschobene Basislager gemeldet. Er beglückwünschte mich über Funk und gab uns fünfzehn Minuten auf dem Gipfel, dann sollten wir den Rückweg antreten.
Ich fummelte meine Digitalkamera aus dem Overall und schoss ein paar Aufnahmen. Ein Rundumblick vom Gipfel. Um mich DIE Namen im Himalaya: Lothse, Nuptse, Ama Dablam, der Makalu, am Horizont aus dem Wolkenmeer herausschauend, der Kanchenjunga. Der helle Wahnsinn! Wie Leonardo DiCaprio breitete ich meine Arme aus und schrie wie verrückt. Unter mir, gut 2600 Meter unter mir und versteckt hinter dem Lhotse war der Island Peak, auf dem ich vor zwei Jahren stand. Ich machte noch eine Aufnahme von Dorje und mir zusammen, dann brachen wir auf.
Noch auf der Gipfelpyramide kamen uns die anderen aus unserer Gruppe entgegen. Dorje und ich ließen sie vorbei, und jeder beglückwünschte mich zum Gipfelerfolg.
Je weiter wir nach unten kamen, desto mehr Bergsteiger anderer Expeditionen kamen uns entgegen. Am Third Step mussten wir kurz warten ehe wir unseren Abstieg fortsetzen konnten. Es begann jetzt etwas, dass ich im Grunde hasste wie die Pest: das vorbeilassen des Gegenverkehrs! Der Pfad auf dem man sich entlang der Fixseile bewegte war kaum breiter als zwei nebeneinander stehende Füße, vielleicht 40 cm. Um einen entgegenkommenden Bergsteiger vorbeizulassen, beziehungsweise um an einem solchen Vorbeikommen, wenn dieser einen vorbeiließ, musste man sich zwangsläufig aus dem Fixseil aushaken. Anders als bei den Klettersteiggurten, wo man zwei Karabiner hatte, von denen immer mindestens einer im Sicherungsseil war, hatte man bei diesen Gurten nur ein Seil mit Karabiner am Hüftgurt. Man war also für einen Moment ungesichert. Die Tatsache, dass es hier auf dem Grat hinter mir dreitausend Meter nach unten ging, machte mir bei diesen Überholmanövern echt Sorgen!
Am Second Step dann der unvermeidliche Stau aufsteigender Bergsteiger. Für uns auf dem Weg nach unten hieß das Warten. Hier in 8600 m Höhe nichts Schönes. Die Temperatur lag aktuell bei – 29 Grad mit einem leichten Wind. Es dauerte nicht lange, und ich begann zu frösteln. Und das war nicht gut! Um Sauerstoff zu sparen, wurde der Regler bis auf ein vertretbares Maß heruntergedreht. Dadurch dass man weniger Sauerstoff bekam, wurde einem noch kälter.
Eine dreiviertel Stunde mussten wir warten ehe wir eine Lücke nutzen konnten um auf die Leiter zu steigen. In dieser zeit waren nicht weniger als 24 Bergsteiger an mir vorbei gezogen.
Auf die Leiter steigen hört sich einfach an, ist es aber keineswegs. Die senkrechte Steilstufe die durch die Leiter überbrückt wird macht es notwendig, dass man sich bäuchlings hinlegt und die Beine über den Abgrund schwingt. Man tastet dann mit den Füßen nach dieser Aluleiter. Kein gutes Gefühl. Hat man sich dann mit den Stegeisen die Aluleiter runtergewurschtelt, steht man in der Regel schon vor dem Nächsten auf dem Weg nach oben.
Unser nächstes Ziel war der Mushroom Rock, wo wieder die Flaschen getauscht wurden. Auf dem Weg dorthin kam uns eine chinesische Expedition entgegen. Die waren in den letzten Tagen durch ihren Dilletantismus und ihrem Auftreten der kommerziellen Expeditionen negativ aufgefallen. Sie war größtenteils aus Militärangehörigen zusammengesetzt und nicht wenige hier am Berg bezweifelten dass die wenigsten irgendeine alpine Erfahrung hatten. Ich beschloss mich gegen den Hang zu lehnen und den Chinesen das Vorbeigehen mit der damit verbundenen Gefahr zu überlassen.
Ich blickte mich um und sah Dorje etwa dreißig Meter hinter mir. Im Umdrehen fiel mein Blick den Steilhang hinunter. Ein Wahnsinns-Anblick.
Der nächste Chinese kam und war daran sich an mir vorbeizufummeln. Ich blickte nochmals zu Dorje, der auch stehen geblieben war, um jemanden vorbei zu lassen, als plötzlich der Boden unter meinen Füßen verschwand, und ich spürte wie ich fiel.
Ich fand mich plötzlich im Fixseil hängend etwa fünf Meter unterhalb des Pfades wieder, den Chinesen press an mir. Der Blödmann wurde berechtigterweise panisch und begann wie ein Idiot zu zappeln um wieder hoch zu kommen. Durch diese Zappelei löste sich oben einer der Schneeanker und wir rutschten noch ein Stück tiefer. Davon abgesehen hingen wir zu zweit an dem Seil. Und das war an sich schon nicht gut. Weitere Schneeanker lösten sich und wir rutschten weiter abwärts. Plötzlich hatte der Typ einen Eispickel in der Hand und begann nun wie doof mit dem Teil auf den hier nur mit einer dünnen Schneedecke bedeckten Fels zu hämmern.
Ich schrie ihn an, er solle endlich aufhören und versuchte seinen Arm mit dem Pickel zu fassen zu kriegen.
Plötzlich ging es rasant abwärts!
Wir rutschten und purzelten den Steilhang herunter. Ich knallte dabei unsanft auf meine linke Hüfte, rutschte weiter hangabwärts, krachte auf etwas seltsam Weiches und blieb liegen.
© ande71
Leider in englisch, aber man es handelt sich um den oben beschriebenen Abschnitt:
[ame=http://www.youtube.com/watch?v=O1wXEK5lsrg&feature=related]http://www.youtube.com/watch?v=O1wXEK5lsrg&feature=related[/ame]
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