Hode da dich uth ga …
… was so viel heißt wie „Heute gehe ich weg“ und teil eines Reisesegens war. Wer in der frühen Neuzeit, also vor dem 19. Jh. und der Erfindung der Eisenbahn, durch die Lande reiste, musste zurecht um Leib und Leben fürchten, denn Seuchen, Krankheiten und Räuberbanden machten oft kurzen Prozess mit den Reisenden. Dementsprechend langwierig fiel der Abschied von Daheim aus. Man musste die finanziellen Angelegenheiten regeln, den Reisesegen des Priesters und Empfehlungs- und Begleitschreiben der Obrigkeiten einholen (wenn man gut durch die politische Vielfalt des Reiches kommen wollte) und zuletzt die Angehörigen und Freunde trösten und verabschieden. Es gab allerlei Ratschläge wie eine Reise vorzubereiten und zu absolvieren sei: wenig Gepäck, ein paar Sprachkenntnisse, gutes Schuhwerk, kein Reiseaufbruch am Karfreitag, eher im Frühjahr als im Winter reisen, im Wald nicht schlafen (Äste könnten auf einen herabfallen, mitunter auch geleitet von Räuberhand), eine Landkarte mitnehmen (soweit vorhanden) und diese auch verbessern und (mein Lieblingstipp) sich mit den unterschiedlichen Währungen vertraut machen. Für jemanden, der beispielsweise nach Frankreich reiste, sah das so aus (die Kaufkraft der Münze richtete sich nach ihrem Realwert, also nach dem tatsächlichen Edelmetallgehalt):
Die Münzen in ganz Frankreich sind ganze und halbe Sonnenkronen in Gold, eine gilt drei Franken oder sechzig Stüber; die geringste Münze ist ein Denar oder Heller, von denen zwölf Stüber ausmachen. Ferner werden auch in Frankreich neben den Stübern gemünzt Silberstücke zu dreißig Pfennigen, desgleichen Viertel von Dickpfennigen, Kreuzdicken, halben und ganzen Dickpfennigen und Kreuzdicken. Und gilt ein Franken zwanzig Stüber oder zehn Schweizer Batzen […] – Originalquelle aus dem Jahr 1599
Zur Not konnte man noch in ein ähnlich verwirrendes Münz-Ordnungsbuch gucken, was die Reiselaune sicherlich nicht steigerte.
Die Reise selbst ging hauptsächlich zu Fuß vonstatten (es sei denn man war reich und in Besitz eines Pferdes). Das blieb auch bis zur Eisenbahnreise so, denn selbst das Postkutschensystem der Familie Thurn und Taxis, das ab dem 16. Jh. eine zügige Reise durch ganz Europa möglich machte, war für viele unerschwinglich. Die tatsächlich grottenschlechten Wege und Straßen wurden von allen Sorten Reisender bevölkert. Da gab es Händler, Bauern (auf dem Weg zum oder vom Markt), Soldaten/Söldner (auf dem Weg zum nächsten Stützpunkt), Handwerker, Studenten (während der Semesterferien), junge Adlige auf Bildungsreise, Kuriere, Landstreicher usw. Touristisches Reisen gab es in dem Sinne noch nicht. Das kam erst im Laufe des 19. Jh. als sich „Freizeit“ in unserem Sinne etablierte, und natürlich mit der Eisenbahn. Allerdings gab es eine Form von Sensationstourismus, den wir heute bequem vom Fernsehsessel aus durchführen können und zwar die Reise zu Kriegsschauplätzen. Fanden Schlachten in der Nähe von größeren Städten statt, zogen Tausende während oder nach der Schlacht zum Schauplatz. Wem noch nichts für den nächsten Familienausflug eingefallen ist, lässt sich vielleicht von folgendem Bericht aus dem Jahr 1813 (nach der Aufklärung! ^^)inspirieren:
[Am 24. August 1813 war] die ganze Tour vom Halleschen Tor in Berlin bis nach Großbeeren mit einem Zug von Fourage-, Proviant- und Privatwagen besetzt; der Zug bewegte sich nur langsam und brachte eine unabsehbare Menschenmenge von der Neugierde aus Berlin heraus gelockt, nach Großbeeren, die hier ein Chaos von Menschen, Militär, Leichen, toten Pferden, Kugeln, Tornistern, Schuhen, Riemzeug etc. erblickte. Nachmittags brannten zahllose Küchenfeuer, und um fünf Uhr wurde überall umgeben von Leichnamen gespeist, und viele tausend Berliner nahmen an dem Mittagessen teil.
Wer mehr lesen will, dem empfehle ich: Gräf/Pröve: Wege ins Ungewisse: Eine Kulturgeschichte des Reisens 1500-1800.
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