Da ich viel und gerne schreibe, bietet sich so ein Blog doch an, denke ich.
Normalerweise blogge ich über andere Themen, aber wieso nicht mal über die Pso. Ist immerhin schon seit ich denken kann ein Teil von mir. Leider.
Ich hatte in meinem Leben schon einige gesundheitliche Zipperlein, aber die Pso ist eine Plage und von allen Dingen, die ich jemals hatte, der Teil von mir, über den am wenigsten Leute bescheid wissen. Irgendwie ist dieses Thema noch immer eine Art Tabu in der Gesellschaft. Schuppen? Igitt! Alleine schon das Wort in den Mund zu nehmen fällt mir schwer. Viele assoziieren das noch immer mit Ungepflegtheit und haben vor ihrem geistigen Auge eine müffelnde Person mit ungewaschenen, fettigen Haaren. Ich bin einigermaßen froh, dass es die lateinische Bezeichnung gibt. Ich leide an Psoriasis klingt doch irgendwie vornehmer als zu sagen, dass man eine Schuppenflechte hat.
Im Vertuschen meiner Kopfhaut Pso bin ich ein absoluter Großmeister und habe mir über die Jahre hinweg so einige Eigenheiten und Rituale angeeignet. Das war nicht immer so. Begonnen hat die penible Vertuschungsaktion in meiner Schulzeit. Kinder können grausam sein und das erste, laut über den Schulhof gebrüllte "Iiiiih guckt mal, die hat Schuppen!!! Wie eklig!!!" ist mir bis heute noch gut in Erinnerung. Seit dem Tag an hatte ich einige unschöne Spitznamen inne und wurde immer wieder gefragt, wieso ich mich nicht wasche, denn nur ungewaschene Menschen haben Schuppen. Mitschüler mieden mich und sagten, ich hätte die Krätze und wäre ansteckend.
Mittlerweile bin ich erwachsen und die einzigen Menschen, die von meiner Pso wissen, sind meine Eltern und meine Tante, da sie selbst betroffen ist. Selbst mein bester Freund, den ich seit über 16 Jahren kenne, hat keine Ahnung. Er weiß zwar, dass ich da immer so rote Flecken hinter den Ohren habe, aber da die schon immer da sind, wurde das nie mehr großartig thematisiert. Gesprochen über die Pso haben wir noch nie. Möchte ich auch nicht. Trotz, dass es mein bester Freund ist. Über die Pso reden ist für mich nach wie vor, trotz der 25 vergangenen Jahre, ein Unding.
Im Badezimmer dreht sich immer alles um meine Haare und meine Kopfhaut. Schon immer. Als Kind wurde ich täglich gequält mit dicken, pastigen Cortisonsalben, Lotionen, Lösungen, Cremes [...] die mir meine Mutter jedes Mal in einer ewig anmutenden Prozedur Scheitel für Scheitel sorgfältig auftrug. Die Nächte, in denen ich mal nicht auf einem rauen Frottee-Handtuch schlafen musste, damit das klebrige Zeug nicht auf dem Kopfkissen hängt, konnte ich an einer Hand abzählen. Tagsüber musste ich oft mit einer Mütze herum laufen, die meine Mutter mit Zewa ausstaffierte, damit das Zeug nicht durchsuppte.
Es war nicht nur nervig, es war grausam. Vor allem dann, wenn sich jemand ein Spaß erlauben wollte und mir die Mütze vom Kopf riss. Meine Kindheit glich einem Spießrutenlauf. Irgendwann wollte ich nicht mehr, es änderte sich ja ohnehin nichts. Die lästigen Schuppen waren nach wie vor da, ich hatte keine Lust mehr auf stundenlanges Kopf einschmieren und 20 Mal Haare waschen, damit das Zeug wieder draußen war. Ich hatte keine Lust mehr auf einem kratzigen Frottee-Handtuch zu schlafen und keine Lust mehr mich von den anderen Kindern auslachen zu lassen. Ständig eine Mischung aus strähnigen Haaren, Fett und verklebten Schuppen auf dem Kopf zu haben ist wirklich kein Kindheitstraum.
Die Hautklinik, die mich betreute, rückte dann mit einer Lichtkabine an, in der ich dann in regelmäßigen Abständen ausharren musste, um mir Scheitel für Scheitel die Kopfhaut bestrahlen zu lassen. Auch nicht besonders cool. Irgendwann gabs dann den Lichtkamm für Zuhause. All das brachte aber auch nichts. Gar nichts.
Ca. 15 Jahre nach dem Ausbruch bekam ich das erste Mal mit Fumaderm eine systemische Therapie. Damals vertrug ich das Zeug überhaupt nicht. Mit jeder Dosissteigerung hing ich Ewigkeiten über der Kloschüssel und die Tabletten, die rein kamen, erbrach ich quasi gleich wieder. Es hatte irgendwie keinen rechten Zweck, aber ich wollte die Pso los werden und quälte mich weiter mit dem Zeug, bis mein Arzt es absetzte.
Danach war ich desillusioniert und gab auf. Mit meiner Volljährigkeit konnte ich selbst entscheiden und lehnte die Salben Prozeduren kategorisch ab. Auch die teuren, nutzlosen Shampoos aus der Apotheke hab ich aufgegeben. Ich fing an meine Haare jede Woche in einer anderen Farbe zu färben, machte mir Dauerwellen und schmierte allerlei Chemie auf meine Kopfhaut, es brannte fürchterlich, aber wurde weder schlimmer, noch besser. Es blieb - wie immer - unverändert.
Im Alltag merke ich es mittlerweile gar nicht mehr, aber die Pso ist nicht nur auf meinem, sondern auch in meinem Kopf allgegenwärtig. Das beginnt morgens mit dem Aufstehen, wenn das erste, was ich tue, mein Kopfkissen verschämt ausschütteln ist, bevor mein Freund einen Blick darauf werfen könnte. Daher achte ich penibel darauf, dass ich immer vor ihm wach bin. Und natürlich existiert in unserem Haushalt nur helle Bettwäsche. Mein Freund hat das Gott sei Dank nie in Frage gestellt.
Der Staubsauger steht immer griffbereit, meine Haare kämme ich grundsätzlich über Kopf, damit mir das Zeug nicht ständig auf die Schultern in den Kragen rieselt und bearbeite sie anschließend penibelst mit einem Nissenkamm. Davon laden sie sich zwar auf und fangen an zu fliegen, aber ohne Nissenkamm kann ich nicht existieren. Wenn ich mir einen Zopf mache, kontrolliere ich anschließend haarklein auf lose Schuppen und gebe erst Ruhe, wenn alle beseitigt sind. Je nach Jahreszeit (im Winter ist es schlimmer) dauert das teilweise ewig. Einfach so einen Zopf machen, wie andere, ohne in den Spiegel zu schauen? Unmöglich!
Außer im absoluten Hochsommer sieht man mich immer nur mit Schals und Halstüchern. Davon habe ich einen ganzen Schrank voll, natürlich immer helle Farben. Die verdecken die unschönen Hautstellen am Haaransatz und fangen lästige, rieselnde Schuppen auf. So kann ich auch mal dunkle Oberteile anziehen oder dunkle Jacken mit Kragen. Meine Gedanken sind trotzdem immer bei meinen Krägen. Das Gezupfe an Pullikrägen, Jacken, T-Shirts und Co. ist bereits ein absoluter Automatismus. Ich muss ständig kontrollieren, dass nichts herunter rieselt bzw. die Corpora delicti sofort eliminieren. Natürlich immer diskret genug, damit niemand etwas merkt.
Es gibt noch mehr Ticks und Spleens, vor allem wenn ich irgendwo übernachten muss etc. und das ist so in Fleisch und Blut über gegangen, dass ich es gar nicht mehr merke. Dass ich gar nicht mehr gemerkt habe, wie viel Aufwand das alles ist, wie viel Zeit mich das kostet und wie eingeschränkt ich bin. Eigentlich könnte ich tausende von Situationen aufzählen, in denen meine Kopfhaut eine Rolle spielt. Das habe ich mir kürzlich mal bewusst gemacht, weil wieder Winter ist und mich der Juckreiz fast ins Grab gebracht hätte. Auch wenn ich eine enorme Selbstkontrolle entwickelt habe, um nicht zu kratzen, denn kratzen erzeugt wieder sichtbare, aufliegende Schuppen, niemand sollte jemals wieder in meinem Leben sagen "Iiih guck mal, die hat Schuppen!" Nie, nie wieder.
Deshalb habe ich es nun wieder angepackt und habe mir erneut einen Hautarzt gesucht. Der erste Termin war etwas unbefriedigend. Nach meiner Geschichte war der Arzt sofort heiß auf Biologika, aber da ich keine Unterlagen der letzten 25 Jahre Hautarzthistorie dabei hatte und auch sagte, dass ich die Fumaderm Therapie vorzeitig abbrechen musste, war er genervt. Damit bekäme er kein Okay für Biologika. Für mich hieße das erneut Fumaderm. Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen, aber da meine Leberwerte leicht erhöht sind, da ich noch andere Medikamente nehmen muss, schied MTX aus. Außerdem habe ich panische Angst vor dem möglichen Haarausfall.
Also wieder Fuma. Nungut. Let's give it a try. Die Initial habe ich nun überstanden und musste mich tatsächlich nur ein Mal übergeben. Fast schon ein Wunder. Dafür habe ich jetzt Hitzewallungen wie eine Mittfünfzigerin in den Wechseljahren. Es sind zwar keine Flushs, ich werde also nicht rot, aber von der einen auf die andere Sekunde könnte ich mir alle Kleider vom Leib reißen und in eine Eiswanne springen. Der Arzt bestand auf einer Biopsie und einer körperlichen Untersuchung, für die ich mich komplett (!) ausziehen sollte. Auch die Unterwäsche. Ich weigerte mich strikt, schließlich geht es um meine Kopfhaut und ich weiß über meinen Körper bestens Bescheid. Ich sehe ihn jeden Tag und wenn dort an irgendeiner anderen Stelle Pso wäre, wüsste ich das! In den letzten 25 Jahren forderte das kein Hautarzt und auch von einer Biopsie war nie die Rede. Scheinbar war er gut genervt von meiner mangelnden Compliance und den nächsten Termin hätte ich bei seiner Kollegin.
Von ihr bin ich ganz begeistert. Eine nette, aufmerksame und vor allem einfühlsame Frau, die einem zuhört. Die Ganzkörper Untersuchung, die ihr Kollege angeordnet hatte, stellte sich als Hautkrebsvorsorge unter dem Deckmantel der "Psoriasis-Kontrolle" heraus. Ich lehnte dankend ab und sie verstand das und drängte mich auch nicht dazu. Die Biopsie hielt sie für unnötig, da der Abstrich bereits alle nötigen Ergebnisse geliefert hätte. Wusste ich es doch! Sie sagte, dass gegen die Hitzewallungen Aspirin helfe, aber ich halte es für eher unglücklich jeden Tag vorsorglich eine Aspirin zu schlucken. Dem pflichtete sie bei. Zusätzlich zu den "richtigen" Fumas bekam ich nun den Clarelux Schaum. Morgen kommt das Zeug via Versandapotheke, auf den Schaum bin ich wirklich gespannt.
Kampf dem Kopfpanzer!
...to be continued...